IM FADENKREUZ. Robert Blake Whitehill

IM FADENKREUZ - Robert Blake Whitehill


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Informationsbeauftragten und Pressesprecher des LAPD dazu bringen, Spekulationen zu Protokoll zu geben. Sie waren Profis und konnten die kleine Sammlung von Fakten auf zehn verschiedene Arten aufsagen, ohne neuen Aufschluss zu geben. Die sprechenden Köpfe waren offensichtlich zwiegespalten, ob sie die Behörden wegen dieses Mangels an Details zur Rede stellen oder sie aufmuntern sollten, um ihre Story auszudehnen. Die Reporter wollten keine Zuschauer an Langeweile verlieren, aber sie wollten auch den vollen Schockeffekt der Story nicht vor ihrem natürlichen Ende auf den Tisch legen. Die meisten der Journalisten vor der Kamera gaben sich damit zufrieden, die nächste Pressekonferenz aufzubauschen, womit sie die Last, die Geschichte fortzuführen, gerne den Behörden auferlegten.

      Das Telefon auf dem Tisch zwitscherte erneut. Ben nahm ab. Tom sagte: »Hey, ich bin's. Wir sind nahe dran. Also machen Sie sich bereit, sich bereitzumachen.«

      Ben schloss seine Augen und massierte seine Nasenwurzel. Tom fragte: »Haben Sie Kopfschmerzen? Da sind Aspirin und Ibuprofen im Badezimmer.«

      Natürlich gab es eine versteckte Kamera im Raum. Ben hätte damit rechnen sollen und ging schnell die vergangenen Stunden durch, ob er seinen Aufpasser mit irgendwelchem eigenartigen Verhalten amüsiert hatte. In letzter Zeit, nach Monaten der Isolation, hatte er festgestellt, dass er zu Selbstgesprächen neigte. Es gab nichts, was er deswegen unternehmen konnte.

      Ben sagte: »Nein, keine Kopfschmerzen. Von wie lange reden wir hier?«

      »Tut mir leid, ich kann's nicht genau sagen. Aber es wird langsam dunkel, also darf ich wohl vorschlagen, ohne speziellen Grund natürlich, dass Sie sich von den Wasserflaschen fernhalten und unbedingt das Badezimmer benutzen.« Die Verbindung wurde beendet.

      Ohne speziellen Grund folgte Ben Toms Anweisungen. Danach sammelte er das Ibuprofen und das Aspirin ein, nur für alle Fälle. Anstelle von Plastikdöschen gab es zwei Blisterstreifen von jedem im Medizinschränkchen des Badezimmers, was gut war, weil sie so nicht wie Maracas in seinen Taschen rasseln würden. Er steckte außerdem ein Sandwich in jede Jackentasche, gemeinsam mit zwei Packungen Erdnuss-M&Ms. Er würde bald irgendwo hingehen.

      Zwei Stunden später war Ben kein bisschen schlauer, was den Mord an der Sängerin anging. Vielleicht hatte es neue Entwicklungen gegeben, aber er hatte den Fernseher abgeschaltet, teilweise aus Frustration über den Mangel an Bewegung in der Story, aber hauptsächlich um ein Nickerchen in einem der Sessel zu machen.

      Er wurde vom schweren Schnappen der internen Türschlösser aus seinem Traum über ein Crab-Cake-Gelage geholt.

      Tom steckte seinen Kopf durch die Tür. »Oh, hi«, sagte er, als wäre er aufrichtig überrascht, Ben dort immer noch vorzufinden. »Wir wären dann bereit für Sie. Sind Sie, Sie wissen schon… ein letztes Mal?«

      Ben sagte: »Keine Kamera in der Latrine? Eine Minute.« Kurz darauf folgte Ben Tom aus dem Wartezimmer.

      Nach einem umständlichen Weg durch ein Labyrinth aus Fluren und zwei weiteren Sicherheitsschleusen blieb Tom vor einer Metalltür stehen. Er wandte sich Ben zu und sagte: »Was würde ich geben, um zu tun, was Sie gleich tun werden. Aber Sie dürfen mit niemandem darüber sprechen. Falls Sie das tun, wäre das ein Verstoß gegen die nationale Sicherheit und Sie werden …«

      »Ich werde gar nichts«, unterbrach Ben. »Du hast keine Ahnung, wer ich bin, und du wirst mich nie wiedersehen. Und falls du jemals jemandem meine Beschreibung gibst, ist das ein Verstoß gegen meine persönliche Sicherheit und ich weiß, wo du arbeitest, ich kenne deinen Namen und ein Hangar ist kein guter Platz, um sich zu verstecken. Verstanden?«

      Der Junge wurde blass, fing sich aber wie ein Idiot. »Ach ja? Tom ist gar nicht mein richtiger Name.«

      »Ach, sag bloß.«

      Der Junge fischte einen Ausweis, der an einem Schlüsselband um seinen Hals hing, aus seinem Kragen und zog ihn durch das Schloss neben der Tür. Als die Karte den magnetischen Kartenleser verließ, passierten zwei Dinge. Das Türschloss schnappte auf und Ben schnappte sich die Karte in Toms Hand, wobei er hart am Schlüsselband zerrte und am Hals seines Trägers noch dazu.

