Seewölfe - Piraten der Weltmeere 425. Roy Palmer

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 425 - Roy Palmer


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brummte Barry. „Er scheint total bescheuert zu sein. Und er hat nicht mehr alle Mucks im Schapp, das steht fest. Hat er tatsächlich gedacht, er könnte Siri-Tong nachsteigen? Bei dem ist das Oberdeck nicht mehr ganz dicht.“

      Dan hielt aufmerksam nach allen Seiten Ausschau. Einmal hatte er Glück gehabt und die Schaluppen im richtigen Augenblick in der Dunkelheit erkannt. Würde es ein zweites Mal auch wieder klappen? In diesem Punkt war er ein wenig skeptisch. Seine Erfahrung sagte ihm, daß auch zwei Schaluppen, die flink und beweglich waren, immer noch einiges gegen ein Schiff wie die „Caribian Queen“ ausrichten konnten.

      Die meisten Karibik-Freibeuter bedienten sich kleiner Ein- und Zweimaster, in der Mehrzahl Schaluppen oder Pinassen, um wie Wölfe im Rudel über die schwerfälligen, nicht sehr gut zu manövrierenden Galeonen der Spanier herzufallen.

      Siri-Tongs Zweidecker – sie hatte ihn seinerzeit von der Black Queen erobert – war mit einer solchen Galeone zwar nicht zu vergleichen, weil er doch wendiger und außerdem besser armiert war, aber wenn man nicht scharf aufpaßte und ständig auf der Hut war, konnte dem Admiral doch noch ein Glücks- oder Zufallstreffer gelingen. Beispielsweise konnte er sich von achtern anpirschen und versuchen, mit seinen Drehbassen die Ruderanlage der „Caribian Queen“ zu zerschießen.

      Das war ein Trick, dessen sich die Männer vom Bund der Korsaren auch des öfteren schon bedient hatten. Daran dachte Dan – und seine Bedenken waren nicht ganz unbegründet.

      „Vorerst ist alles ruhig“, sagte er. „Warten wir mal ab, wie die Lage sich weiterentwickelt.“

      „Lange dauert die Nacht nicht mehr“, sagte Barry. „Wenn der, Kerl was unternehmen will, muß er sich verdammt beeilen.“

      „Ja. Es ist drei Uhr.“

      „Und du meinst, diese Bastarde haben es immer noch auf uns abgesehen?“ sagte im Vormars Hilo, der hellhäutige Neger, zu Jack Finnegan.

      „Ja, so schnell geben die nicht auf“, entgegnete Jack.

      „Ganz schön riskant für sie. Jetzt haben sie noch ’ne Chance, aber in zwei bis drei Stunden wird’s hell, und dann landen sie bei uns keinen Treffer mehr.“

      „Aber auf den Tag folgt wieder eine Nacht“, sagte Jack.

      „Hör doch auf. Ich bin der Ansicht, daß sie sich längst verzogen haben.“

      „Täusche dich da nicht.“

      „Du willst wohl Streit, was?“ Hilos Augen weiteten sich, und er sog die Atemluft tief durch die bebenden Nasenflügel ein. Er war sehr leicht reizbar und nahm jedes Wort krumm, das ihm nicht gefiel. Wegen ihm gab es oft Streitereien an Bord. Er war Ende der Zwanzig, hatte dichte, buschige Augenbrauen mit einer steilen Falte über der Nase und kohlschwarze Augen, deren Blick durchdringend war. Thorfin Njal hatte ihn dereinst auf Tobago aufgelesen. Manchmal, wenn Hilo seinen Rappel hatte, wünschten seine Kameraden ihn genau dorthin zurück.

      Aber Jack Finnegan war ein kluger und umsichtiger Mann, der sich auf Diskussionen unter Kameraden nicht gern einließ. Lachend hob er die Hand. „Wo denkst du hin? Mir geht es nur um eins: Daß wir diesen Törn so schnell wie möglich hinter uns bringen und den Isthmus von Panama erreichen. Nur das zählt, alles andere ist nebensächlich.“

      Hilo grinste. „Klar, du hast recht. Was schert uns der Admiral, dieser Blödmann? Soll er doch meinetwegen noch mal aufkreuzen oder es bleiben lassen, mir ist es auch egal.“

      Das Ziel war die Bucht von San Blas an der panamesischen Karibikseite westlich des Golfs von Darién. Kurs Südsüdwest lag an, bei dem frischen, anhaltenden Nordostwind lief die „Caribian Queen“ gute Fahrt. Um diese Stunde stand sie fast direkt vor der Südwestspitze von Haiti, also Kap Dame Marie. Es herrschte nach wie vor Gefechtsbereitschaft an Bord, weil keiner wußte, wie der Feind sich verhalten würde, der so unvermittelt und völlig unvorhergesehen erschienen war.

