Mörder sind keine Engel: 7 Strand Krimis. Cedric Balmore

Mörder sind keine Engel: 7 Strand Krimis - Cedric Balmore


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Der kleine Sportwagen machte einen eleganten Schlenker und war gleich darauf wieder in der Spur.

      „Kein Grund zur Aufregung, ich habe die Situation vollkommen im Griff!“, sagte sie nur und sah lächelnd auf die Straße, die von den Scheinwerfern nicht vollständig ausgeleuchtet wurde.

      „Sie haben die Waffe vernickeln lassen?“, erwiderte Faust, noch ein wenig verstört von dem Fahrmanöver. Besorgt hatte er sich umgedreht, um zu sehen, ob es der vermutlich angetrunkene Fußgänger rechtzeitig auf die andere Straßenseite geschafft hatte, denn nicht weit hinter ihnen waren die Lichter eines anderen Automobils aufgetaucht.

      „Ja, gefällt sie Ihnen?“ Fräulein Keller hatte ihm den Revolver mit einer grazilen Handbewegung hinübergereicht, die nichts von dem Gewicht der Waffe verriet.

      Faust war erstaunt, dass der Colt doch einiges an Gewicht hatte, aber sehr gut in der Hand lag.

      „Ich hatte immer geglaubt, dass dieses Modell mit einem langen Lauf produziert wurde?“

      „Das wurde von John Henry Fitzgerald überarbeitet, die Variante hieß Fitz Special und war der Vorläufer für diese Polizeiwaffe.“

      „Die natürlich ein Sheriff von Chicago trägt!“, setzte Faust grinsend hinzu.

      Sehr abrupt hielt die Fahrerin den Loreley plötzlich an und stellte den Motor und die Scheinwerfer ab. In das leise Ticken des sich abkühlenden Motors sagte sie dann, mit einem Handzeichen auf die fast vollkommen im Dunkeln vor ihnen liegenden Straße: „Auf geht’s, Herr Polizeiagent! Gehrke wohnt in einem Hinterhaus der Nummer fünf. Eigentlich war es wohl noch vor nicht langer Zeit ein Waschhaus, aber dann erlaubte man ihm, dort zu wohnen.“

      Beide schlossen leise ihre Türen und Faust musste sich beeilen, mit der jungen Frau Schritt zu halten. Kaum hatten sie die Friesenstraße betreten, schlug ihnen eine Geruchsmischung entgegen, wie sie häufig in den Arbeitervierteln vorherrschte. Faust kannte das von seinen früheren Einsätzen, musste aber schon nach kurzer Zeit durch den geöffneten Mund atmen, weil ihn der Geruch von abgestandenem Essen, ungewaschener Kleidung, überquellenden Müllbehältern und dazu von billigem Alkohol und kaltem Zigarettenrauch in der Nase kribbelte. Um ein verräterisches Niesen zu vermeiden, presste er die Nasenflügel mit zwei Fingern fest zusammen und wartete ab, bis der Niesreiz abgeklungen war. Verwundert drehte die Kriminalistin sich zu ihm um, denn Faust war eben versehentlich gegen eine leere Konservendose getreten, die scheppernd über das Kopfsteinpflaster rollte.

      „Wir könnten auch laut rufen, dass die Polizei nur ein paar Fragen hat!“, giftete sie ihn an, aber Faust antwortete nicht, deutete auf ein verwittertes, kleines Emailleschild, auf dem gerade noch die Hausnummer zu erahnen war. Etliche abgeplatzte Stückchen hatten die geschwungene Zahl fast verschwinden lassen.

      Der Eingang lag vollkommen im Dunkeln, die Umrisse des Waschhauses waren kaum zu erahnen.

      Die beiden blieben lauschend stehen.

      Irgendwo keifte eine Frauenstimme in den höchsten Tönen im Vorderhaus, eine Tür fiel krachend ins Schloss, dann herrschte wieder Ruhe.

      Faust schritt über den dunklen Weg am Hauseingang vorbei. Hier stand die Tür weit offen, und als er kurz mit seiner Taschenlampe hinüberleuchtete, erkannte er Berge von Müll im Flur. Das kurze Aufblitzen reichte zur Orientierung aus. Sie standen auf dem Hinterhof, der ein paar verbogene Teppichstangen, weiteren Müll und in der hinteren Ecke einen Eingang zu einem Garten aufwies. Der Polizeiagent schaltete die Taschenlampe erneut ein. Das Gartentor hing schief in den Angeln, dahinter wucherten irgendwelche Obstbüsche wild durcheinander. Daneben befanden sich drei windschiefe Plumpsklos, die dem Geruch nach zu urteilen noch immer benutzt wurden.

      Das alte Waschhaus stand dunkel auf der rechten Hofseite. Die Tür machte einen erstaunlich festen Eindruck, das daneben befindliche Fenster war mit einem stabilen Laden verschlossen. Im Obergeschoss gab es keine Fensterläden.

      Für einen Moment gingen Fausts Gedanken zurück zum erst wenige Stunden zurückliegenden Gespräch in der Villa des Fräuleins.

