Seewölfe - Piraten der Weltmeere 221. Frank Moorfield

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 221 - Frank Moorfield


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in das Mündungsgebiet eines kleineren Flusses hinein und ging dann in den Dschungel über.

      „Sieht nicht gerade aus, als ob da noch was zu reparieren wäre“, stellte Ferris Tucker, der Schiffszimmermann, mit sachkundiger Miene fest. „Weiß der Teufel, wie lange das Wrack schon dort drüben liegt und was mit seiner Besatzung geschehen ist.“

      „Ja, weiß der Teufel“, wiederholte der alte O’Flynn, der den Platz neben Ferris Tucker eingenommen hatte. „Und das mitten in der grünen Hölle, wo hinter jedem Baumstamm eine Bestie lauert. Ob das wohl Spanier waren? Oder vielleicht Portugiesen?“

      Dan O’Flynn, der die schärfsten Augen an Bord hatte, war zu Bill in den Ausguck aufgeentert. Seine erregte Stimme unterbrach plötzlich die Mutmaßungen der Männer an Deck.

      „Skelette!“ rief er. „Ich bin mir zwar nicht absolut sicher, aber ich glaube, es sind Skelette an Bord. Und nicht gerade wenige. Ja doch, ich sehe es jetzt deutlicher. Es sind Skelette!“

      Mit einem Blick, in dem die Zukunft der nächsten tausend Jahre verborgen lag, sah der alte O’Flynn den Profos an, der neben ihn getreten war.

      „Skelette“, murmelte er mit ungläubigem Gesicht. „Was denn für Skelette?“

      „Von Toten natürlich, du Stint“, sagte Ed Carberry. „Oder hast du schon einmal lebendige Skelette gesehen, was, wie?“

      Old O’Flynn winkte beleidigt ab. „Du willst mich wohl für dumm verkaufen, was? Ich meine natürlich, ob die Skelette vielleicht von den Dons sind, wenn das in deinen Ochsenschädel hineingehen sollte, den du rein aus Versehen auf deinen Schultern trägst.“ Wie zur Bekräftigung seiner Worte stieß er mit dem Holzbein gegen das Schanzkleid.

      Bevor der Profos zu einer passenden Erwiderung Luft holen konnt, wurde er vom Seewolf unterbrochen.

      „Ein Wrack mit vielen Skeletten, das ergibt auf Anhieb keinen rechten Sinn“, stellte Hasard fest. „Wir sehen uns das Ganze mal aus der Nähe an. Fiert das Beiboot ab, wir pullen rüber.“

      Erwartungsvoll sahen ihn die Männer an, jeder in der Hoffnung, daß er mit von der Partie sein würde. Doch da räumte der Kapitän der „Isabella“ schon mit der Ungewißheit auf und nannte die Namen.

      „Du, Ed“, sagte er zu dem bulligen Profos, „und ihr, Dan und Ferris, ihr begleitet mich. Al, gib die Waffen aus.“

      „Aye, Sir“, sagte Al Conroy, der stämmige, schwarzhaarige Stückmeister der „Isabella“.

      Wenig später erschien er mit den Waffen. Ed Carberry erhielt eine Muskete, Dan O’Flynn und Ferris Tucker wurden mit je einer Pistole bewaffnet, und Hasard nahm seine Radschloßpistole mit. Ferris Tucker hatte zusätzlich seine frisch geschärfte Zimmermannsaxt in den breiten Ledergürtel geschoben.

      Das Beiboot war inzwischen abgefiert worden, und die vier Seewölfe pullten los – auf das geheimnisvolle Wrack zu, auf dem der Tod zu hausen schien. Die Sandbank, auf der es lag, mündete direkt in dem Mangrovendickicht, hinter dem tausend tödliche Gefahren lauern konnten. Hasard und seine Männer kannten die grüne Hölle und wußten, daß man ständig auf der Hut sein mußte, wenn man nicht irgendwelche böse Überraschungen erleben wollte.

      Ungehindert erreichten sie die Sandbank. Hasard, Ed Carberry und Ferris Tucker sprangen in das flache, blaugrüne Wasser, um das Boot auf den Sand zu ziehen.

      Nur Dan saß noch auf der achteren Ducht und versuchte fluchend seine Pistole hochzuzerren, die sich in der Gräting verklemmt hatte. Endlich gelang es ihm. Er wollte gerade aufstehen, um den anderen zu folgen, da ließ ihn ein lauter Warnschrei heftig zusammenfahren.

      Für einen Moment saß Dan O’Flynn wie erstarrt im Boot. Was er sah, ließ ihm trotz der brütenden Hitze fast das Blut in den Adern gefrieren. Sein Blick heftete sich auf das dichte Mangrovengestrüpp, das sich weiter hinten zu einem immergrünen, verfilzten Wald verdichtete. Die Mangroven wucherten wie Unkraut, weil ihre zahlreichen Luftwurzeln die Feuchtigkeit aus der ohnehin dampfenden Luft sogen und somit für ein ständiges Wachstum sorgten.

