Seewölfe - Piraten der Weltmeere 100. Roy Palmer

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 100 - Roy Palmer


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Mann namens Stenmark, ein kleiner, blauäugiger Bursche, den alle Luke Morgan nannten, ein hagerer Blondschopf namens Gary Andrews und schließlich dieser schwarzhäutige Herkules. Wenn Chumash sich recht entsann, hieß er Batuti.

      Der Rest der Mannschaft war wachfrei. Nur sechs Männer dirigierten das Schiff durch die Nacht, sechs, die Chumash zu übertölpeln gedachte.

      Grey und Stenmark hatten sich auf der Back postiert, drehten sich aber sofort um und traten an die Balustrade zur Kuhl, als sie den Indianer zum Achterdeck gehen sahen. Morgan und der große Schwarze befanden sich auf dem Achterdeck. Sie erblickten Chumash ebenfalls und schritten sofort zum Backbordniedergang, der auf das Quarterdeck hinunterführte.

      Das größte Risiko im Hinblick auf Yalics und Tezouras Unternehmen wurde folglich durch Gary Andrews verkörpert. Er hatte Dan O’Flynn im Großmars abgelöst, und von seiner Position aus konnte er auch den größten Teil der Galionsplattform einsehen.

      Yalic und Tezoura hatten sich vom Vordecksschott aus auf die Galionsplattform gepirscht und glitten jetzt im Schutz der Back auf das Steuerbordschanzkleid zu. Sie mußten darüber hinweg, um ihren Weg fortsetzen zu können, und genau das war der kritischste Punkt.

      Chumash geriet absichtlich aus dem Gleichgewicht. Er rutschte gekonnt aus, schlug hin und schlidderte nach Backbord. Er rollte gegen das Schanzkleid, fluchte leise in seiner Muttersprach, rappelte sich wieder auf und wankte weiter in Richtung Ruderhaus.

      Er war sicher, in diesem Augenblick auch die Aufmerksamkeit von Gary Andrews auf sich gelenkt zu haben.

      Das stimmte. Gary hatte die rasche Bewegung auf Deck registriert und durch das Knarren der Blöcke und Rahen auch den dumpfen Laut vernommen, mit dem der Indianer tief unter ihm innige Bekanntschaft mit den Kuhlplanken geschlossen hatte.

      Gary blickte über die Umrandung des Großmarses nach unten und murmelte: „Hölle und Teufel, was will denn der? Hat Hasard nicht ausdrücklich angeordnet, daß sich in der Nacht nur die Wache auf Oberdeck aufzuhalten hat? Na, Matt, Stenmark und die anderen werden ihm schon die Leviten lesen.“

      Chumash hatte das Ruderhaus erreicht.

      Yalic und Tezoura haben es geschafft, sagte er sich. Bestimmt hangeln sie außenbords auf den Berghölzern der Steuerbordseite entlang, wie ich es ihnen befohlen habe.

      Gewiß, es gab auch einen Weg, der durch das Innere der „Isabella“ bis zu den Kammern des Achterkastells führte. Aber Chumash hatte im Laufe des Tages heimlich überprüfen können, ob ihnen dieser Weg auch wirklich offenstand. Das Ergebnis lautete, daß der Zugang zu den Frachträumen verriegelt war und niemand außer dem Seewolf diese Barriere zu überwinden vermochte.

      In den Frachträumen lagerten die Smaragde des Kommandanten Sabreras und die anderen Schätze von El Lobo del Mar. Unermeßlicher Reichtum, den Chumash mit der Macht über Schiff und Mannschaft an sich zu reißen gedachte.

      Er schaute zu Batuti und Luke Morgan. Sie schritten die Stufen des Niederganges hinunter auf ihn zu, und über ihnen wurden die Umrisse der Piragua erkennbar. Der Seewolf hatte darauf bestanden, einen der Einmaster der Serranos mitzunehmen, damit Hidduk und seine sechs Begleiter später unabhängig von den weißen Männern die Reise fortsetzen und zu den Galápagos zurückkehren konnten.

      Für Sekunden dachte Chumash fast wehmütig an die Heimat, die er vor vielen Monden hinter sich gelassen hatte. Santa Barbara, die Inseln, Neu-Albion im nördlichen Neu-Spanien – waren die Serranos verflucht, würden sie ihr Land nie wiedersehen?

      Hidduk, der in einer Kammer des Achterkastells schlief, trug nach Chumashs Überzeugung am meisten dazu bei, daß sie geradewegs ins Verderben steuerten.

      Matt Davies musterte den Indianer aus schmalen, mißtrauischen Augen.

