Seewölfe - Piraten der Weltmeere 409. Roy Palmer

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 409 - Roy Palmer


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die Explosion zerfetzt und zum Sinken gebracht – ungeheuerlich!

      Inzwischen war auf einmal auch die kleine Dreimastkaravelle wieder zur Stelle, an der de Vallejo bereits bei Grand Turk schier verzweifelt war. Und eine Dreimastgaleone mit sechzehn Culverinen war wie aus heiterem Himmel aufgetaucht und griff in den Kampf ein. Unglaublich! Welche Überraschungen hielten diese Teufel von Engländern noch bereit?

      Pepe Gasparo begann um seine Gesundheit zu bangen und fast an seinem Glück zu zweifeln, als diese höllische Galeone – die „San Donato“ – heranstrich und den Restverband mit Wurfgranaten- und Brandpfeilhagel belegte. Dann dröhnten auch die Kanonen, und alle acht Stücke ihrer Backbordbatterie waren auf die „San José“ gerichtet. Acht schwere Treffer, davon drei unter der Wasserlinie! Pech – und Pepe glaubte, im Höllensturm und Geschrei den Gevatter Tod mit der Sense über das Schanzkleid klettern zu sehen.

      Ja, es gab Tote und Schwerverletzte, aber Pepe wurde wie durch ein Wunder von dem Geschütz weggerafft, an dem er seinen Dienst als Ladenummer tat. Er sah noch, wie der Geschützführer, ein Seesoldat, getroffen zusammenbrach und blutend auf die Planken fiel. Dann stolperte er und fiel die Stufen des nächsten Niederganges hinunter, polterte auf das untere Deck und rappelte sich fluchend wieder auf.

      Oben war der Teufel los. Es donnerte, krachte und splitterte, und die Schreie der Getroffenen rissen nicht mehr ab. Riesige Hämmer schienen auf die „San José“ einzuschlagen, sie wurde durchgeschüttelt und neigte sich bedenklich nach Backbord.

      Irgendeinem unerklärlichen Umstand war es zuzuschreiben, daß Pepe noch einmal das Gleichgewicht verlor. Er taumelte rückwärts und ruderte mit den Armen, um die heftigen Schiffsbewegungen auszugleichen, doch er konnte sich nicht halten und kippte in die Öffnung des Niederganges, der noch ein Deck tiefer führte.

      Daß es aber wieder Glück und kein Pech war, sah er im Fallen. Ein dicker Holzsplitter wirbelte durch die Luft. Er schien sich verirrt zu haben und raste über die Stelle weg, an der er eben noch gestanden hatte.

      Pepe krachte auf die Planken und blieb liegen. Er fluchte wieder, stellte aber fest, daß er sich nichts gebrochen hatte. Vorsichtig erhob er sich und dachte: Danke, Fortuna, daß du mir noch einmal geholfen hast. Das werde ich dir nie vergessen, niemals!

      Er bewegte sich stolpernd auf und ab und war irritiert. Wie ging es weiter? Bildete sich dieser Größenwahnsinnige, dieser Generalkapitän, etwa ein, er könne die Schlacht noch gewinnen? Ja – seinem Gebrüll war zu entnehmen, daß er immer noch nicht aufgab. Er wollte sie alle verheizen, und wenn das Schiff endlich sank, war wohl auch Fortuna mit ihrer Weisheit am Ende.

      Pepe fühlte Wasser unter seinen Füßen und bückte sich. Jetzt konnte er es auch hören: Es strömte gurgelnd und plätschernd durch den Gang, der in Längsrichtung des Schiffes verlief.

      Verdammt, dachte Pepe, sie hat Lecks, das sind die Treffer, zur Hölle! Er folgte der Richtung, aus der das Wasser herausgurgelte, erreichte die Steuerbordseite und ging in Hockstellung.

      Da spürte er im Dunkeln unter den Fingern, wie es eindrang, und sein Gesicht verzerrte sich vor Entsetzen. Er stand in diesem Bereich des Schiffes bereits bis zu den Waden im Wasser.

      Ich muß das sofort melden, dachte er, aber der Teufel soll de Vallejo holen! Don Garcia ist mein Kommandant, und er wird es auch bleiben!

      Don Garcia Cubera erlangte im Grollen der Schiffskanonen das Bewußtsein wieder. Vorsichtig öffnete er die Lider und sah das Gesicht von Almenara, dem Schiffsarzt, über sich.

