Liebesheilung: 7 Arztromane großer Autoren. A. F. Morland
neue Erdenbürger war ziemlich blau angelaufen, maß 48 Zentimeter und wog nur 1900 Gramm, aber sein Stimmchen quäkte herzerfrischend in den Kreißsaal.
„Ein Prachtbursche ist er ja noch nicht, aber was nicht ist, kann werden. Erst mal ab dafür in die Bratröhre!“, sagte Schwester Luise in ihrer aufmunternd resoluten Art und legte den kleinen Hauk in den Inkubator.
Dr. Hermann Mittler versorgte die Nachgeburt und überließ die Patientin sodann dem Oberarzt der Chirurgie, Dr. Albert Rose, den man zugezogen hatte, damit er sogleich den Beckenringbruch einrichten konnte. Ein Transport der Frau auf die Chirurgische war nicht für zweckmäßig erachtet worden.
Die OP-Schwester Manka wollte eben im Ärztezimmer nebenan dem Team von Dr. Winter einen steifen Kaffee aufschütten, als die Aufnahme einen weiteren Notfall avisierte.
„Ein Luftunfall im achten Monat. Missglückte Notlandung einer Reisemaschine“, informierte Dr. Winter seine Mannschaft.
Rose wurde mit seiner Patientin in den Wachraum verbannt und die Tabula für die Notlandungspatientin hergerichtet.
Zwei Pfleger brachten schon den Wagen aus der Schleuse.
Die Frau war schlimm zugerichtet. Der Notarzt vom Rettungswagen hatte seine Diagnose mitgegeben. Fraktur des Nasenbeins, des Schlüsselbeins, diverse Rippenfrakturen, Gefäßquetschungen an bei den Oberschenkeln, Thoraxprellungen, innere Verletzungen.
Es mutete fast wie ein Wunder an, dass die Frau die missglückte Notlandung mit nur einer Schnittverletzung entlang des Haaransatzes überstanden hatte.
Die Assistenzärztin Dr. Simon-Stoll horchte die Herztöne des Kindes ab, während Dr. Winter aufmerksam den hohen Leib der Frau betrachtete.
Aus dem Begleitpapier ging hervor, dass starke schmerzlindernde Mittel gegeben waren. Dennoch bäumte sich die Patientin plötzlich auf und schrie.
Schwester Luise trat heran, beobachtete, schüttelte den Kopf und sagte: „Zum Röntgen reicht’s nicht mehr. Die Schockwehen setzen ein.“
„Kaiserschnitt!“, entschied Dr. Winter nach kurzem Überlegen. „Bereiten Sie einen zweiten Inkubator vor.“
Die Assistenzärztin richtete sich auf. „Verletzungen des Fötus nicht feststellbar. Wir sollten aber den Kollegen Rose zuziehen, gell.“
Schwester Manka eilte schon, um den Chirurgen aus dem Wachraum zu holen.
Die Patientin wurde auf die Tabula umgebettet.
„Ich nehme besser gleich ein Abonnement!“, ließ sich Dr. Rose vernehmen. Er wusch sich ein zweites mal an diesem Morgen steril und wartete darauf, dass die Gynäkologen ihm das Feld überließen.
Dr. Winter setzte den Schnitt sehr tief an. Die diagnostizierten inneren Verletzungen versetzten ihn in Unruhe. Gewiss hatte er schon ohne Röntgenbefund weit schwierigere Eingriffe vorgenommen, aber da war das Risiko bedeutend geringe gewesen.
Er klemmte etwas zu spät ab. Schwester Manka wischte ihm die feinen roten Spritzer von der Stirn.
Als er die Irritation in ihren Augen über der grünen Maske erkannte, konzentrierte er sich und arbeitete sicher und schnell.
„Wieder ein Junge. Wo bleibt die Gleichberechtigung?“ Schwester Luise nahm das abgenabelte Kind in Empfang und half beim Absaugen der Atemwege.
Dr. Winter holte die Nachgeburt und nähte, während Dr. Simon-Stoll dem kleinen Bürger den ersten Schrei zu entlocken suchte, damit Blut in die Lungen strömte.
Eisiger Schreck erfasste sie. Das Kind zeigte keine Reaktion.
Ein zweiter, ein dritter Klatsch – nichts.
