Seewölfe - Piraten der Weltmeere 288. Frank Moorfield

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 288 - Frank Moorfield


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der Seewölfe hätte sich den eigenartigen Holzbuckel liebend gern einmal näher angesehen, doch der wieselflinke und spindeldürre Bursche, der mit einem Degen auf ihn eindrang, schien dafür absolut kein Verständnis zu haben.

      Der Kutscher, selbst mit einem Degen bewaffnet, parierte geschickt die Hiebe und Stöße des Dürren, der seine Angriffe stets mit lauten Verwünschungen in französischer Sprache begleitete. Da plötzlich mußte der Pirat seine große Chance erkannt haben. Blitzschnell stieß er zu, um dem hageren Engländer den Degen in die Brust zu bohren.

      Aber auch der Kutscher war sehr beweglich. Im letzten Augenblick gelang es ihm, den tödlichen Stoß abzuducken, so daß sich die Waffe des Angreifers in das Holz des Schanzkleides bohrte. Und der Dürre sollte es auch nicht mehr schaffen, den Degen aus dem Holz zu ziehen.

      „Wer zum Schwert greift, wird durch das Schwert sterben“, sagte der Kutscher mit einer Mischung von Bitterkeit und Bedauern in der Stimme. Dann stieß er zu. Der Dürre sank mit verzerrtem Gesicht auf die Planken des Achterdecks. Wie es aussah, würde er niemals mehr heimtückisch über andere herfallen.

      Philip und Hasard junior, die zwölfjährigen Zwillingssöhne des Seewolfs, waren mit flinken Händen damit beschäftigt, die Musketen und Pistolen, deren sie habhaft werden konnten, aufzuladen. Wenn sich dabei für sie die Gelegenheit ergab, einem der Galgenstricke ein Bein zu stellen, dann taten sie das nicht nur mit Vergnügen, sondern auch mit äußerster Präzision.

      Noch während der Kampf Mann gegen Mann auf dem Achterschiff in vollem Gange war, enterte Philip Hasard Killigrew mit den Männern seines Aktionstrupps an Bord der „Hornet,“ Darunter befanden sich Ferris Tucker, der rothaarige Schiffszimmermann, Edwin Carberry, der bullige Profos mit dem gewaltigen Rammkinn und dem Narbengesicht, und Batuti, der Gambia-Mann aus dem fernen Afrika.

      Die Männer waren mit den erbeuteten Einmastern, einer Schaluppe und einer Pinasse, längsseits gegangen, um den hart bedrängten Kameraden zu Hilfe zu eilen. Dabei war dem Seewolf auch Lucille, die blonde Hafenhure, in die Hände gefallen. Von ihr, die eigentlich in der Pinasse hatte Wache stehen sollen, hatte Hasard erfahren, was da an Bord der „Hornet“ geplant war. Und so hatte er gerade noch rechtzeitig einen Warnruf ausstoßen können.

      Als Albert, der „Bucklige“, den Seewolf erkannte, fuhr ihm der Schreck durch sämtliche Glieder. Mit dieser Verstärkung hatte er wohl doch nicht gerechnet. Zumindest war das plötzliche Auftauchen des Seewolfs und seiner Männer nicht in seinen Plan einkalkuliert worden. Er hatte sich die Sache wesentlich einfacher und erfolgreicher vorgestellt, als er mit seinem Trupp von Galgenstricken von Quimper zur Bucht vor Concarneau aufgebrochen war.

      In einer Blitzaktion hatte er die Crew der „Hornet“ niedermetzeln wollen, um dann die Frachträume des Schiffes in aller Ruhe durchsuchen zu können und sich die fette Beute, die der Seewolf seiner Meinung nach mit sich führen mußte, anzueignen. Daß die Engländer jedoch auf dieser Mission, die sie im Auftrag ihrer Königin, Elisabeth I., durchführten, weder Gold noch Silber geladen hatten, war dem Buckligen nicht bekannt.

      Im Moment sah er sein Vorhaben jedoch stark gefährdet, und im stillen verfluchte er Lucille, die Hure aus Quimper, die auf der Pinasse zurückgeblieben war. Warum hatte sie nicht rechtzeitig Alarm gegeben? Das verdammte Weibsstück hatte sich, wie es aussah, von diesem Seewolf überrumpeln lassen. Wie sonst konnte der plötzlich mit einer Horde gefährlich aussehender Männer an Bord der „Hornet“ auftauchen?

      Irgend jemand brüllte ein lautes „Ar-we-nack“, den Schlachtruf der Seewölfe, als sich Hasard mit seinen Männer über das Schanzkleid schwang.

      „Siehe da, unser lieber Freund Albert!“ knurrte Edwin Carberry beinahe erfreut. „Ho, das bucklige Rübenschwein werde ich eigenhändig von seiner Hucke befreien!“

      „Nicht mehr nötig, Ed“, gab der Seewolf zurück. „Wenn mich nicht alles täuscht, hat der Kerl keinen Buckel mehr.“

      „Was, wie?“ schnaubte der Profos. „Hat er ihn schon wieder verloren? Na warte, dann werde ich diesem einhöckrigen Kamel eben die Haut in Streifen von seinem karierten Affenarsch abziehen, und zwar schön langsam und mit …“ Der Rest seiner gefährlich klingenden Prophezeiung ging im Kampflärm unter.