      „Kein Stehvermögen, was?“ sprach er ihn auf spanisch an. „Im Stockdunkeln auf Deck hinschlagen und womöglich noch außenbords gehen, das haben wir gern. Bist du nicht ganz richtig im Kopf, Hombre?“

      Chumash verstand Spanisch. Er konnte sich auch gebrochen in dieser Sprache ausdrücken. Sabreras hatte Hidduk, ihm und anderen Männern des Stammes genügend Vokabeln beigebracht, um sich mit ihnen verständigen zu können.

      Aber Chumash antwortete nicht auf Matts Frage.

      Luke Morgan trat vor den Stellvertreter des Häuptlings hin und taxierte ihn mit einem nicht minder argwöhnischen Blick als Matt.

      „Was soll denn das?“ sagte er, ebenfalls auf spanisch. Hasard hatte seiner kompletten Crew die Sprache der Weltbeherrscher gelehrt. Es hatte viel Zeit gekostet, aber auch viel gefruchtet. „Du bist Chumasch“, fuhr Luke fort. „Und ich habe dich im Verdacht, Koka gekaut zu haben. Wo hast du das verflixte Teufelszeug versteckt, he? Unser Kapitän hat es verboten, zumindest für die Zeit, in der ihr mit uns zusammen seid. Wir wissen aus eigener Erfahrung, was ihr verzapft, wenn ihr den Dreck in euch reingefressen habt.“

      „Koka“, murmelte Chumash. „Gift für den weißen Mann.“

      Bob Grey und Stenmark waren inzwischen auch heran. „Für den roten Mann etwa nicht?“ sagte Stenmark. „Du wärest eben doch fast in den Teich gefallen – und wir hätten dich wieder ’rausfischen müssen. Was hast du in dem Zustand denn bloß vor? An die Gurgel willst du uns doch wohl nicht springen.“

      „Versuche es“, forderte Batuti den Indianer auf. „Batuti rammt dich unangespitzt ins Deck.“

      Chumash wies mit bebender Hand zum schwarzen Segler.

      „Großer Geist“, stieß er hervor. „Spricht zu Chumash. Sagt, das Schiff mit den vier Masten ist verschwunden, verzaubert. Böser Dämon haust in seinem Bauch.“

      Bob Grey lachte auf. „Also, du hast Nerven. Das wissen wir doch längst. Der Dämon, von dem du sprichst, ist wahrscheinlich die Mumie des chinesischen Mandarins, die in dem Geheimversteck liegt. Aber der Knabe ist harmlos, ich schwör’s dir.“

      „Quatsch“, meinte Matt Davies. „Chumash kann unmöglich wissen, welches Geheimnis Siri-Tongs Schiff birgt.“

      Stenmark grinste. „Klar, aber in seiner blumigen Phantasie malt er sich so einiges aus. Uns ist doch bekannt, wie abergläubisch die Indianer sind. Bloß daß sie so schlechte Seeleute sind und sich nachts auf Oberdeck die Nase eindellen, hab ich noch nicht gewußt.“

      „Bringen wir ihn zurück ins Vordeck“, sagte Bob Grey. „Hasard will nicht, daß während der Nacht außer uns jemand an Oberdeck herumläuft. Er hat seine triftigen Gründe dafür.“

      Ja: Der Seewolf hatte die sieben Santa-Barbara-Indianer zwar als vollwertige Bundesgenossen mitgenommen, aber er hatte auch seine Vorsichtsmaßnahmen getroffen. Nach wie vor war er auf der Hut, ließ sie tagsüber nicht aus den Augen und sorgte bei Dunkelheit dafür, daß sie in ihren Räumen unter Deck blieben. Nachts waren bekanntlich alle Katzen grau, und entsprechend lauteten die Anweisungen, die Hasard seiner Crew gegeben hatte.

      „Dämon der Finsternis“, murmelte Chumash mit unverwandt starrem Blick auf den schwarzen Segler. „Fluch über die ‚Isabella‘. Der Untergang – steht bevor.“

      „Jetzt reicht’s mir aber“, sagte Luke Morgan. Er griff nach Chumashs Arm. Batuti packte ebenfalls mit zu, und so bugsierten sie ihn auf die Kuhl hinunter und dann in Richtung auf das Vorkastell.

      Chumash ließ es widerstandslos geschehen. Er schien völlig apathisch zu sein.

      „Wie der sich vollgepumpt hat“, sagte Luke. „So dicke bin ich ja noch nicht mal, wenn ich mir eine Gallone Rum und Whisky zusammen hinter den Kragen kippe.“

      Sie schafften ihn in den Vordecksraum gegenüber dem Mannschaftslogis. Als sie ihn losließen, tat er zwei, drei torkelnde Schritte und sank dann zusammen.

      Luke trat zu Chumash und beugte sich über ihn.

      „Bewußtlos“, stellte er fest. „Ich sag’s ja, so besoffen ist auch der vollste Seebär nicht. Schnaps ist eben doch was anderes als diese verdammten Koka-Blätter.“ Er rümpfte die Nase, weil es in dem Raum strenge


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