Wertebilanz. Rainer Monnet
zunächst im Denken ein freies Wesen ist.3 Eigenständigkeit bedarf der Freiheit. Eigenverantwortlichkeit entwickeln zu können, benötigt Freiräume.
Sich für die Freiheit anderer einzusetzen, bedarf eines starken Willens und Einsatzes Einzelner. Zusammen mit der Gleichheit und der Brüderlichkeit gehörte die Freiheit bereits 1789 zur Losung der Französischen Revolution.4 Die Errungenschaften unserer demokratischen Gesellschaft ermöglichen freies Wirtschaften. Freiheit im unternehmerischen Kontext wird dort wirksam, wo Mitarbeitende zusammenfinden, die sich mit Motivation und Begeisterung für ihre Arbeit und das Unternehmen einsetzen. Überall dort, wo Arbeit kein Selbstzweck ist, sondern für andere geschieht, blühen Unternehmen auf. Der Grad an Freiheit nimmt ab in dem Maß, in dem Schranken, die dem unternehmerischen Willen und den Mitarbeitenden den Weg verwehren, errichtet werden. Dies können beispielsweise übergebührliche staatliche Reglementierungen oder Einschränkungen in der Ausübung des Handels sein. Schrumpft das Vermögen oder die Liquidität, wird es ebenfalls eng. Freiheit entsteht in Folge von Unternehmenserfolg. Wachstum ist Ausdruck und Folge der Freiheit. Zu großes Wachstum fordert einen unangemessen hohen Einsatz von Ressourcen und hat die Zerstörung oder Verwachsungen eines unternehmerischen Organismus zur Folge. Freiheit hat auch eine individuelle äußere Entsprechung: die Privatsphäre. In Zeiten der Digitalisierung und der Datenpiraterie hat das Thema an Bedeutung gewonnen. Wir spüren Grenzkonflikte, ohne sie wirklich lokalisieren zu können.
Indikatoren Freiheit: Eigenständigkeit, Eigenverantwortlichkeit, Autonomie, Selbstbestimmung, Gleichheit, Brüderlichkeit, Motivation, Begeisterung, Unternehmenserfolg, Wachstum
GLEICHHEIT
Bekanntlich sind nicht alle Menschen gleich. Jedoch räumen wir in demokratischen Verfassungen allen Bürgern die gleichen Rechte ein. Zunächst klingt dies wie ein Widerspruch in sich. Identität, die exakte Übereinstimmung aller Merkmale, ist Kern einer jeden Person und macht sie zum Individuum. Gleichheit der Einzelnen setzt Gerechtigkeit voraus. Im Rechtsleben ist das grundlegende Gerechtigkeitsideal die Gleichheit vor dem Gesetz.
„Wesentlich Gleiches ist gleich und wesentlich Ungleiches ist ungleich zu behandeln“, betont Aristoteles bereits in seiner Nikomachischen Ethik. Zwischen Gleichberechtigung und Gleichstellung ist zu unterscheiden. Sie darf nicht willkürlich erfolgen und sollte vor allem nachvollziehbar sein. Wurde ein zulässiges Differenzierungskriterium zu Grunde gelegt, mit anderen Worten, darf die Ungleichbehandlung an dieser Unterscheidung festgemacht werden, ist Gerechtigkeit manifest. In Deutschland sind in Artikel 3 des Grundgesetzes Differenzierungen durch Attribute wie Geschlecht, Abstammung, Rasse, Sprache, Heimat, Herkunft, Glauben, religiöse und politische Anschauungen nicht rechtens. Wegen einer Behinderung darf niemand benachteiligt werden. Im Begriff der Gleichberechtigung treffen Gleichheit und Recht zusammen. Wir entwickeln ein ausgeprägtes Gerechtigkeitsgefühl, sobald wir die Gleichheit oder Äquivalenz von Vorgängen oder Status in einem Unternehmen beobachten und beurteilen. Die hart erkämpften Rechte der Arbeiter, vornehmlich durch die Gewerkschaften im vergangenen Jahrhundert, sind ein gutes Beispiel dafür. „Das Gleiche lässt uns in Ruhe, aber der Widerspruch ist es, der uns produktiv macht.“ 5 Im Umkehrschluss führt die Bemühung, Gleichberechtigung in einem Unternehmen zu etablieren, zu einem guten Betriebsklima. Zu den schwierigen Übungen zählen Arbeitsteilung, Einkommensverteilung, Sicherheit des Arbeitsplatzes und die Gesundheit der Mitarbeitenden. Freude, Motivation und Kreativität hängen ganz maßgeblich von den Bedingungen ab, die um eine Herstellung von Gleichheit ringen. Dies kann nicht bedeuten, dass um jeden Preis alle bei allem gleichbehandelt werden.