      Bereits kurze Zeit später wischte Edwin Carberry mit einem der Galgenvögel das Achterdeck auf. Wehe denen, die unter seine gewaltigen Fäuste gerieten! Wo der Profos seine Pranken hinsetzte, da wuchs vorerst kein Gras mehr.

      Auch Hasard und Ferris Tucker hatten inzwischen alle Hände voll zu tun. Der Seewolf hatte sich Albert, den Kerl mit dem falschen Buckel, vorgeknöpft, und Ferris setzte gerade einem bulligen Kerl die Faust unter das unrasierte Kinn. Daß der Bursche dabei einige Yards zurückgeschleudert wurde und Batuti gewissermaßen in die Hände fiel, war sein Pech. Jedenfalls sah er außer dem Mond plötzlich noch eine ganze Menge Sterne am nachtschwarzen Himmel aufleuchten. Und dann sah er überhaupt nichts mehr.

      Hasard war es mittlerweile gelungen, Albert den Degen aus der Hand zu schlagen. Und ohne Waffe war der „Bucklige“, plötzlich hilflos. Seine Augen weiteten sich vor Angst, als ihn der Seewolf bis zum Schanzkleid zurückdrängte und ihm dabei die Degenspitze an die Kehle setzte.

      „Nein – bitte nicht!“ röchelte er. „Nicht töten! Bitte!“

      „Du Mistkerl hättest es wahrhaftig nicht besser verdient“, sagte der Seewolf mit einem drohenden Unterton in der Stimme. Der Blick seiner eisblauen Augen jagte Albert einen Schauer über den Rücken. „Hör auf zu winseln, ich denke nicht daran, meinen Degen an dir zu beschmutzen.“

      Sekunden später mußte Albert seine Schnapphähne zurückpfeifen, und damit war der Kampf an Bord der „Hornet“ entschieden. Ein Kampf, den der Bucklige sich so ganz anders vorgestellt hatte. Der Lärm ebbte ab, und die Seewölfe begannen, einen Kreis um die gefangenen Piraten zu bilden.

      Der einzige an Bord der englischen Galeone, der das ganze Geschehen gewissermaßen von einer höheren Warte aus mitverfolgt hatte, war Sir John, der karmesinrote Aracanga-Papagei der Seewölfe. Er war die ganze Zeit über aufgeregt auf der Vormarsrah, seinem Lieblingsplatz, hin und her getrippelt und hatte hin und wieder einen erbosten Fluch ausgestoßen, weil man ihn in seiner Nachtruhe gestört hatte. Nun aber, da die größte Gefahr gebannt war, steckte er seinen vorlauten Schnabel wieder ins Gefieder, um seinen Schlaf fortzusetzen.

      Das Gesicht Alberts wirkte im fahlen Mondlicht bleich und verzerrt. Jetzt, da er sich durch den erneuten Verlust seines „Buckels“ enttarnt fühlte, unterließ er es auch, wie ein Irrer zu lallen und zu stammeln.

      Er starrte vielmehr zähneknirschend auf die drei toten Männer, die bei dem heimtückischen Überfall auf die Besatzung der „Hornet“ auf der Strecke geblieben waren. Alle drei hatten zu seiner Bande von Schnapphähnen gehört. Statt der Belohnung, die er ihnen für ihren Angriff auf die „Hornet“ versprochen hatte, würden sie für immer in den kühlen Fluten des Atlantiks verschwinden.

      Ja, der „Bucklige“ hatte sich den Verlauf seiner Aktion völlig anders vorgestellt, als er in Quimper die Hure Lucille sowie später einen Trupp verluderter Kerle für seinen Plan begeistert hatte. Er, der in Quimper, Concarneau und einigen anderen Küstenorten als Verbindungsmann zu dem spanischen Spion Lucio do Velho und dem französischen Piratenführer Yves Grammont fungierte, hatte im Überfall auf die „Hornet“ seine große Chance gesehen, sich die legendären Schätze der Seewölfe unter den Nagel zu reißen. Jetzt aber stand er als Gefangener am Schanzkleid der englischen Galeone und bettelte bei deren Kapitän, Philip Hasard Killigrew, um sein Leben.

      Die sieben übrigen Galgenstricke warfen ihrem Anführer vernichtende Blikke zu. Auch sie hatten sich eingebildet, bei ihrem Überraschungsangriff leichtes Spiel zu haben. Statt dessen hatten sie sich blutige Köpfe geholt, denn die Engländer hatten unheimlich schnell reagiert und dann wie die Teufel gekämpft. Außer einigen Beulen, Schrammen und Kratzern hatten diese Seewölfe nichts abgekriegt. Da hatte auch der Trick Alberts nichts genutzt, das Heck der Galeone anzubohren.

      Old O’Flynn, der bis zum Auftauchen des Seewolfs die Verantwortung an Bord getragen hatte, war bezüglich des Ablenkungsmanövers der Piraten längst


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