Rebellen. Uwe Schimunek

Rebellen - Uwe Schimunek


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hast du das Teil zuletzt benutzt?»

      «Was weiß ich!» Bert guckte ihn grimmig an. «Das ist ein Proberaum und soll mal ein Studio für Punk werden! Oder möchte der Herr hier lieber eine Sparkassen-Filiale einrichten?»

      Gery antwortete nicht. Er schaute auf seine Armbanduhr. Wenn er vor seiner Schicht in den Spreeblick-Studios noch mit Debbie über ihre Texte reden wollte, musste er los. «Mach nicht so ’nen Aufstand, Bert», sagte er in versöhnlichem Ton. «Es wäre einfach dufte, wenn der Technikkram seinen festen Platz hätte.»

      Peter Kappe stieg aus seinem Dienstwagen. Der Ford war ihm vor ein paar Monaten zugeteilt worden und nicht gerade klein. Doch zwischen den Mercedes-Limousinen und Porsche-Cabrios am Rand der Ballenstedter Straße in Wilmersdorf wirkte er beinahe schäbig. Kappe trat auf den Fußweg. Weit und breit war kein Mensch zu sehen. Weilten die Bewohner alle bei der Arbeit, oder lebten in diesen riesigen Villen nur so wenige Menschen?

      Wolf Landsberger schlug die Beifahrertür zu und sagte: «Kaum zu glauben, dass der Tote aus dieser Bruchbude einen Bruder in diesem schnieken Viertel hat.»

      «Ist halt der große Bruder», murmelte Kappe, doch auch ihm erschien der Kontrast zwischen dem Kreuzberger Hinterhofstudio und der Wilmersdorfer Villa gewaltig.

      Ein schmiedeeisernes Tor führte zum Vorgarten der Villa. Das Namensschild daneben wies den Hausbewohner als Dr. Buddewitz aus. Kappe betätigte den Klingelknopf. Die Glocke war bis auf die Straße zu hören, allerdings so leise, als käme sie aus einem anderen Universum.

      «Das kann dauern, bei der Hütte», stellte Landsberger fest.

      Kappe merkte, wie er schon nach wenigen Augenblicken ungeduldig wurde. Doch als er an den Anlass ihres Besuches dachte, verzichtete er auf ein Sturmklingeln.

      Kurz darauf summte es, und das Tor sprang auf. Einen Moment später erschien ein Mann in einer Sommerhose und einem kurzärmligen ockerfarbenen Hemd in der Haustür. Er trug eine dieser selbsttönenden Heliomatic-Brillen. Sein Haar wellte sich um mächtige Geheimratsecken.

      Kappe ging den Kiesweg zwischen Blumenrabatten entlang. Er versuchte sich Worte zurechtzulegen. Doch in seinen Gedanken kam er nicht weiter als bis zur Vorstellung.

      Kappe erreichte die vierstufige Freitreppe. «Guten Tag», sagte er. «Ich bin Kriminalkommissar Kappe, und das ist mein Kollege Polizeimeister Landsberger. Sind Sie Herr Doktor Buddewitz?»

      «Der bin ich. Was führt Sie zu mir, Herr Kommissar?»

      «Es betrifft Ihren Bruder.»

      «Reinhard? Hat er etwas angestellt?»

      «Dürfen wir hereinkommen?», fragte Kappe.

      Buddewitz schien einen Augenblick zu überlegen, wies dann aber ins Innere. «Bitte sehr.»

      Im Foyer der Villa leuchteten die Wände und Möbel weiß. Selbst der Sommermantel an der Garderobe strahlte. Lediglich das Parkett und ein mannshoher Gummibaum brachten Farbe in den Raum. Am anderen Ende des Flurs knarzte eine Flügeltür. Im Rahmen erschien eine Frau in einem kurzen geblümten Kleid, das ihre Beine endlos wirken ließ. Ihr Haar hatte sie zu zwei Zöpfen gebunden, weshalb sie an eine brünette Ausgabe von Pippi Langstrumpf erinnerte.

      «Inge, das ist die Polizei. Sie möchte mit uns über meinen Bruder sprechen», erklärte Heinar Buddewitz.

      «Oh!» Die Frau schaute von Buddewitz zu Kappe, dann zu Landsberger und wieder zu Kappe. «Kommen Sie doch in die Stube. Ich kann Ihnen einen Kaffee anbieten.»

      «Vielen Dank», erwiderte Kappe und ging in Richtung Wohnzimmer. Vor der Dame blieb er stehen. Es kam ihm vor, als hätte er Bleigewichte in den Schuhen. «Frau Buddewitz, darf ich annehmen?», fragte er.

      «Entschuldigen Sie bitte!», antwortete der Hausherr an ihrer Stelle. «Darf ich vorstellen? Meine Ehefrau Inge. Wir haben die Polizei nicht oft zu Gast.»

      Kappe nickte nur und trat an Inge Buddewitz vorbei ins Wohnzimmer. Landsberger folgte ihm.

