Seewölfe - Piraten der Weltmeere 120. Roy Palmer

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 120 - Roy Palmer


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      „Stimmt“, pflichtete Ferris, der rothaarige Schiffszimmermann, ihm sofort bei. „Und wenn ich an Thorfin Njal denke – diesen behelmten Nordpolaffen! Gut, daß wir den los sind. In letzter Zeit ging der Bursche mir verdammt auf die Nerven.“

      „Und seine behelmten Landsleute?“ sagte Shane. „Eike, Arne, Oleg und der Stör? Jetzt kann ich’s ja offen und ehrlich sagen, ich hab die Burschen nie leiden können.“

      Old O’Flynn hieb in die gleiche Kerbe. „Also, der blödeste Hund von allen war ja wohl Juan. So ein Schlitzohr. Und der Boston-Mann, der fast nie was sagt? Hat auch nur einer von uns ihm so richtig über den Weg getraut?“

      Ben Brighton stellte durch einen raschen Seitenblick fest, daß der Seewolf schräg hinter ihm stehengeblieben war. Ben beschloß, zum Schein mitzuwettern.

      „Ach wo“, erklärte er. „Ich sage euch, die Besatzung des schwarzen Seglers ist ein übles Volk. Ein großer Sauhaufen. Denkt doch mal an Bill the Deadhead, diesen Schläger. Oder an Muddi, diese dreckige Ratte. Und Mike Kaibuk? Hat jemand einen ähnlich verschlagenen Typ gesehen? Ganz zu schweigen von Missjöh Buveur, diesem versoffenen Schnapphahn. So was ist doch keine Mannschaft, sondern ein Haufen, bei dessen Anblick sich jedem richtigen Seemann kräftig die Haare sträuben.“

      „So“, sagte der Seewolf.

      Ben verstummte. Die anderen wagten es nicht, wieder das Wort zu ergreifen. Alle fünf fühlten sich plötzlich gar nicht wohl in ihrer Haut.

      „Mit anderen Worten, ihr wünscht den Männern des schwarzen Schiffs die Pest an den Hals?“ Hasards Stimme klang gar nicht mal besonders laut, aber eine Nuance schärfer als gewöhnlich.

      „Na“, antwortete Carberry. „Das nicht gerade. Aber es war ja klar, daß wir diese Schlagetots und Gurgelschneider früher oder später irgendwie abwimmeln mußten.“

      „Angst, Ed?“

      „Wie, Sir? Was?“

      „Ich meine, das hört sich ja fast so an, als hättest du Angst vor dem verdammten Sauhaufen.“

      „Nein, Sir“, versicherte der Profos. Er hob den Kopf. „Nicht die Bohne, Sir.“

      „Schlagetots und Gurgelschneider – zählst du denn Siri-Tong auch dazu?“

      Carberry lief ein bißchen dunkel im Gesicht an. Fast hätte er sich verschluckt und losgehustet. Jawohl, er hatte sich mal wieder in den unsichtbaren Netzen verfangen, die der Seewolf auswarf, und mit dem Stiefel war er in einen Kübel Fett getreten, mitten hinein.

      „Der Schlag soll mich treffen, wenn ich das tue. Auf der Stelle.“

      Der Schlag traf den Profos jedoch nicht, seine Behauptung schien also aufrichtig zu sein.

      Hasard fuhr sich mit der Hand übers Kinn, und Carberry hielt es für angebracht, sich mit dem Handballen die große Nase zu reiben. Flink sah der Profos zu den anderen. Die tauschten auch Blicke aus. Hölle, auf was hatten sie sich da eingelassen, in was für eine Sache hatten sie sich bloß verheddert?

      „Siri-Tong kommt bei eurer Beurteilung also ein bißchen besser weg“, sagte Hasard.

      Sie nickten, und Ferris Tucker erwiderte: „Sehr viel besser. Wir alle wissen doch, daß sie eine bewunderswerte, einmalige, phantastische Frau ist! Eine Schönheit, wie man sie nicht zum zweitenmal auf der Welt trifft!“

      „Und dieses Wunderwesen soll sich ausgerechnet einen Sauhaufen von blutrünstigen Kreaturen ausgesucht haben, um ein Schiff wie ‚Eiliger Drache über den Wassern‘ zu bemannen?“

      Ben Brighton wollte mit Diplomatie antworten, einlenken, aber da meldete sich schon der Profos, und es war zu spät, etwas gegen seinen Einwand zu unternehmen.