      „Was ist los?“ fragte er ihn flüsternd. „Ist das jetzt das Ende?“

      „Wir sind getroffen, aber wir sinken noch nicht, Señor Capitán.“

      „Man muß diesen Tollwütigen daran hindern, daß er weiteres Übel anrichtet.“

      „Er führt den Befehl, Señor Capitán.“

      „Helfen Sie mir auf“, sagte Cubera. „Ich nehme das in die Hand.“

      „Nein. Sie sind noch zu schwach“, sagte Almenara mit bestürzter Miene. „Das können Sie nicht tun. Vergessen Sie nicht, daß ich Ihnen eben erst die Kugel aus der Schulter geholt habe.“

      „Ich merke es“, sagte Cubera grimmig. „Die Schmerzen sind ganz schön stark, aber ich kann sie aushalten. Was ist mit dem Zweiten? Ist er tot?“

      „Ja. De Vallejo hat ihn einfach über Bord werfen lassen.“

      „Der arme Teufel hat mir das Leben gerettet. De Vallejo wird sein Verbrechen büßen, das schwöre ich. Was ist mit dem Ersten? Er hat doch hoffentlich keine Dummheit begangen?“

      „Nein.“

      „Der Profos? Er hat mich doch hierher und nicht in die Vorpiek bringen lassen.“

      „Richtig. Und er hat Sie auch nicht in Ketten legen lassen, wie de Vallejo es angeordnet hatte.“

      „Weiß de Vallejo es?“

      Almenara grinste schwach – trotz der Lage. „Er ahnt es nicht, und hier sind Sie vor ihm sicher. Das versichere ich Ihnen, notfalls setze ich mich mit der Waffe dafür ein.“

      „Danke“, sagte Cubera. Er versuchte, sich halb in seiner Koje aufzurichten, sank aber unter glühenden Schmerzen wieder zurück. „Die Treue, die ihr Männer mir beweist, rührt mich. Ich werde das nicht vergessen – falls wir noch eine Chance haben, diesem Teufelskreis zu entrinnen.“ Er hörte auf zu sprechen und lauschte. Deutlich war in der Vordeckskammer, in der sie ihn untergebracht hatten, das Fluchen und Schreien der Männer zu vernehmen. Das Dröhnen der Kanonenschüsse und Explosionen war vorerst verebbt, und so konnte er auch das Gebrüll vernehmen, das von den anderen Kriegsgaleonen herübertönte.

      „Tote und Verletzte“, murmelte er. „Es hat wieder viele Opfer gegeben. Zu viele. Ich habe es geahnt.“

      „Er hätte auf Sie hören sollen, Capitán.“

      „Ein Mann wie de Vallejo geht über die Leichen seiner eigenen Männer, um sein Ziel zu erreichen, das haben Sie gesehen“, sagte Cubera. Sein Gesicht nahm einen erbitterten Ausdruck an, dann richtete sich sein Blick wieder auf Almenara. „Aber berichten Sie mir, was geschehen ist. Haben die Engländer die Bucht der Insel verlassen?“

      „Das können sie nicht. Unsere beiden zerschossenen Galeonen blockieren ja nach wie vor den Felsentunnel“, erwiderte Almenara. „Aber zusätzlich zu dem kleinen Dreimaster mit dem Alten, der uns bereits erheblich zugesetzt hat, ist eine Dreimastgaleone erschienen, die jetzt von dem Schwarzhaarigen befehligt wird, der das Flaggschiff mit der Schaluppe versenkt hat.“

      „Killigrew“, sagte Cubera. „Wo hat er dieses Schiff her?“

      „Vielleicht kann er zaubern. Fast wirkt es so.“

      „Keiner weiß es. Aber alles ist wie verhext.“

      „Ich frage mich, was diese Rufe zu bedeuten haben, die sie auf der Insel ausstoßen“, sagte Almenara. „Das klingt wie ‚Arwenack‘ oder so ähnlich.“

      „Ihr Schlachtruf“, sagte Cubera. „Aber gehen Sie jetzt, Almenara. Sie werden dringend im Lazarettraum gebraucht. Ich komme allein zurecht.“

      Schritte näherten sich und verharrten vor dem Schott. Almenara nahm unwillkürlich eine abwehrende Haltung ein und griff nach der Pistole. Cubera versuchte ein zweites Mal, sich aufzurichten, und diesmal klappte es. Sie atmeten aber beide auf, als sie die Stimme vernahmen, die draußen auf dem Gang erklang.

      „Señor! Señor Comandante?“

      „Pepe“, sagte Almenara. „Bist du’s?“

      „Ja. Ist der Kommandant da?“

      Almenara öffnete ihm, und Pepe Gasparo trat ein. Er riß die Mütze vom Kopf, die er sich nach seinem Niedergangssturz rasch wieder aufgestülpt hatte, zeigte klar und stieß hastig hervor: „Wir haben Lecks, unten, an der Steuerbordseite. Ich habe dem Profos schon Bescheid gesagt, und der – der hat mir verraten, daß Sie hier sind, Señor


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