Seewölfe - Piraten der Weltmeere 464. Roy Palmer
gut, Teniente“, sagte der Capitán und Verbandsführer. „Passen Sie auf diese Hunde auf. Wenn die nichts um die Ohren haben, steht ihnen der Sinn nach Meuterei. Ich kenne das.“
„Die Faulpelze sollten weniger Freiwache haben“, sagte der Teniente.
„Verdoppeln Sie die Deckswachen.“
„Ja, und ich werde das Schiff von oben bis unten aufklaren lassen“, sagte Don José de Zavallo. Er verließ das Achterdeck wieder und gab entsprechende Anweisungen. Er benahm sich, als sei er der Kapitän. Und so empfand er auch. Eines Tages, dessen war er sicher, würde er ein eigenes Schiff kommandieren. Noch waren Schiffe knapp in St. Augustine, doch auch das würde sich ändern. Sobald sich die Gelegenheit dazu bot, würde er, de Zavallo, dafür sorgen, daß der „Schiffsraum“, wie er es nannte, vergrößert wurde – auf die eine oder andere Art.
Die wenigen Kriegsschiffe, die in Fort St. Augustine verfügbar waren, überwachten derzeit die Floridastraße. Es herrschte zwar Ruhe, doch das konnte sich von einer Stunde zur anderen ändern. Die verstärkten Patrouillen der Kriegssegler hingen mit jenen Geschehnissen zusammen, bei denen im vergangenen Jahr überraschend – meist in der nördlichen Floridastraße – englische Freibeuter aufgetaucht waren und die nach Spanien heimsegelnden Schatzschiffe ausgenommen hatten.
Den letzten Bericht brachte Don Gregorio de la Cuesta nach St. Augustine. Eine abenteuerliche Geschichte: De la Cuesta war es gelungen, mit einer Jolle von den Grand Cays aus St. Augustine zu erreichen und die englischen Gefangenen samt der Mannschaften der beiden versenkten Kriegsgaleonen von der Grand-Cay-Insel Mitte Oktober 1594 abzubergen.
Die englischen Gefangenen waren achtundzwanzig Kerle von Sir John Killigrews „Lady Anne“, darunter der Bootsmann O’Leary und die beiden John-Killigrew-Söhne Simon Llewellyn und Thomas Lionel sowie sieben adlige Nichtstuer aus dem Kreis des Sir Henry, darunter auch Sir James Sandwich.
Natürlich waren sie in Fort St. Augustine scharf verhört worden, und zwar von dem Festungskommandanten, Don Lope de Sanamonte, persönlich. Allerdings hatte sich der entrüstete Sir James darauf hinausgeredet, der englische Verband, zu dem er und die anderen gehörten, wäre von der englischen Königin ausschließlich zu dem Zweck in die Neue Welt geschickt worden, um dem berüchtigten „El Lobo del Mar“, dem Seewolf also, das Handwerk zu legen.
Die englische Königin, so hatte Sir James ausgeführt, wäre empört darüber gewesen, daß der verbrecherische Pirat Philip Hasard Killigrew, ein hundertfacher Mörder und Schnapphahn sondergleichen, immer wieder ihren Versuch guter Beziehungen zu Spanien mit seinen Beutezügen zerstöre und untergrabe.
Mit dieser Verschleierungstaktik hatte Sir James es immerhin geschafft, daß er und die anderen Gefangenen nicht sofort zur Zwangsarbeit in eine spanische Mine gesteckt wurden. Don Lope de Sanamonte hatte sie in St. Augustine behalten und in den Kerker der Festung gepfercht. Bei Gelegenheit wollte er sie nach Spanien abschieben – zwecks Austausches mit in England gefangenen Spaniern oder aber Freikaufes gegen Lösegeld.
Wegen dieser Aktivitäten englischer Piraten, die Don Lope de Sanamonte ja sozusagen am eigenen Leib zu spüren bekommen hatte, wurde die Floridastraße überwacht. Was sich seinerzeit in St. Augustine zugetragen hatte, durfte sich auf keinen Fall wiederholen. Die Patrouillen kontrollierten die Straße bis hinunter auf die Höhe der Bimini-Inseln. Vorerst zeigte sich kein fremdes Schiff. Doch das sollte sich rasch ändern, und zwar noch an diesem 26. April.
Am 25. April morgens hatte die Dreimastkaravelle „Golden Hen“ die Cherokee-Bucht auf Great Abaco verlassen. Jean Ribault hatte von Hasard den Auftrag erhalten, nach Havanna zu segeln und Arne von Manteuffel, Jörgen Bruhn und Jussuf von der neuen Sachlage zu unterrichten: Die Cherokeebucht sollte fortan der neue Stützpunkt des Bundes der Korsaren sein, die Tropfsteinhöhle das Schatzversteck.
