Seewölfe - Piraten der Weltmeere 424. Fred McMason
teilzunehmen. Und er, Hasard, fand sich dann in der Rolle des väterlichen Aufpassers wieder, einer Rolle, die ihm absolut nicht gefiel, schon gar nicht bei einem derart höllischen und risikoreichen Unternehmen.
Arkanas Blick wurde noch kühler, als er keine Antwort gab.
Nein, das paßte ihm ganz und gar nicht. Seine Arwenacks waren zwar disziplinierte Kerle, aber eben auch nur Männer, und Araua war ein blutvolles, temperamentvolles Ding, das ohnehin die Blicke der Männer magisch auf sich zog. Und das sollten sich seine Kerle dann tagtäglich ansehen und dabei noch zahm und gleichgültig bleiben. Das war einfach unmöglich.
Seine Stimme klang schroffer, als er es eigentlich beabsichtigte.
„Noch steht überhaupt nicht fest, wer wann und mit wem segelt. Erst muß darüber abgestimmt werden, welche Mannschaft Jean begleiten wird. Es sieht ganz danach aus, als wollten alle mit. Das ist das eine. Sollte es meine Mannschaft sein, die mitzieht, dann weigere ich mich ganz entschieden, Araua mitzunehmen. Mehr habe ich dazu nicht zu sagen.“
„So, du weigerst dich, Seewolf“, sagte sie kühl. „Aber du vergißt offenbar, daß Araua eine Schlangen-Kriegerin ist – und dort unten südlich von Arica geboren wurde. Für das geplante Unternehmen wäre das ein unschätzbarer Vorteil, denn sie spricht die Dialekte der indianischen Küstenstämme. Das solltest du bedenken.“
Hasard hatte nicht geglaubt, daß ihre Stimme noch kühler und unpersönlicher werden könnte, aber jetzt wurde sie es, beinahe verletzend sogar.
„Ich bedenke …“, sagte er, doch sie unterbrach ihn sofort.
„Keine Sorge, Seewolf. Ich unterstelle Araua dem persönlichen Schutz Karl von Huttens. Mehr habe ich dazu auch nicht zu sagen.“
Hasard preßte die Lippen noch fester zusammen. Sein Blick wurde ausgesprochen finster. Da hatte sie ihm prächtig eins ausgewischt und den Wind aus den Segeln genommen. Er wollte gerade zu einer scharfen Erwiderung ansetzen, aber Arkana drehte sich um und ging zu der anderen Gruppe hinüber.
Zu allem Überfluß begann jetzt auch noch der Wikinger herumzubrüllen und aufgeregt seinen Helm zu befummeln.
„Hier braucht überhaupt nicht abgestimmt zu werden!“ schrie er. „Das ist doch völlig klar, daß ich mit meinen Kerlen Ribault und Karl von Hutten begleite! Da gibt’s nichts mehr abzustimmen, da ist alles schon im Lot.“
„Gar nichts ist im Lot!“ fauchte die Rote Korsarin den Nordmann an. „Ich protestiere dagegen. Du bestimmst nicht einfach, Thorfin.“
„Und ob ich bestimme!“ brüllte der Wikinger zurück. „Ich will nicht immer auf der Insel hocken und zurückbleiben. Ich und meine Männer gehen mit – und damit basta!“
„Dagegen erhebe ich Einspruch“, sagte Oliver O’Brien. „Das kannst du wirklich nicht allein bestimmen, Mister Njal.“
„Ganz recht“, pflichtete Jerry Reeves bei, „das sehe ich genauso. Ich protestiere ebenfalls dagegen, daß Thorfin das entscheidet.“
Der Wikinger war sauer. Er ließ sich zu etwas hinreißen, was er sonst nie tat. Er riß sich seinen Helm vom Schädel und knallte ihn wutentbrannt auf den Boden.
„He, du ermordest deine nordischen Riesenläuse!“ rief der Profos.
Thorfin gab eine unfeine Antwort, hob den Helm auf, stülpte ihn wieder auf den Schädel und brüllte lautstark herum, daß er von nun an ebenfalls gegen alles protestieren würde, egal was. Und seine nordischen Riesenläuse gingen den Profos einen Scheiß an, er solle lieber sein großes Maul halten, sonst würde ihm mal eine gewaltige Faust im Rachen steckenbleiben.
