Seewölfe - Piraten der Weltmeere 463. Fred McMason

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 463 - Fred McMason


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Sein anderes Holzbein war ja in der „Geisterhöhle“ restlos in Trümmer gegangen, in die er so übergangslos hineingefallen oder gerutscht war.

      Jetzt begann Old O’Flynn leise zu kichern.

      „Ja, das Stilett! Das habe ich. Damit könnte man den Häuptling Arwenack ein bißchen am Hals kitzeln. Eine feine Idee ist das.“

      Old O’Flynn kicherte erneut und rieb sich in der Dunkelheit die Hände, daß es sich anhörte, als würden Termiten durch den Pfahlbau geistern!

      „Der Häuptling heißt nicht Arwenack, verdammt!“ zischte Carberry erbost. „Merk dir das endlich, du mißratene Seegurke!“

      „Wie heißt er denn?“

      Der Profos fuhr fast aus der Haut wegen der dämlichen Fragerei.

      „Weiß ich doch nicht. Vielleicht ist das Häuptling Graue Salbe oder Geisterwolke. Frag ihn doch selbst!“

      „Ich habe eigentlich nicht daran gedacht, den Häuptling mit dem Stilett zu kitzeln“, bemerkte Jung Hasard bescheiden. „Davon werden wir nicht viel haben.“

      „Aber er hat was davon“, sagte Old Donegal voller Eifer.

      Hasard junior schüttelte in der Dunkelheit den Kopf.

      „Ich meine etwas anderes. Wir haben doch die Möglichkeit, mit dem Stilett das Dach der Hütte zu bearbeiten und ein Loch hineinzuschneiden. Durch dieses Loch könnten wir dann hinausklettern. Das Dach ist nicht so stabil wie die Wände. Es ist mit Längs- und Querstreben versehen, so einer Art Gitterwerk, und gedeckt ist es mit schweren Palmwedeln. Sehr schwer kann das Ausbrechen nicht sein.“

      Der Profos klatschte sich die Hand vor die Stirn.

      „Himmel, sind wir Idioten“, sagte er verhalten. „Da öden wir uns gegenseitig an, und inzwischen denkt dieses Rübenschweinchen prächtig nach, wie man von hier flüchten kann. Der hat im Handumdrehen eine Lösung zur Flucht gefunden. Fein ausgedacht, mein Junge“, lobte er.

      „Bleibt noch die Frage offen, wie wir die ungastliche Stätte hier verlassen können“, meinte Nils Larsen. „Das Pfahlhaus scheint mitten im See zu stehen. Vielleicht gibt es hier Krokodile, Schlangen oder andere feine Viecher.“

      „Das können wir leider nicht ändern“, sagte Carberry. „Ich glaube aber, ich habe im Mondschein etliche Kanus an einer anderen Hütte gesehen. Außerdem hat man uns ja auch im Kanu hergebracht, also müssen hier welche in der Nähe sein. Vielleicht liegt auch unter unserer Hütte so ein Ding. Mir ist es lieber, auf Krokodile zu stoßen, als in den Fleischtöpfen dieser Kerle zu landen und gesotten zu werden.“

      Der Profos war nicht davon abzubringen, bei den Kannibalen gelandet zu sein. Mittlerweile war das bei ihm zur fixen Idee geworden.

      „Das sind keine Menschenfresser“, betonte der Kutscher noch einmal ausdrücklich.

      Carberry schüttelte nur grimmig den Kopf.

      „Darauf kann man sich nicht verlassen. Wenn wir erst in einem solchen Kessel schmoren, ist es zu spät. Dann werfen die etwas Kraut und Sellerie mit Mohrrüben hinein, und der Oberfresser schmeckt die Suppe ab. Dann kann ich mit deiner Ansicht überhaupt nichts mehr anfangen.“

      Der schmalbrüstige Kutscher rang die Hände.

      „Hier gibt es keinen Oberfresser, der die Suppe abschmeckt, und hier wachsen weder Sellerie noch Mohrrüben“, sagte er erbittert.

      „Wenn du keine gesehen hast, heißt das noch lange nicht, daß hier auch keine wachsen. Ich verlasse mich auf meinen gesunden Menschenverstand.“

      „Dann bist du ja sehr verlassen“, knurrte der Kutscher, „der einsamste Mann der Welt sozusagen.“

      Der „einsamste Mann der Welt“ fluchte verhalten.