      Ben las die Karte laut und deutlich vor. »Tach auch, Winstedt, Samuel J.«

      Winstedt alias Tom würgte ein leises »Scheiße« hervor.

      »Also, Sam, verstehen wir uns, du und ich?«, fragte Ben.

      »Ich schätze schon.«

      Ben versuchte, ernst zu klingen, klang am Ende aber nur genervt. »Ernsthaft, Junge, kennst du meinen Namen oder weißt du, wie ich aussehe?«

      »Ich habe keine Ahnung, ich schwöre.«

      »Guter Junge. Gehen wir.« Ben ließ die Karte los.

      Winstedt richtete sich auf und rieb seinen Nacken, wo das Schlüsselband einen roten Streifen hinterlassen hatte. Entmutigt öffnete er die Tür und Ben folgte ihm in die gewaltige Flugzeughalle.

      Die Halle wurde von Deckenlampen in einem Maße beleuchtet, das Tageslicht übertraf, und deren Leuchtkraft eher eines OP-Saals angemessen war. Zu jeder Stunde konnte hier Wartung an militärischen High-Tech-Fluggeräten mit chirurgischer Präzision durchgeführt werden. Ben fiel auf, dass die Werkzeuge alle verstaut waren. Es lagen keine LRUs, modulare Flugzeugelektronik, herum. Alles sauber, ordentlich und einsatzfähig. Niemand hier außer Winstedt und ihm selbst und ihre Schritte hallten unter dem leichten Surren der Lampen.

      Es gab nur ein einziges Flugzeug im gesamten Hangar. Ein Northrop Grumman RQ-4 Global Hawk UAV. Ein unbemanntes Luftfahrzeug. Die meisten Menschen nannten sie Drohnen oder, fälschlicherweise, Predators, was die bewaffnete Variante war.

      Nun war Ben an der Reihe, »Scheiße« zu murmeln. Der Anblick des Flugzeugs ließ ihn erschauern und überspülte ihn mit unschönen Erinnerungen.

      Sam Winstedt verstand ihn falsch und sagte: »Ich weiß. Großartig, oder nicht?«

      Der Global Hawk war ein hochfliegendes Langstrecken-Aufklärungsflugzeug mit langen, schmalen Verbundtragflächen, geformt wie die einer alten U-2 und mit einer Spannweite von fünfunddreißig Metern. Ben wusste, ein Rolls-Royce Mantelstromtriebwerk mit einem Schub von zweiunddreißig Kilonewton konnte das Fluggerät auf eine Reisegeschwindigkeit von dreihundertfünfzig Knoten bringen, bei einer Dienstgipfelhöhe von fünfundsechzigtausend Fuß. Beeindruckende Daten, wenn der Vogel richtig funktionierte.

      Winstedt lächelte Ben an. »Wissen Sie, was das ist? Schon mal eine gesehen?«

      »Ich hab gesehen, wie ein paar davon ohne beschissenen Grund aus dem Himmel gefallen sind. Musste für die Wracks hinter feindlichen Linien in der Wüste den Babysitter spielen, bis die Transport-Helis und deine Spitzelbrüder kamen, um sie zu bergen. War das ein Spaß.«

      Winstedt verteidigte das Flugzeug, als wäre es seine Liebste. »Die waren aus der ersten Produktionsreihe! Das waren praktisch Prototypen, Gott noch mal. Die hatten da draußen nichts zu suchen, bevor sie vollständig getestet und ausgewertet waren, aber sie wurden nun mal dringend gebraucht.«

      Ben fragte: »Winnie, warum bin ich hier?«

      »Hab ich schon gesagt, ich habe keine Ahnung, warum oder sogar wer Sie sind. Aber wir haben den ganzen Tag damit verbracht, große Teile der integrierten Sensoreinheit, des Überwachungspakets, auszubauen, weil jemand mit einer Menge Einfluss das befohlen hat. Für Sie.«

      Ben zögerte zu fragen: »Was habt ihr dafür eingebaut?«

      »Das PTM.«

      »Deutsch, Winnie.«

      »Personal-Transport-Modul.«

      »Personaltransport. In dem Ding? Ich?«

      Winstedt geriet ins Schwärmen und begann, schneller auf das Flugzeug zuzulaufen. »Ich habe drin gesessen und es ist wirklich bequem. Der Sitz ist von Oregon Aero. So weich, wie's nur geht. Es gibt ein Leselicht und ein SiriusXM-Radio sowie ein volles Komm-Paket nach Militärstandard. Airconditioning und Heizung. Das lenkbare Gesamtrettungssystem stößt einen großen Fallschirm in zwei Sekunden aus im unwahrscheinlichen Fall, dass etwas schiefläuft, zum Beispiel, wenn


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