Aber auch die umliegenden Inseln wollte der Seewolf erkunden, um beweglich zu sein und auch das Nahrungsproblem zu lösen. Aus diesem Grund war auch Old O’Flynn mit seiner „Empress of Sea II.“ in See gegangen. Er segelte nach Andros.
Die „Golden Hen“ passierte nach der Westdurchquerung des Nordwest-Providence-Kanals am Vormittag des 26. April die kleinen Inseln der Isaacgruppe. Sie wurden an Backbord gelassen. Der Wind wehte stetig aus Nordost. Jean Ribault traf die an und für sich richtige Entscheidung, zunächst weiter etwa Westsüdwest zu steuern, um unter die Ostküste von Florida zu gelangen.
„Sehr richtig“, sagte Renke Eggens, der Ribault, Karl von Hutten und Pierre Puchan, der gerade am Ruder stand, auf dem Achterdeck Gesellschaft leistete. „An der Ostküste steht der Golfstrom weniger stark gegenan als mitten in der Floridastraße.“
„Allerdings sitzen in St. Augustine die Dons“, gab von Hutten zu bedenken.
„Mit denen werden wir wohl kaum Ärger kriegen“, sagte Jean Ribault. „Erstens können sie nicht ständig die Floridastraße kontrollieren, zweitens haben wir als deutsche Kauffahrer nichts zu befürchten.“
Natürlich konnte er nicht ahnen, daß die Floridastraße von den Spaniern stark überwacht wurde. Und er fühlte sich sicher. Die „Golden Hen“ war hinreichend als deutsches Handelsschiff getarnt. „Blondschöpfe“ hatte sie auch genug an Bord: Renke Eggens, Hein Ropers, Hanno Harms und weitere zwei Männer aus der Besatzung der „Wappen von Kolberg“. Sie würden bei einer direkten Konfrontation mit Spaniern – auch in Havanna – den Schein perfekt aufrechterhalten. Renke Eggens, das hatten die Männer bereits vereinbart, würde in einem solchen Fall den Posten des Kapitäns übernehmen.
In Havanna war die „Golden Hen“, die vormals der Piratenbande des Isidro Flores und Caspicara gehört hatte, nicht bekannt. Dort würde man also keinerlei Verdacht schöpfen, es könne mit dem Schiff etwas nicht stimmen. Der Plan war ideal: Die „Goldene Henne“ war von Kolberg kommend über den Atlantik gesegelt und brachte Ware für das Handelshaus von Manteuffel.
Jedes andere Schiff des Bundes der Korsaren hätte Aufsehen und Mißtrauen auf Kuba erregt. Undenkbar wäre es gewesen, die „Caribian Queen“ von Siri-Tong zu schicken – oder den Schwarzen Segler des Wikingers. Das gleiche galt für die „Isabella IX.“ und für die „Empress of Sea II.“.
Die „Wappen von Kolberg“ und die „Pommern“ schieden ebenfalls aus, weil sie gerade in Havanna gewesen waren und Bauhölzer und Zubehör für den Schiffsbau geladen hatten. Offiziell waren sie nach Deutschland unterwegs, es hätte also für ihr neuerliches Auftauchen keinerlei plausible Erklärung gegeben.
Bereitwillig hatte Jean Ribault den Auftrag angenommen. Arne von Manteuffel mußte so schnell wie möglich unterrichtet werden. Unter anderem ging es auch darum, daß die Brieftauben auf die neue Position der Insel Great Abaco getrimmt werden mußten.
Sie waren nach wie vor auf die nicht mehr existierende Schlangen-Insel ausgerichtet und mußten nun von Jussuf entsprechend umgeschult werden. Die Brieftauben waren die einzige Verständigungsmöglichkeit zwischen dem Handelshaus von Manteuffel in Havanna und dem Stützpunkt des Bundes der Korsaren.
Bisher war die Fahrt der „Golden Hen“ ruhig und ohne Zwischenfälle verlaufen. Am frühen Nachmittag dieses Tages jedoch war es Jonny, der als Ausguck im Großmars der Karavelle stand und Backbord voraus etwas sichtete.
„Mastspitzen!“ rief er. „Drei Schiffe!“
„Spanier?“ fragte Jean Ribault.
„Es sieht so aus! Drei Dreimaster!“ erwiderte Jonny.
Wenig später konnten die Männer die Schiffe durch den Kieker klar erkennen.
„Fein“, sagte Karl von Hutten. „Es sind spanische Kriegsschiffe. Zwei Galeonen und eine mit Lateinersegeln getakelte Karavelle. An denen können wir uns bestimmt nicht so einfach vorbeimogeln.“
„Damit rechne ich auch nicht“, sagte Jean Ribault. „Trotzdem haben wir keinen Grund, uns zu sorgen. Das weißt du.“
Renke Eggens grinste. „Wie gut, daß wir ein paar ordentliche Papiere für unsere ‚Goldene Henne‘ vorbereitet haben.“
„Ja, das war