„Ha, das muß ich mir von diesem behelmten Nordpolaffen gerade noch sagen lassen, was, wie? Dem Weihnachtsmann stopfe ich seinen eigenen Bart zwischen die Zähne!“ rief Carberry ruppig.
Der Stör sprang auf und drohte dem Profos mit der Faust, weil der seinen verehrten Herrn und Meister beleidigt hatte. Es sah ganz nach einer wilden Prügelei aus.
Carberry schnappte nach Luft, als er die erhobene Faust sah. Er wollte schon losstürmen, doch da stand Hasard plötzlich vor ihm und sah ihn hart an.
„Seid ihr eigentlich alle verrückt geworden?“ fragte er sanft.
Carberry lächelte betont harmlos, aber sein narbiges Gesicht war immer noch zornig verzogen.
„Ich wollte nur nachsehen, was der Stör in der Faust versteckt hat, Sir. Vielleicht hat er ein Geschenk für mich.“
Danach kehrte etwas Ruhe ein, und weil Old O’Flynn die ganze Zeit nicht zu Wort gekommen war, meldete er sich jetzt mit etwas schriller, aufgeregter Stimme.
„Von mir redet keiner, was?“ zeterte er los. „Mein Schiff und meine Mannschaft zählen wohl nicht mehr? Aber ich hab’ auch noch ein Wörtchen mitzureden. Genausogut kann ich auch mit meiner Crew und Jean Ribault nach Potosi segeln.“
„Verdammt!“ brüllte der Profos. „Hasard hat dir schon einmal verklart, daß man mit einem Schiff nicht ins Gebirge segeln kann. Du hast wohl immer noch nicht begriffen, wo Potosi liegt, was, wie?“
„Ich will aber nach Potosi!“ brüllte Old O’Flynn.
„Aber doch nicht mit einem Schiff!“ schrie der Profos noch lauter.
„Dann eben mit einem Beiboot, verdammt! Weshalb kann man mit dem Schiff nicht nach Potosi?“
„Himmel, Arsch und Ziegenkäse! Ja, begreifst du das immer noch nicht, du alter Nachtwächter? Wir verklaren dir seit ein paar Stunden, daß Potosi keine Hafenstadt ist und hoch in den Bergen liegt. Aber du mit deiner verdammten Hartnäckigkeit und Sturheit wiederholst immer wieder, daß du nach Potosi segeln willst. Dann hau doch ab mit deinem verdammten ‚Empress‘-Sargdeckel! Du wirst schon sehen, wo du landest.“
„Hast du mein Schiff eben einen verdammten Sargdeckel genannt?“ schrie Old O’Flynn voller Empörung.
„Klar, weil du nicht mehr durchblickst. Aber vielleicht gelingt es dir ja, mit deinem Affenprahm durch die Lüfte zu segeln.“
Jetzt lagen sich die beiden wieder mal in den Haaren. Hasard sagte gar nichts, er schaute nur noch kopfschüttelnd zu. Da hatte Ribault ein Süppchen angerührt, an dem sich jetzt alle die Zungen verbrannten. Verrückt waren die Kerle, total bescheuert, und jetzt prügelten sie sich fast darum, wer mit nach Potosi durfte.
Es kam auch weiterhin keine Einigung zustande. Der einzige, der nicht unbedingt mitwollte, war der alte Hesekiel Ramsgate. Der hockte im Sand und grinste sich eins in seinen silbergrauen Bart.
Schließlich war es Jean Ribault, der die Hand hob und mit lauter Stimme um Ruhe bat.
„So geht das nicht“, sagte er. „Die Diskussionen bringen nichts weiter ein als Ärger. Wir sitzen in den nächsten Tagen noch hier und streiten uns. Ich schlage daher vor, daß wir es so halten, wie wir es immer gehalten haben, wenn es keine Einigung gab. Wir lassen das Los entscheiden, das ist eine gerechte Sache. Seid ihr wenigstens damit einverstanden?“
Den Losentscheid empfanden sie als gerecht, und so drehte sich der Franzose grinsend um und zog sein Entermesser aus dem Gürtel.
„Dann schnitze ich jetzt ein paar Hölzchen zurecht“, sagte er.
Beifälliges Gemurmel erklang von allen Seiten. Das Los würde entscheiden, und dann hatten sich alle zu fügen.
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