Seawalkers (5). Filmstars unter Wasser. Katja Brandis
die die Welt zerstören und alle Meere trockenlegen will!«
Sehr überzeugend wirkte das nicht, weil Juna klein und schmal war und mit ihren schulterlangen dunkelblonden Haaren mit ordentlichem Mittelscheitel ein bisschen brav aussah. Jasper rutschte vor Lachen fast unter den Tisch. »Meinste wirklich? Und du schwimmst dann in einem Eimer rum oder was?«
»Genau das muss sie, weil ich als Seawalker-Agentin sie nämlich stoppen werde«, verkündete Sharis sonst eher schüchterne beste Freundin Blue und versuchte, einen stahlharten Blick aufzusetzen. Jasper quiekte vor Vergnügen.
»Cut! Das reicht schon«, unterbrach uns Noah und wir beugten uns gespannt über sein Handy, um die Aufnahme zu überprüfen.
Sie war beschissen. Obwohl Noahs Handy ziemlich neu war, verstand man durch die Hintergrundgeräusche in der Cafeteria nur die Hälfte des Dialogs, außerdem schwankte das Bild und war überbelichtet. Sah nicht wirklich nach Kinoqualität aus. Außer für jemanden, der noch nie im Kino gewesen war. Shari und Blue staunten den Film an wie das achte Weltwunder.
»Hey, siehst du das? Das bin ich als Agentin«, flüsterte Blue stolz ihrer besten Freundin zu.
Chris dagegen wirkte ernüchtert, er schob Noahs Gerät beiseite und blickte in die Runde. »Okay, Leute. Eins ist klar – wir brauchen eine echte Kamera.«
»Gerade fällt mir was ein«, meinte Juna. »Barry hat sich neulich eine gekauft – einen wasserdichten Camcorder.« Verblüfft blickten wir sie an.
Ausgerechnet Barry, unser Barrakuda. Na toll. Er war neben Toco und Ella eine der übelsten Gestalten hier an der Schule, obwohl es ihn ein bisschen milder gemacht hatte, dass er nun mit Carmen, unserem Hammerhaimädchen, zusammen war.
Doch bevor wir darauf reagieren konnten, stürmte Mara – in zweiter Gestalt Seekuh – durch den Cafeteria-Eingang, der zum Strand führte. Sie hatte es so eilig, dass ihr massiger Körper im knietief gefluteten Raum eine Bugwelle hatte. »He, Leute! Ralph hat draußen am Riff was gefunden! Schnell, kommt schauen …«
Wir ließen unsere fast leeren Teller stehen und folgten ihr eilig nach draußen.
Höchst verdächtig
Als wir, vor Neugier fast platzend, am Strandabschnitt hinter dem Bootshaus ankamen, scharten sich schon einige Erst- und Zweitjahresschüler um etwas, das am Strand lag. Finny, Shari und ich reckten den Hals, um herauszufinden, was es war – irgendein seltsames Geschöpf aus der Tiefsee vielleicht oder ein interessantes Trümmerstück, das beim Hurrikan ins Meer hinausgerissen und nun wieder ausgespuckt worden war?
Nein, es war eine Maschine.
Endcool, oder? Das Ding hat am Riff festgehangen, berichtete Ralph stolz. Er flösselte noch immer in seiner Gestalt als Schwarzspitzen-Riffhai durchs Wasser. Weil der Akku schon ziemlich schwach war und es nicht so richtig weiterkam, habe ich es Richtung Strand geschubst, bis es hier gestrandet ist.
»Sag mal, ist das … ein Torpedo?«, fragte Vincent, ein dünner blasser Junge, dessen zweite Gestalt ein Moskito war.
Ungefähr gleichzeitig fiel uns ein, dass Torpedos die schlechte Angewohnheit hatten zu explodieren. Schließlich wurden sie von U-Booten dazu benutzt, Schiffe zu versenken. Wir alle wichen ein paar Meter zurück.
»Bist du irre, dass du das Ding hierher mitgebracht hast?«, beschwerte sich Ella. »Willst du, dass die ganze Schule in die Luft fliegt?«
Seid ihr krass blöd oder was? Ralph wirkte ein bisschen beleidigt. Das Ding hat ein Bullauge vorne, wozu würde ein Torpedo denn so was brauchen?