      Aus dem Dickicht, das bis in das seichte Brackwasser der Flußmündung wucherte, schoß ein dunkler Schatten hervor und bewegte sich unheimlich schnell über den schmalen Streifen der Sandbank.

      Es war ein riesiger Mohrenkaiman.

      Dieses gefährliche Raubtier, das es sogar versteht, die blaugrüne Farbe des Wassers anzunehmen, das es durchschwimmt, gehört zu den größten Alligatoren des Amazonasgebietes und greift in seiner Gefräßigkeit alles an, was sich bewegt.

      Hasard hatte den dunklen Schatten, der sich aus dem Mangrovengestrüpp gelöst hatte, als erster bemerkt und den Warnruf ausgestoßen. Aber noch bevor die Männer recht begriffen, was geschah, war der Kaiman schon heran und griff sofort Ed Carberry an.

      Mit einem häßlichen Geräusch riß das gewaltige Tier, das aussah wie ein Koloß aus grauer Vorzeit, den Rachen auf und ließ eine Unzahl langer und scharfer Zähne erkennen.

      Der Profos der „Isabella“, dem absolut keine Zeit mehr verblieb, einen seiner von Herzen kommenden Flüche vom Stapel zu lassen, sprang geistesgegenwärtig zur Seite. Und das war sein Glück. Nur so gelang es ihm buchstäblich im letzten Moment, dem tödlichen Angriff auszuweichen. Die mächtigen Kiefer des Mohrenkaimans schnappten ins Leere.

      Doch das Ausweichmanöver Ed Carberrys war nur eine Momentlösung. Der Körper der Panzerechse schwang blitzartig herum und konzentrierte sich erneut auf sein Angriffsziel. Für einen Augenblick war selbst das kantige Gesicht des Profos aschgrau geworden, denn die Bestie hatte einen regelrechten Überraschungsangriff gestartet.

      Philip Hasard Killigrew erlangte als erster seine Fassung zurück. Blitzschnell riß er seine Radschloßpistole hoch und feuerte einen Schuß auf das Reptil ab. Doch das Tier bewegte sich im selben Moment, und so ging der Schuß daneben. Die Kugel fuhr, eine kleine Fontäne hochwirbelnd, in den Sand.

      Hasard gab nicht auf. Sofort krachte ein zweiter Schuß aus dem Lauf der Radschloßpistole – und diesmal traf die Kugel. Irgendwo bohrte sie sich in den mächtigen Schuppenpanzer des Kaimans.

      Aber die erwartete Wirkung blieb aus. Im Gegenteil, die Echse wurde nur noch rasender, und keine Macht der Welt schien sie in diesem Zustand noch an ihrem tödlichen Vorhaben hindern zu können.

      Ed Carberry war bis jetzt keine Zeit verblieben, die Muskete in Anschlag zu bringen. Er war voll damit beschäftigt, dem abermals zuschnappenden Rachen des Tieres auszuweichen.

      Auch Dan O’Flynn, der mittlerweile das Boot verlassen hatte, riß nun die Pistole hoch und visierte den Kopf des Kaimans an.

      Aber die Waffe funktionierte nicht.

      Ein eisiger Schreck fuhr ihm durch sämtliche Glieder. Das Pulver mußte feucht geworden sein, als sich die Pistole in der Gräting verklemmt hatte. So war sie zu einem nutzlosen Instrument geworden, unbrauchbarer als ein Stein. Zähneknirschend warf er die Pistole mit einem Schwung ins Boot hinüber und riß gleichzeitig sein Entermesser aus dem Gürtel.

      Ed Carberry hatte gerade einen weiteren Haken geschlagen, der selbst einem Akrobaten zur Ehre gereicht hätte.

      Aber da geschah es.

      Der rechte Fuß rutschte ihm in dem lockeren Sand unter dem Körper weg, und der Profos stürzte der Länge nach auf die Sandbank. Die Muskete löste sich bei dem Sturz aus seiner Hand und flog in den Dreck.

      Jetzt brauchte der Profos der „Isabella“ einen guten Schutzengel.

      Natürlich hatten die Männer, die auf der „Isabella“ zurückgeblieben waren, bemerkt, daß irgend etwas dort drüben auf der Sandbank nicht stimmte.

      Angespannt standen sie am Backbordschanzkleid der Galeone, die zwei Kabellängen von der Sandbank entfernt, im flachen Wasser vor Anker gegangen war. Die Schüsse aus Hasards Radschloßpistole hatten sie sofort aufgeschreckt.

      „Ein Krokodil“, sagte Ben Brighton, der mit flinken Fingern an der Optik des Spektivs hantierte. „Ein Krokodil scheint überraschend


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