      „Fangen wir nun endlich an“, fragte er, „oder halten wir erst weitere Palaver ab?“

      Der Kutscher gab keine Antwort. Er schien von der bevorstehenden Flucht nicht sonderlich begeistert zu sein. Aber dafür waren die anderen alle Feuer und Flamme.

       2.

      „Wenn bei der Hütte kein Kanu liegt“, sagte Hasard junior, „dann schwimmen Philip und ich zur nächsten Hütte und leihen uns eins aus.“

      „Das hast du sehr gut gesagt“, lobte der Profos. „Ausleihen – ein feines Wort. Schließlich können wir die Indianer ja nicht mitten in der Nacht wecken und sie fragen. Sie haben bestimmt einen sehr anstrengenden Tag hinter sich.“

      Die Stimme des Kutschers klang ernst, als er etwas sagte.

      „Ich halte das nicht für richtig, Männer, daß wir hier so sang- und klanglos verschwinden. Ich sehe auch keineswegs unser Leben bedroht. Wenn wir fliehen, finden sie uns wieder. Unser Schiffchen liegt ja noch immer auf der Sandbank fest, und das kriegen wir nicht in einer Stunde vom Schlick herunter.“

      „Muß ja auch nicht sein“, erwiderte Carberry. „Aber an Bord haben wir Waffen, und damit können wir den Burschen kräftig einheizen, wenn sie antanzen. Diesmal wird ja wohl keiner an der Rumbuddel hängen und dabei auch noch pennen.“

      „Gewalt ist nicht unbedingt ein Argument. Ich halte diese Leutchen für friedlich. Wir müssen uns nur mit ihnen verständigen und ihnen verklaren, daß wir auf ihrer Seite stehen und gegen die Spanier kämpfen. Die Arawaks werden uns weder fressen noch umbringen. Wir müssen nur eine gemeinsame Basis finden.“

      „Soso“, sagte Carberry höhnisch. „Friedliche Leutchen, was, wie? Halsabschneider und Kesselkocher sind das. Wenn die Kerle so friedliche Leutchen wären, wie du sagst, dann hätten sie uns in Ruhe gelassen und uns nicht nachts überfallen und verschleppt. Oder zeugt das etwa von friedlichen Leutchen? Wenn ich ein friedfertiger Mensch bin, dann bedrohe ich andere nicht und überfalle sie auch nicht. Ich tue das schon gar nicht aus dem Hinterhalt. Wenn du erst zwischen Mohrrüben und Sellerie und Petersilie im Kessel kochst, in dem du hockst, dann kannst du meinetwegen mit den Kerlen über Friedfertigkeit salbadern, bis sie dir die Haut in Streifen von deinem Kutscherarsch ziehen.“

      Leises Lachen erklang von allen Seiten.

      „Ed hat recht“, sagte Old O’Flynn, „auch wenn er seine dämliche Bemerkung mit der Rumbuddel und dem Pennen nicht lassen konnte. Aber ich bleibe hier auch nicht sitzen und warte, bis ich in den Kessel gesteckt werde.“

      „Und wie denkt ihr darüber?“ fragte der Kutscher.

      „Ich denke genauso“, sagte Martin Correa. „Wenn sie uns überfallen und verschleppt haben, dann haben sie auch etwas mit uns vor. Ich bin aber nicht scharf darauf, es unbedingt in Erfahrung zu bringen.“

      Die Zwillinge stimmten unisono für Flucht.

      Auch Sven Nyberg und Nils Larsen waren dafür, so schnell wie möglich zu verschwinden.

      „Allerdings muß das völlig lautlos geschehen“, meinte der dunkelblonde Sven. „Der Hund darf nicht knurren, und der Papagei muß seinen Schnabel halten. Möglicherweise haben die Indianer auch nachts eine Wache aufgestellt. Sie sind uns in dieser Gegend weit überlegen, weil sie das Gelände und seine Tücken ganz genau kennen. Trotzdem sollten wir es wagen.“

      „Plymmie wird nicht knurren“, versicherte Philip. „Aber für Sir John kann ich nicht garantieren.“

      „Aber ich“, behauptete Carberry. „Sir John spürt ganz genau, wann er den Schnabel halten muß.“

      Damit war der Kutscher restlos überstimmt.

      „Es wird sich herausstellen, daß diese Leutchen harmlos sind und wir ihnen unrecht tun“, sagte er.

      Jetzt war der Profos fast empört.

      „Wer tut hier wem ein Unrecht an“, begann er zu motzen. „Du hast vielleicht eine Einstellung! Es ist doch wohl unser gutes Recht, abzuhauen,


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