Geständnis mit Folgen. Ursula Schmid-Spreer
Laptop Ihres Mannes mit.« Belu zog einen Quittungsblock aus der Tasche, bescheinigte darauf die Mitnahme des Rechners. Den Durchschlag legte sie auf den Tisch.
»Auf Wiedersehen, Frau Meier. Sollen wir …?« Belu sprach nicht weiter, als sie die abwehrende Haltung Evas wahrnahm. Sie blickte besorgt auf die Frau nieder, die krampfhaft versuchte, den Morgenmantel zusammenzuhalten.
»Nein!«, klang es heftig. »Ich komme zurecht. Gehen Sie jetzt!«
An der Haustür hing ein Stundenplan. »Dienstag, zweite Stunde Sport«, las Belu. Sie fuhr mit dem Zeigefinger die Spalte entlang. »Die zweite Stunde fängt doch dann erst um halb neun Uhr an. Warum war er schon um sieben Uhr in der Schule?«
»Wahrscheinlich musste er noch kopieren oder den Turnsaal herrichten oder er musste noch was vorbereiten, oder, oder«, hielt Klaus dagegen. Nachdenklich zog er die Eingangstür zu. Beide Kommissare wirkten geistesabwesend, als sie zum Smart gingen. Von der Nachbarin war nichts mehr zu sehen. Nur ein Vorhang wackelte verdächtig.
»Du bist so schweigsam, Chefin. Soll ich die Nachbarin jetzt befragen oder später? Die hat bestimmt einiges beobachtet und viel mitbekommen.«
»Später«, kam die knappe Antwort von Belu. »Hast du gesehen, wie viele blaue Flecken Eva Meier an Brust, Hals und Oberschenkel hat? Und die Kratzer an der Hand? Es sieht so aus, als wenn sie geschlagen wurde. Kein Wunder, dass die schon morgens einen Drink braucht, sonst übersteht sie den Tag nicht.«
»Chefin! Martin Meier ist das Mordopfer – wir ermitteln seinen Mörder!« Klaus zog das Wort seinen in die Länge. Belu betätigte die Fernbedienung und Miss Marple öffnete die Türen des Smarts. Klaus bekreuzigte sich und ließ sich in den Sitz hineinplumpsen.
»Und, legen wir wieder einen Kavalierstart hin, liebste Chefin?«
Belu antwortete nicht. Sie fuhr langsam los und ordnete sich diszipliniert in den laufenden Verkehr ein. Klaus wusste, dass dies ein untrügliches Zeichen dafür war, dass Belus Gehirnwindungen auf Hochtouren arbeiteten. Er verkniff sich einen weiteren Kommentar und schwieg lieber. Wenn Belu ihren heißgeliebten Smart mehr trug als fuhr, dann war was im Busch. Aber vorerst wollte Belu ihre Gedanken wohl für sich behalten.
5
Im Kommissariat angekommen, warf Belu zielsicher ihre Jacke an den Haken und ließ sich auf ihren Schreibtischstuhl fallen.
»Klaus, ich bin mir sicher, dass sie verdroschen wurde, so wie sie ausgesehen hat, und dann noch dazu der Alkoholdunst, der sie umwehte; die vielen Flaschen Bier auf dem Tisch, der Kognak, die gut sortierte Bar. Frauen trinken doch eher ein Likörchen, weniger Bier. Ob Meier auch getrunken hat?«
»Tja, seltsam ist das alles. Wie spät ist es?«, fragte Klaus.
»Da oben hängt die Uhr.«
»Hab ich dich gefragt, wo die Uhr hängt?«
»Mensch, Klausi, lass deine Macken!«
»Das sind keine Macken, das sind special effects!«
Klaus hatte seinen preisverdächtigen Dackelblick aufgesetzt. Zumindest hielt er diesen Blick dafür. Treuherzig, mit gespitzten Lippen, sah er Belu an. Es fehlte nur noch, dass er mit den Wimpern klimperte. Bei vielen Frauen wirkte dieser Blick
Belu lachte schallend los. Es sah zu komisch aus. »Du schaffst es doch immer wieder, mich zum Lachen zu bringen. Obwohl mir jetzt wirklich nicht danach zumute ist.«
»Unser Job ist traurig genug. Immer nur Mord und Totschlag, da muss man zwischendurch für ein bisschen Entertainment sorgen.« Klaus lächelte breit.
»Das erste Bild, das ich von Meier gewonnen habe, ist das eines Schlägers und Zynikers. Die Sekretärin, die Schüler, auch die Kollegen haben mir diesen Eindruck vermittelt. Und ich bin mir sicher, dass Eva Meier laufend gegen Schränke rennt oder einfach ungeschickt Treppen herunterfällt.« Belu nahm die Arme nach oben und verschränkte sie hinter dem Kopf.