„Sauerstoff!“, sagte die Hebamme und bewahrte unerschütterliche Ruhe. Sie zog das Pharyngoskop heran, und die Ärztin bog das winzige runzlige Gesicht nach hinten, führte behutsam den Tubus in die winzige Luftröhre und gab eine geringe Dosis.
„Und jetzt probieren wir es noch mal!“, sagte die Hebamme eifrig. „Heben Sie den Bengel hoch. Der wird uns doch keine Scherereien machen wollen? Das mögen wir aber gar nicht.“
Aus dem Hintergrund meldete sich Dr. Schimanskis Stimme. Er war der Anästhesist. „Puls wird dünn. Druck schwächer.“
„Adrenalin!“ Monoton klang Dr. Winters Stimme.
Lieber Himmel, lass ihn seinen ersten Schrei tun, dachte Dr. Simon-Stoll. Der Mutter geht es schlecht, lass wenigstens du uns nicht im Stich!
Sie klatschte weiter.
Und endlich, endlich bequemte sich der kleine Mann, ein dünnes Krähen von sich zu geben.
Sie lächelte glücklich unter der Maske und übergab ihn der Hebamme, die trocken meinte: „So ist das nun mal, die Männer nerven uns vom ersten Tag an.“
Der Kleine wurde weiter betreut.
„Sickerblutung, Herr Winter!“, sagte gerade Dr. Mittler an der Tabula. Er assistierte. Eine Gefäßnaht schloss nicht.
Dr. Winter setzte zwei Tupfer, dann behob er den Schaden. Die Frau war jung, aber sie hatte Adern wie morsche Wasserleitungen.
„Druck fünfzig!“ Dr. Schimanski tauchte hinter seiner Abdeckung auf, als wollte er seinen Worten größeren Nachdruck verleihen.
„Dann tun Sie etwas dagegen!“, schnaubte Dr. Winter. Die Gefäßnaht hielt immer noch nicht. Wieder sickerte Blut durch.
„Diathermie!“
Es zischte. Dann roch es ein wenig nach verbranntem Fleisch. Dr. Winter entfernte das zerfranste Stückchen Vene und begann von neuem.
Er zwang sich zur Ruhe, sagte sich, dass er ungezählte Male Blutgefäße genäht hatte und es entgegen allen Schwierigkeiten letztlich doch geklappt hatte.
Auch bei morschen Adern.
Er sah die verkrampften Finger von Dr. Mittler, der mit den Instrumenten das Operationsfeld freihielt. Wenn er nur keinen Spasmus bekommt, dachte Dr. Winter besorgt. Noch fünf Minuten, dann habe ich es!
Endlich hielt die Naht, und er konnte sich an das Zusammenfügen der Bauchdecke machen. Eine Klemme klirrte laut, scharf und schrill auf den Instrumententisch.
In der Runde gab es betretene Blicke. Unnötiger Lärm war verpönt. Schwester Manka, die Koreanerin, murmelte eine Entschuldigung und überflog die zurück erhaltenen Instrumente.
Eine reine Routinemaßnahme, die nichtsdestoweniger von eminenter Wichtigkeit war. Eine vergessene Klemme bedeutete unweigerlich Scherereien.
Schwester Manka zählte mit asiatischer Pedanterie auch die Tupfer nach.
Es war nichts vergessen.
Sie nickte, als sie Dr. Winters Augen auf sich ruhen spürte.
Aufatmend trat der Oberarzt der gynäkologischen Abteilung zurück und machte eine einladende Geste zu seinem Freund Rose. „Bitte näherzutreten, Kollege. Nun kann sich die Chirurgie bewähren.“
Dr. Albert Rose hatte mit wachsender Besorgnis die Skalen anzeigen beobachtet. Der Zustand der Patientin war besorgniserregend, der operative geburtshilfliche Eingriff hatte sie weiter geschwächt.
Außerdem bewegte sie sich und stöhnte leise.
„Die Narkose vertiefen!“
Schimanski tauchte hinter der Abdeckung auf und funkelte den Chirurgen zornig an. „Ich bin dafür verantwortlich, das Leben der Patientin zu erhalten, nicht dafür, die Anatomie mit einem Neuzugang zu versorgen!“
Sekundenlang maßen sie sich, dann murmelte Dr. Rose: „Entschuldigen Sie, Herr Kollege! Halten Sie sie so ruhig, wie es eben geht.“ Seine Stirn krauste sich. „Ohne Röntgenbefund ist es Wahnsinn.“
Der desolate Zustand der Blutgefäße ließ jeden weiteren