      Die Einrichtung zeugte vom Geschmack der Bewohner. Das Abendlicht drängte durch eine große Fensterfront und fiel auf eine Sitzgruppe in der Mitte des Raums. Imposante Bücherregale mit Prachtausgaben der Klassiker zierten eine Wand. Kappe entdeckte aber auch einige Kriminalromane, ganz am Rand der Bücherreihe stand der Titel Einer will’s gewesen sein vom Berliner Autor -ky. An der Wand gegenüber hing ein übermannshoher impressionistischer Kunstdruck – Monet oder Renoir, vermutete Kappe. Darunter stand auf einer Holzanrichte eine ganze Sammlung erlesener Nordmende-Technik: ein Fernsehgerät, ein Plattenspieler, ein Kassettenrekorder.

      «Setzen Sie sich doch bitte.» Buddewitz wies auf das Sofa.

      Kappe und Landsberger nahmen Platz. Kappe wartete, bis auch Buddewitz und seine Frau auf den Sesseln am Couchtisch saßen. Dann atmete er tief durch. «Frau Buddewitz, Herr Buddewitz, wir sind hier, weil wir Ihnen eine traurige Nachricht überbringen müssen. Herr Reinhard Buddewitz ist verstorben.» Kappes Mund fühlte sich so trocken an wie am Morgen nach einer durchzechten Nacht. Er schaute in die Gesichter des Ehepaares. Frau Buddewitz hatte eine Hand vor den Mund geschlagen und starrte mit aufgerissenen Augen an ihm vorbei. Der Herr des Hauses verharrte regungslos auf dem Sessel. Die Abendsonne spiegelte sich in Buddwitz’ Brille, deshalb sah Kappe seine Augen nicht.

      «Ihr Bruder ist vermutlich an einem Stromschlag verstorben, Herr Buddewitz», erklärte Landsberger. «Den genauen Hergang ermitteln wir gerade. Daher haben wir einige Fragen an Sie. Wenn Sie sich jetzt nicht in der Lage für ein Gespräch fühlen, können wir aber auch später reden.»

      «Nein, nein.» Buddewitz sprach so leise, dass Kappe ihn kaum verstand. «Fragen Sie nur.»

      «Also gut.» Landsberger zückte sein Notizbuch. «Können Sie uns zunächst bitte sagen, wie Ihr Verhältnis zu Ihrem Bruder war?»

      «Natürlich. Wir waren die Letzten der Familie. Deswegen haben wir versucht, den Kontakt nicht abreißen zu lassen. Alle vierzehn Tage kam mein Bruder am Sonntag zu uns, und wir haben gemeinsam zu Mittag gegessen.» Buddewitz blickte zu seiner Frau. Diese nickte zur Bestätigung, sagte aber nichts.

      «Gibt es jemanden, den wir noch informieren sollten, eine Partnerin oder Ähnliches?», fragte Kappe.

      «Nicht, dass ich wüsste.»

      «Könnten Sie uns näher erläutern, was Ihr Bruder in letzter Zeit beruflich getan hat?», fuhr Kappe fort.

      «Er war selbstständig und hat als Tontechniker gearbeitet.»

      «War er erfolgreich damit?»

      «Ich glaube, er genoss einen guten Ruf in seinen Kreisen. Er hatte regelmäßig Aufträge im Konzerthaus ‹B-Rock›. Das ist wahrlich nicht meine Musik, aber sie hat ihr Publikum. Manchmal hat er uns Freikarten angeboten, und gelegentlich haben wir davon sogar Gebrauch gemacht.»

      «Es ist nur …» Kappe suchte nach den passenden Worten. Er wies auf die Einrichtung im Wohnzimmer. «Seine Bleibe wirkt im Verhältnis zu Ihrem Haus etwas … schlicht.»

      «Ach, wissen Sie …», Buddewitz klang so, als ob er über dieses Thema schon Hunderte Male gesprochen hätte, «… mein Bruder hatte andere Prioritäten. Er wollte unbedingt ein eigenes Studio haben. Deswegen hat er diese Hinterhofbaracke in Kreuzberg gemietet. Und das ganze Zeug darin hat er gekauft. Sie glauben ja nicht, was alleine sein Mischpult gekostet hat! Nein, nein, soweit ich das einschätzen kann, war Reinhard nicht arm im eigentlichen Sinne.»

      «In welchem dann?», fragte Landsberger.

      «Nun, seine im Grunde nicht allzu knappen Einnahmen reichten nicht für die enorm teure Musiktechnik, auf die er Wert legte. Dafür hätte wohl kein Geld der Welt genügt.»

      Kappe dachte an die vielen Gerätschaften, die in der Behausung des Toten zum Teil offen neben dem Mischpult herumstanden. «Letztlich ist ihm diese Technik wohl zum Verhängnis geworden. Möglicherweise hat ihn der Stromschlag bei der Arbeit mit einem defekten Apparat getroffen.»

      «Niemals!», rief Frau


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