»Das würde auch die Sonnenbrille erklären, die sie laut Aussage der Nachbarin trägt. Aber mal was anderes«, sagte Klaus. »Ich habe Hunger. Was hältst du von einer Pizza? Hatten wir mindestens – lass mich rechnen – einen Tag nicht mehr? Meine Fingerchen sind schon am Telefon. Und dann bin ich auch gleich weg. Das Übliche, Chefin?«
Belu nickte. Sie gingen oft ins La Commedia. Obwohl die Pizzeria im Bleiweißviertel der Südstadt war, nahmen sie den Weg gerne auf sich. Der Chef, Herr Figus, wusste, was die beiden gerne mochten. Extra Käse, extra Salami.
In den nächsten dreißig Minuten würde Klaus unterwegs sein. Am Weißen Turm rein in die U-Bahn Richtung Langwasser bis zum Bahnhof. Dann umsteigen und weiter bis zur Schweiggerstraße, ein paar Schritte die Allersberger hoch und dann immer der Nase nach. Belu wusste, dass es nicht nur Pizza holen für Klaus bedeutete. Pizzerias gab es auch in unmittelbarer Nähe des Polizeipräsidiums. Es waren diese kleinen Auszeiten, die er brauchte. Da konnte er abschalten, sein Gehirn leeren.
Während Klaus unterwegs war, legte Belu das Plastiktütchen mit dem Papierschnipsel auf den Schreibtisch.
»Ist das ein Teil einer Telefonnummer?«, sinnierte sie. »Mal sehen.« Sie trat ans Fenster, sah auf den Jakobsplatz hinunter. Wie Ameisen wuselten die Menschen umher. Meist Hausfrauen mit Einkaufstaschen, aber auch wichtig aussehende Männer in Anzügen mit Aktentaschen. Gedankenverloren spielte Belu an ihrem Zopf mit der blauen Schleife. Es war ihr Markenzeichen, immer Ton-in-Ton angezogen zu sein. Auch die Ohrringe hatten die gleiche Farbe wie ihr Outfit. Heute Morgen war ihr nach der Farbe Blau gewesen. Sie schwor auf Farben, beschäftigte sich viel damit. Sie folgte ihrem Gefühl, ihrer Intuition und meist war der Tag dann auch so – blau oder gelb oder sogar rot. Ein Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus, als sie an ihren Kollegen Klaus dachte.
Sie sollte lieber über den Fall Meier nachdenken, aber Klaus schob sich immer wieder in ihre Gedanken.
Es war ein großes Glück gewesen, dass Klaus ihrer Dienststelle zugewiesen wurde, und ein gutes Zeichen, dass er auch Klaus hieß. Ihre Kollegin Pia hatte den Dienst quittiert, sich ganz aus dem Polizeidienst zurückgezogen. Sehr zum Leidwesen ihres Vaters, für den sie diesen Beruf einst ergriffen hatte. Jetzt war sie wohl glücklich, endlich das tun zu können, was sie gerne wollte. Und der andere Kollege, KPM, der auch einen Klaus in seinem Vornamen trug, hatte sich nach Oberbayern versetzen lassen. Belu glaubte nicht an Zufall, als der neue Kollege vor ihr stand, ebenfalls auf den Namen Klaus hörte, seine kinnlangen Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden hatte und eine gewisse Ähnlichkeit mit KPM aufwies. Für den Neuen war Mode ein heikles Thema und ein Fremdwort zugleich. Da kam es schon mal vor, dass er ein grünes Hemd zur blauen Hose trug. Über verschiedenfarbige Socken sah sie schon lange großzügig hinweg. Wie sich herausstellte, war Klaus ein einfühlsamer, sehr guter Ermittler. Bei Verhören setzte er ein Pokerface auf, das unvermittelt hart werden konnte, wenn die Befragung heikel zu werden drohte. Sie waren ein tolles Team, ergänzten sich gut. Und Klaus hatte Humor. Er brachte sie zum Lachen. Belu seufzte. Wie immer am Anfang einer Ermittlung erschien ihr der Berg fast unüberwindbar.
»Ich weiß, ich weiß, du bist oft zu verbissen. Dir fehlt die Leichtigkeit. Aber du kommst immer zum Ziel«, hörte sie sich selbst sagen.
Sie stampfte leicht mit dem Fuß auf, schwang ihren Zopf wie ein Lasso.
»Das würdest du auch gerne können, gell, Klausi? Aber mit den paar Federn, die du Pferdeschwanz nennst, geht das nicht so gut.«
Belu hörte, wie die nahe gelegene Elisabethkirche die halbe Stunde anschlug. »Jetzt müsste er gleich kommen«, sagte sie laut. Im selben Moment drückte er mit dem Ellbogen die Klinke zum Büro hinunter, schlüpfte durch den Spalt und schob mit der Fußspitze die Türe zu. Er balancierte zwei Pizzen in Styroporbehältern, damit sie warm blieben, Servietten, Besteck und eine Salatschüssel in der Hand.
»Wie hast du denn das alles in der U-Bahn transportiert? Wenn es dir bei der Polizei nicht mehr gefallen sollte, hast du gute Chancen, im Zirkus aufzutreten.«
»Das