»Ich glaube auch nicht, dass es eine Waffe ist«, wandte Izzy ein, ein grünäugiges Mädchen aus Kalifornien, das sich in einen fliegenden Fisch verwandeln konnte. Wie üblich trug sie bequeme Klamotten, die aussahen, als wäre eine Farbfabrik explodiert. »Wenn bei einem Torpedo der Motor ausfällt, sinkt er auf den Meeresgrund und bleibt da liegen. Hab ich mal gelesen.«
Ich betrachtete Ralphs Fund, so gut es aus dem Sicherheitsabstand ging. Es war ein Zylinder aus grauem Metall, fast so lang wie ein kleiner Mensch und am einen Ende bestückt mit einer Schiffsschraube und einem Ruder, mit dem es in alle Richtungen steuern konnte. Am anderen Ende hatte es tatsächlich ein rundes Fensterchen aus einem durchsichtigen Material – wahrscheinlich Plexiglas.
»Also, ich finde, es sieht aus wie ein kleines U-Boot«, verkündete Shari, die sich nach unserem Tieftauchversuch einige Dokus zum Thema reingezogen hatte.
Ich nickte und hatte allmählich eine Vermutung, was wir da vor uns hatten. »Stimmt, irgendwie sieht es so aus.«
Die große, dünne Leonora – in zweiter Gestalt ein Zitteraal – grinste. »Soll ich ihm einen Elektroschock verpassen? Vielleicht erwacht es dann wieder zum Leben.« Sie streckte den Fuß aus, um das Ding anzustupsen, doch ich hielt sie zurück. »Besser nicht. Das muss sich die Polizei anschauen.«
»Die Polizei?« Shari blickte mich fragend an, so wie einige andere aus meiner Klasse. »Aber es ist keine Wasserleiche oder so was.«
Olivia, in zweiter Gestalt ein Doktorfisch, zuckte die Achseln. »Wirklich gefährlich sieht es auch nicht aus. Besser, Ralph ruft im Fundbüro an.«
Offenbar waren die anderen deutlich behüteter aufgewachsen als ich. Gerade wollte ich ihnen erklären, warum das Fundbüro in diesem Fall eine maximal schlechte Idee war, da knirschten Schritte auf dem Sand. Drei unserer Lehrer drängten sich durch die Menge – Mr Clearwater, Miss White und Mr García.
»Schöne Bescherung«, sagte Jack Clearwater, der anscheinend die gleiche Vermutung hatte wie ich. »Ich rufe die Cops an.«
Miss White drängte Toco zurück, der sich neben das seltsame U-Boot gekniet hatte und die Hand danach ausstreckte. »Stopp! Fass das bloß nicht an! Wahrscheinlich haben Kriminelle damit versucht, Drogen aus Südamerika in die USA zu schmuggeln.«
»Glaube ich auch«, meinte Mr García. »In letzter Zeit hat die Küstenwache besonders viel patrouilliert und einige Schnellboote abgefangen, die nachts versucht haben, mit einer Drogenlieferung nach Florida zu kommen. Flugzeuge mit heißer Ware kommen auch immer seltener durch. Anscheinend suchen die Schmuggler nun nach neuen Methoden.«
»Oh.« Mara – als Mensch ein rundliches Mädchen mit langem Blondhaar, in zweiter Gestalt Seekuh – blickte betroffen drein. »Vielleicht hättest du das Ding besser dort gelassen, wo es war, Ralph.«
Ralph sah so aus, als hätte er als Hai zu viel Gammelfleisch gefressen.
An Unterricht war vorerst nicht zu denken. Mr Clearwater improvisierte eine Menschenkundelektion, um allen Schülern, die als Tier aufgewachsen waren, zu erklären, dass heiße Ware nicht deswegen so hieß, weil man sie in einer Pfanne zubereitete. Unsere Pantherin Noemi konnte sich noch nicht so gut verwandeln und musste aufs Dach außer Sicht, aber wir anderen durften am Strand bleiben, bis die Polizei aus Key Largo angerückt war und das U-Boot untersucht hatte.
»Ah, noch eins dieser Dinger.« Einer der Cops, ein kräftiger schwarzer Patrol Officer, kniete sich auf den Sand und schraubte eine Klappe an der metallenen Torpedo-Oberseite auf – daraus kamen braune, quadratische Pakete zum Vorschein. Sie waren dick mit Folie und Klebeband umwickelt, wahrscheinlich damit sie wasserdicht waren. »Vermutlich Kokain. Da wird sich jemand ärgern, schätze ich.«
Oje. Für meinen Geschmack hatte ich in den letzten Monaten deutlich zu viel mit Kriminellen zu tun gehabt. Immerhin hatten wir einige von ihnen – die gedacht hatten, sie könnten Giftmüll in der Natur entsorgen – zur Strecke gebracht und jetzt war mit Carl Bittergreen einer der größten Verbrecher auf dem Weg in den Knast. Aber die kriminellen Geschäfte liefen weiter, das war deprimierend.
Die kleinere, langhaarige Kollegin des Officers versuchte, irgendwelche Spuren oder Fingerabdrücke von dem Mini-U-Boot zu sichern.