Indikatoren für Gleichheit: Identität, Gerechtigkeit, Gleichberechtigung, Gleichstellung, Freiheit, Brüderlichkeit, Äquivalenz, Betriebsklima, Freude, Motivation, Kreativität
HUMANITÄT
Zur Menschlichkeit zählen Güte, Nächstenliebe, Hilfsbereitschaft und Mitgefühl. Würde ist eine Grundvoraussetzung der Humanität. Sie ist ein reichhaltiger Wert. Die UN-Charta der Menschenrechte und die UN-Nachhaltigkeitsziele haben viel zur Anreicherung des Wertes Humanität beigetragen. Mit der Humanität ist ebenfalls die Andersartigkeit verbunden. Völkerverständigung gelingt nicht ohne das Versprechen für die Menschlichkeit. Dies ist sowohl Seins-Zustand und Handlungsmaxime als auch mit der Schwäche zu Verfehlungen verbunden. Die Moralvorstellungen über das Wesen der Humanität gehen in den verschiedenen Ländern der Welt weit auseinander.
In den Wirren der Französischen Revolution waren Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit Parolen der Anführer der Revolution. Heute bezeichnen wir die Brüderlichkeit als Geschwisterlichkeit oder Mitmenschlichkeit. Johann Gottfried Herder darf mit Recht durch seine „Briefe zur Beförderung der Humanität“ als Kämpfer für die Menschlichkeit angesehen werden. Zu seiner Zeit wandte er sich gegen den feudalen Soldatenhandel und die Sklaverei in Amerika. Ethisch formuliert, ist die Nächstenliebe die Grundlage der Mitmenschlichkeit. „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen sich zueinander im Geiste der Brüderlichkeit begegnen.“ 6
So wurde es nach den Erfahrungen zweier Weltkriege im ersten Artikel der UNCharta festgeschrieben. Geschwisterlichkeit beginnt mit einer damit verbundenen
Haltung und führt im besten Falle zu angemessenen sozialen Taten. Die Brüderlichkeit taucht ebenfalls in der dritten Strophe des Liedes der Deutschen als deutsche Nationalhymne 7 auf. Geschwisterlichkeit übt der Mensch im Teilen und Wirtschaften. Das Allgemeinwohl der Menschen beginnt mit der Bereitschaft, für den anderen zu arbeiten. Je mehr er sich einsetzt, desto größer wird das Wohl der Gemeinschaft und Gesellschaft. Das Ideal der sozialen Marktwirtschaft ist auf diesem Fundament gebaut. In der Wertebilanz stellt sich Humanität zum Beispiel in Aufwendungen für Unternehmensklima, Diversität, Einsatz für Entwicklungshilfe, Arbeitsschutz, Flüchtlingsintegration und vielem anderen dar. Hier entstehen in der Regel eher Aufwände. Interessant ist es allerdings, diese Ziele in der GuV im Kontenrahmen abzubilden und differenziert darzustellen.
Indikatoren Humanität: Gleichheit, Güte, Nächstenliebe, Hilfsbereitschaft, Mitgefühl, Geschwisterlichkeit, Mitmenschlichkeit, Andersartigkeit, Freiheit, Allgemeinwohl, Teilen
WEISHEIT
Die Weisheit oder Sophia, aus dem Griechischen stammend, hat viele Facetten: Irdische und kosmische Weisheit oder die Liebe. Neben die universale, kosmische Weisheit stellt sich die Lebensweisheit. Das Streben nach ihr ist für den sich entwickelnden Menschen von großem Wert. Weisheit beschränkt den Menschen nicht auf die rein physischen Verhältnisse. Die geistige Welt oder das Geistige wird als Bestandteil der Wirklichkeit gesehen. Das menschliche Denken ist das Bindeglied und Erkenntnisorgan. So fasst die Weisheit auch Erfahrung, Praxis und Wissen in sich zusammen. Weisheit und Wissen sind ein starkes Paar, jedoch qualitativ unterschiedlich. Sie stehen in einer sich wechselseitig bedingenden Beziehung. Weisheit hat Ewigkeitscharakter, Wissen ist an die Zeit gebunden. Ernst Friedrich Schuhmacher beschreibt zwei Formen: Das instrumentelle sowie das verstehende Wissen. Ersteres ist Resultat unserer Wissenschaftsgesellschaft mit naturwissenschaftlichem Einfluss. Das verstehende Wissen gereicht zur Weisheit des Menschen. Das Erkennen oder Einsehen von Weisheit schützt mehr vor Missbrauch, als es das andere Wissen vermag. Wer erkennen will, der erkennt. Instrumentelles Wissen ist mathematisierbar und materialisiert sich rasch. Daher weckt es Begehrlichkeiten.8 Die Liebe zur Weisheit ist die Philosophie. Weisheit in unternehmerischen Entscheidungen benötigt Weitsicht, Klugheit und Besonnenheit. Entwicklungen finden auf der Grundlage von gewonnenen Erkenntnissen statt, vor allem die geistige Entwicklung des Menschen. Menschliche Ressourcen werden maßgeblich von den Früchten der Weisheit und des Wissens gebildet: Bildung oder besser Menschenbildung, Wissenschaft und Wissen. Revolution und Evolution stehen einander gegenüber, sie bilden zwei Seiten einer Medaille.
Disruptive oder organische Veränderungen