Seewölfe - Piraten der Weltmeere 268. Fred McMason
stand unbeweglich ein Diener in türkischen Bundhosen und einem weißen kunstvoll drapierten Turban.
Selim Shanoun genoß das Leben, das ihm seine Piraterie einbrachte, und die Gunst, Uluch Alis Stellvertreter zu sein.
Selims Vollmondgesicht mit der dicken Knubbelnase wurde jäh überschattet, und in seine schwarzen Knopfaugen trat ein lauernder Ausdruck, als sich ein weiterer Diener ziemlich ungestüm bei ihm meldete. Gleichzeitig erschien einer der von Uluch Ali in Marsch gesetzten Kamelreiter, und von da ab war es mit der Beschaulichkeit vorbei.
Ein herrischer Wink verscheuchte die beiden Mädchen aus dem Planschbekken. Kichernd liefen sie ins Haus.
Selim bat seinen Besucher, Platz zu nehmen, und ließ weiteren türkischen Kaffee von seinem Diener auffahren. Dazu gab es stark gesüßtes Gebäck, Mandeln und frische Datteln, Feigen und Melonen. Irgendwo im Haus dudelten zwei Musikanten. Eintönige arabische Musik erklang, einschläfernd und doch gleichzeitig aufreizend.
Selim hörte schweigend zu, ganz gespannte Aufmerksamkeit. Auf dem kleinen arabischen Schemel wirkte er wie ein deplacierter Fettklops, und wer ihn nicht besser kannte, hätte ihn wirklich für das gehalten, was er immer vorgab, nämlich, ein ehrlicher, biederer und treuherziger Kaufmann zu sein. Das war die Maske, unter der er überall auftrat. Sein zweites Gesicht kannten nur wenige. Dahinter verbarg sich ein eiskalter, schlitzohriger Pirat, der sein Handwerk fast so gut wie Uluch Ali verstand. Nur war Selim ruhiger, wenn auch genauso hart und grausam und mit eiskalter Intelligenz ausgestattet.
Der erste Eindruck war jedoch immer der von einem dicken freundlichen Mann. Er hatte eine Glatze, ein gemütliches Doppelkinn, und in Ermangelung der Kopfhaare trug er einen sichelförmigen Schnauzbart. Sein Gesicht war rund und voll, ein Vollmondgesicht, das seinen harmlosen Eindruck eher noch bekräftigte und unterstrich.
Der Kurier von Uluch Ali hatte seinen Bericht beendet und sah Selim Shanoun erwartungsvoll an.
Der Pirat mit dem ehrlichen Kaufmannsgesicht nickte schließlich.
„Ich kenne diese Christenhunde“, sagte er, „ich habe viel von diesen Wölfen zur See gehört, und ich bin auch über die Niederlage informiert, die der Erhabene damals erlitten hat. An allem war nur der Mann schuld, den sie den Seewolf nennen. Nun gut“, sagte er leise, „mag es ihm auch jedesmal gelungen sein, zu entwischen oder unsere Schiffe zu versenken. Diesmal schafft er den Durchbruch in den Atlantik nicht, dafür werde ich mich verbürgen.“
Er genoß Alis Gunst, die er über alles schätzte, und diese Gunst wollte er sich auch nicht verscherzen. Denn wenn sich Uluch Ali sogar selbst bemühte und mit einem Schiff ausgelaufen war, dann bedeutete das einen ziemlichen Wirbel, und in diesem Abschnitt würde innerhalb kürzester Zeit der Teufel los sein.
„Du kannst dich ausruhen und dann wieder zurückreiten“, sagte er zu dem Kurier. „Der Erhabene weiß, daß er sich auf mich verlassen kann. Ich werde alles in Bewegung setzen, um diese Christenhunde zu fangen.“
„Lebend“, betonte der Kurier nachdrücklich. „Der Erhabene legt den größten Wert darauf, die Kerle lebend zu kriegen.“
„Ich weiß, du erwähntest es bereits. Damit sind mir zwar ein wenig die Hände gebunden, aber ich schaffe es.“
Als der Kurier gegangen war, sah Selim weder die Mädchen noch die blühenden Blumen. Der türkische Kaffee schmeckte nicht mehr, und für die herrlich duftenden Früchte hatte er keinen Blick mehr.
Er rief weitere Männer zu sich, und die setzte er mit schnellen kurzen Worten ins Bild.
Zunächst ließ er drei schnelle Zweimastfeluken als Aufklärer westwärts in See gehen. Sie erhielten die Order, die Schnapphähne in Algier, Oran und den weiteren Küstenorten Nordafrikas zu alarmieren und in Bewegung zu setzen. Ihr Auftrag lautete, Gibraltar zu sperren und abzuriegeln.
Die drei Feluken sollten dann anschließend zwischen Oran und Cartagena Aufklärung gegen das entwendete und gekaperte Flaggschiff des Erhabenen fahren, denn die Feluke war allen Anrainern bestens bekannt.
Die Vorbereitungen nahmen den ganzen Tag in Anspruch, und eine emsige Hektik setzte ein.
Selim Shanoun selbst lief erst am nächsten Tag aus, mit Kurs auf Tunis. In seinem Gefolge befanden sich zwölf Feluken, die alle mit Drehbassen armiert waren. Das Gefolge wurde in zwei Kampfgruppen aufgeteilt, und zu jeder dieser Gruppen gehörten ungefähr fünfzehn hartgesottene, ausgekochte und erprobte Schnapphähne, Schlagetots der übelsten Sorte.
Die Taktik, die Selim dabei anwandte, hatte schon Chaireddin angewandt. Sie war nicht neu, aber sie hatte sich immer bestens bewährt. Es war die „Abhark-Methode“, und sie wurde jetzt wieder zwischen Sardinien, Tunis und Ras-Skida erprobt. Fünfzehn Kerle auf jeder Feluke, das waren hundertachtzig Mann, und gegen die konnte eine Handvoll Seewölfe nichts ausrichten.
Jede dieser im „Abharkverfahren“ segelnden Feluken hatte eine Rundumsicht von etwa sechs Meilen. Somit waren sie in der Lage bei einem breiten Suchstreifen ein Gebiet von rund vierundachtzig Meilen zu überblicken.
Es war höchst unwahrscheinlich, daß ihnen das gekaperte Flaggschiff entging. Selim selbst glaubte ohnehin nicht daran, daß sich die Feluke an ihn vorbeimogeln konnte.
In Gedanken zählte er schon die Stunden, die es dauern würde, bis sie die Christenhunde hatten. Es konnten nicht mehr viel Stunden sein.
Конец ознакомительного фрагмента.
Текст предоставлен ООО «ЛитРес».
Прочитайте эту книгу целиком, купив полную легальную версию на ЛитРес.
Безопасно оплатить книгу можно банковской картой Visa, MasterCard, Maestro, со счета мобильного телефона, с платежного терминала, в салоне МТС или Связной, через PayPal, WebMoney, Яндекс.Деньги, QIWI Кошелек, бонусными картами или другим удобным Вам способом.