      Aus diesem Grund hatten Siri-Tong, Hasard und Jean Ribault auch veranlaßt, daß von nun an verschärft Ausguck gegangen wurde, denn noch war wirklich ungewiß, ob sie die Verfolger abgeschüttelt hatten oder ob diese einen zweiten Angriff wagen würden.

      Alle Mann an Deck und Schiff klar zum Gefecht – das verlangte von den Männern mehr Energie und Einsatz, denn vorläufig gab es keine Freiwache. Um halb vier Uhr morgens ließ die Rote Korsarin eine Extraration Rum austeilen, die die drei Crews sich wirklich verdient hatten, und zwei Stunden später gab es Frühstück.

      Allerdings ließen der von allen sehnsüchtig erwartete heiße Rum-Wasser-Trank und der Schiffszwieback auf sich warten. Carberry senkte bereits den Schädel und warf zornige Blicke zum Vordecksschott.

      „Was zur Hölle ist da los?“ sagte er. „Pennen die Kerle?“ Seine Stimme klang dumpf und grollend. „Beim Donner, jetzt sind sie zu viert und stehen sich gegenseitig im Weg, was, wie?“

      Barba hatte es vernommen und lachte. Siri-Tong war ebenfalls sichtlich amüsiert. Hasard und Jean Ribault grinsten sich zu, und auch die anderen Männer stießen sich untereinander an. Araua hockte bei den Zwillingen und fragte: „Gibt es jetzt ein Donnerwetter?“

      „Kann schon sein“, erwiderte Hasard junior und unterdrückte ein Gähnen.

      „Aber das ist nichts Besonderes für uns“, sagte Philip junior gelassen, beinah gelangweilt.

      „Ich finde es interessant“, sagte Araua. „Mal sehen, was passiert.“

      „Na los, Ed“, sagte der Seewolf von der Schmuckbalustrade des Achterdecks aus. „Sieh doch mal nach, was unsere Köche so treiben.“

      „Aye, Sir“, brummte der Profos und marschierte los – quer über die Kuhl auf das Vordecksschott zu, hinter dem sich immer noch nichts zu rühren schien.

      Der junge Tag zog unterdessen mit rötlichgrauen Schleiern herauf. Dan O’Flynn, Barry Winston, Hilo und Jack Finnegan, die nach wie vor Ausguck hielten, spähten unausgesetzt zur Kimm, aber noch blieb achteraus alles leer. Allein segelte die „Caribian Queen“ nach Süden, weit und breit schien sich kein anderes Schiff zu befinden. Das aber, so sollte sich bald herausstellen, war ein Irrtum.

      Carberry drückte das Vordecksschott auf und betrat mit polternden Schritten die Kombüse der „Caribian Queen“. Was er sah, ließ ihn verharren, und sein Unterkiefer klappte langsam herunter.

      „Hab’ ich’s doch geahnt“, murmelte er fassungslos. „Vier Köche auf diesem Kahn sind entschieden zuviel, außerdem verderben sie den Brei, und zwar gründlich.“

      Mac Pellew lag auf dem Boden der Kombüse und schien irgendwelche Schwierigkeiten zu haben, denn er stieß pausenlos die schlimmsten Flüche aus. Der Kutscher bearbeitete wie ein Besessener die Anrichte, und zwar mit einem Scheuerlappen. Eric Winlow, der Koch aus der Crew von Jean Ribault, hantierte mit grimmiger Miene an den Ketten der Kupferkessel herum – und das Feuer war noch nicht angeheizt.

      Und Cookie, der Koch der „Caribian Queen“? Nun, von dem war zur Zeit nur eine Körperpartie zu sehen, und zwar die achtere, denn er lag auf den Knien und fummelte keuchend in der Vorratskammer herum, in der es stockdunkel war.

      Carberry knallte das Schott zu, aber das schien die vier nicht im geringsten zu beeindrucken. Mehr noch: Sie bemerkten seine Anwesenheit nicht. Sie waren viel zu beschäftigt. Und das war fatal – für sie und für ihn.

      Nachdem der Profos sein größtes Staunen und Entsetzen überwunden hatte, schloß sich sein Mund wieder, und er gab ein drohendes Grollen von sich, das aber auch nicht weiter beachtet wurde. Dann räusperte er sich – ebenfalls ohne Erfolg.

      Er kratzte sich angelegentlich am Kinn, was in etwa so klang, als marschiere eine Kolonne von Kakerlaken über ein knochentrockenes Stück Pergament, doch auch dieses gräßliche Geräusch wurde von den vier Männern nicht registriert. Mac lag immer noch auf den Planken, Cookie schien die Absicht zu haben, ganz in die Vorratskammer zu kriechen und dort zu bleiben. Der Kutscher schien die Anrichte zerreiben zu wollen, bis nichts mehr von ihr übrig war, und Winlow kämpfte gegen die Tücke des Objekts, denn einer der Kessel drohte


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