      Dorothee Keller hatte Faust in ihrer Bibliothek über das Ergebnis ihrer bisherigen Recherche berichtet. Danach war Kommissar Gehrke, einer der beiden Ermittler im Fall ‚Wilhelm Müller‘, im Zusammenhang mit Sprengstoffanschlägen im Juli 1921 und anderen Vorwürfen unehrenhaft entlassen worden. Angeblich sollte er damals Beweise unterschlagen haben, weil er mit den Verdächtigen sympathisierte. Im Zuge der damaligen Untersuchungen wurde eine Dienstfahrt eines Polizeioffiziers näher untersucht und dabei festgestellt, dass es sich um das Freizeitvergnügen einer kleinen Gruppe handelte, die den Dienstwagen zu einer Reise nach Dresden nutzte und bei der alkoholträchtigen Rückfahrt in Melverode einen Hund überfahren hatte.

      Das Ergebnis der internen Untersuchungen brachte auch Kommissar Gehrke ins Licht der Öffentlichkeit, einige unangenehme Dinge wurden in der Presse breitgetreten, und gipfelten in der Anschuldigung, dass Gehrke damals den Befehl gegeben hatte, Wilhelm Müller in jedem Fall zu erschießen, wenn er das Kaufhaus verlassen wollte, in dem er den Geldschrank ausgeraubt hatte. Auch eine Geisel sollte Müller bei sich gehabt haben, die Tochter eines bekannten Braunschweiger Kaufmanns. Später stellte es sich heraus, dass der größte Teil der Beute aus dem Geldschrank verschwunden war, und wieder geriet Gehrke unter Verdacht, sich an der Einbruchsbeute bereichert zu haben.

      „Wenn Gehrke damals wirklich das Geld an sich genommen hat – wieso lebt er dann in einem Waschhaus in der Friesenstraße?“, erkundigte Faust sich, nachdem seine Gastgeberin schwieg.

      „Das möchte ich gern aufklären, aber Gehrke kann sich dazu nicht mehr äußern. Er hat einen Hirnschlag erlitten und liegt seit mehreren Wochen im Elisabeth-Krankenhaus. So weit bin ich bereits gekommen, aber ich verspreche mir von einer Untersuchung seiner Wohnung noch weitere Hinweise. Und der andere Polizist, dieser Hörstel, ist aus Braunschweig verschwunden. Der zuständige Polizeipräsident war Erich Bertram – man munkelte einiges über die Rolle, die er in dem Fall gespielt haben soll. Eines ist jedenfalls aus den Akten zu entnehmen: Er hat dafür gesorgt, dass die Geliebte Müllers, eine gewisse Elfie Bomfeld, nicht weiter vernommen wurde. Ihr Anwalt war ein Dr. Eckebrecht, der Mittel und Wege fand, sie über seine Beziehungen zum Polizeipräsidenten von jeglichem Verdacht reinzuwaschen.“

      „Fräulein Keller, Sie haben doch eben nicht gesagt, dass Sie in das Haus einbrechen wollen, oder?“, antwortete Faust belustigt.

      Sie beugte sich in ihrem Sessel nur leicht nach vorn und schenkte ihm einen herausfordernden Blick, sodass Faust erneut spürte, wie trocken sein Hals gerade wurde.

      „Noch einen Mocca, Herr Polizeiagent?“

      „Ein Glas Wasser würde mir vollkommen ausreichen.“

      „Heute Nacht ist es mondlos und wolkig. Kann ich auf Sie zählen?“

      Das war nun der Grund für seinen nächtlichen Streifzug. Hier stand er auf einem Hinterhof und war wirklich dabei, heimlich in das verschlossene Haus eines ehemaligen Kriminalbeamten einzudringen.

      Wirklich? Bist du verrückt genug, der Kleinen dabei behilflich zu sein?

      Aber diesen Gedanken verdrängte er rasch, denn eben hatte Fräulein Keller etwas aus ihrer Hosentasche gezogen und beugte sich über das Türschloss.

      „Ein Dietrich?“, flüsterte er und erhielt nur die kurze Antwort: „Natürlich, der Schlüssel fehlt leider!“

      Faust sah sich in der Dunkelheit erneut um und beschloss, sich so zu stellen, dass niemand, der zufällig auf der Straße vorüberging, etwas von der Tätigkeit des Fräuleins bemerken konnte. Ein leises Knacken zeigte ihren Erfolg an, und vorsichtig schob sie die Tür nach innen auf.

      Dann waren sie in dem kleinen Haus, in dem sie modriger Geruch empfing, vermischt mit irgendwelchen Resten von verwendeten Waschmitteln. Er hörte, wie die junge Frau einen unterdrückten Schrei ausstieß und ließ besorgt die Taschenlampe aufblitzen.

      „Schon gut!“, sagte sie leise. „Ich bin mit dem Gesicht in ein Spinnennetz geraten. Aber egal, hier unten steht nur ein wackliger Tisch


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