      „Ho!“ rief er aus. „Ein Schuft, der so was behauptet! Madame Siri-Tong kennt die Menschen und weiß, wen sie sich an Bord geholt hat, schließlich ist sie kein törichtes Mädchen! Niemals würde sie Kerle dulden, die das Herz nicht auf dem rechten Fleck haben!“

      „Also habt ihr eben ganz schön geschwindelt“, sagte der Seewolf wie nebenbei. „Was ihr da über Thorfin Njal und die anderen gesagt habt, war von vorn bis hinten erstunken und erlogen, was?“

      „Und ob!“ brüllte Carberry. „Madame nährt doch keine Mörder und Giftzwerge an ihrem Busen!“

      „O Gott“, stöhnte Ben Brighton.

      „Um es anders auszudrücken, die Männer vom schwarzen Schiff sind in Ordnung?“ erkundigte Hasard sich freundlich.

      „Völlig!“ erklärte der Profos.

      „Es hätte mich gewundert, wenn ihr anders über sie denkt und hinter ihrem Rücken über sie herzieht.“

      „Schweinerei!“ stieß Edwin Carberry im tiefen Brustton der Überzeugung hervor. „Wer das tut, kriegt von mir höchstpersönlich den Achtersteven versengt. Es war schwer genug, der Roten Korsarin und ihrer Crew ade zu sagen. Oh, das war schlimmer als damals, wie wir Cornwall den Rücken gekehrt haben. Hölle und Verdammnis, und dann auch noch lästern? Nein. Am liebsten würde ich gleich wieder umkehren und …“

      Er hielt verwirrt inne.

      Ben, Shane, Ferris und Old O’Flynn schauten ziemlich belämmert drein. Der Seewolf lächelte verhalten und sagte: „Tut mir leid, aber das ist nicht drin. Wir können nicht ewig in China bleiben. Andererseits war es Siri-Tongs freie Entscheidung, in Schanghai zu bleiben. Habt ihr schon vergessen, daß ihre Mutter sie braucht? Edwin, hör gefälligst auf, wie ein melancholischer Esel dreinzuschauen.“

      Melancholischer Esel?

      Carberry war zumute, als habe ihm ein Roß mit dem Huf in den Allerwertesten getreten. Er zeigte klar, wandte sich ab und marschierte zur Kuhl hinunter, um den „Sauhaufen“ zusammenzustauchen, der offenbar von der Seefahrt keine blasse Ahnung hatte.

      Als er losbrüllte, musterte Hasard Shane, Ferris, Ben und den alten Donegal und sagte: „Langsam geraten die Dinge wieder ins rechte Lot.“

      Das mochte in bezug auf Bordmoral, allgemeine Disziplin und Stimmung schon zutreffen. Für das Wetter allerdings hatte Hasards Ausspruch keinerlei Gültigkeit. Der Wind und die See waren unberechenbaren und äußerst kapriziösen Einflüssen unterworfen, Launen, die hier wie überall auf dem Meer ein Schiff völlig unverhofft treffen konnten.

      Der Wind drehte auf Norden. Am Spätnachmittag dieses Tages stieß er düstere Streifen auf die „Isabella“ zu, die von Korea und aus der Mandschurei anzurücken schienen.

      Im verblassenden Büchsenlicht verfolgten die Seewölfe noch, wie sich die Streifen über ihren Köpfen und den Toppen der Galeone zusammenballten und Wolkentürme und andere wildzerklüftete Formationen bildeten.

      „Das wird ein Taifun“, orakelte Old O’Flynn. „Verflixt und zugenäht, und das gleich in der ersten Nacht nach unserem Auslaufen aus dem Hafen von Schanghai. Wenn das kein sauschwarzes Pech ist!“

      „Du hast die Schuld“, sagte Carberry zu Ben Brighton. „Du hast so dämlich dahergeredet, von wegen zwei Wochen Backstagswinde und bestes Wetter bis zu den Philippinen.“

      „Glaubst du an Gespenster, Ed?“ fragte Ben mit schmalen Augen.

      „Ich? Quatsch!“

      „Aber du siehst welche“, sagte Ben.

      Die Dünung wurde rauh und rauher, der Wind nahm zu und peitschte die Wellen zu Brechern hoch. Ja, sie liefen die Nacht über vor dem Sturm, aber es wurde doch kein Taifun daraus. Die Seewölfe spuckten mal wieder gegen den Wind und segelten dem Teufel ein Ohr ab. Sie hatten schon ganz andere Wetter abgeritten. Das hier, das war ein Sturm mittlerer Stärke, dem die „Isabella“ problemlos standhielt.

      Am Morgen hatte keiner der Männer ein Auge zugetan. Aber sie grinsten und stießen sich an. Das Wetter war durchgestanden, na also. Wie ein Tuch riß die Wolkenbahn über ihnen auf. Zwischen den Fetzen schimmerte weißliches Sonnenlicht.


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