Spuren aus Nazareth: Jeshua. Heinz-Ullrich Schirrmacher
das Römische Reich verfügte Volkszählung, noch der vom König Herodes veranlasste Kindesmord in Bereich Bethlehem lässt sich außerhalb der Bibel belegen. Genauso wenig lässt sich Jesu Wirken von Zeitgenossen außerhalb der Bibel geschichtlich belegen, auch nicht seine Geburt noch sein Tod. Wahrscheinlich hat die damalige Geschichtsschreibung ihn, trotz seiner biblisch beschriebenen spektakulären Auftritte, nicht wahrgenommen. In dem Zusammenhang sei verwiesen auf den Geschichtsschreiber Flavius Josephus, der kurz nach Jesu Tod geboren wurde und die Geschichte des jüdischen Volkes, vor allem die Aufstände gegen die Römer, detailliert beschrieben hat.
Zu der Zeit siedelten übrigens im im Gebiet der Weichsel im heutigen Polen die Goten und östlich davon die Langobarden und die Vandalen. In Niedersachsen und Bremen lebten in der Zeit die Chauken. Ab und zu stießen Erkundungstrupps der Römer in diese Gegenden vor und trieben mit den „Barbaren“ regen Handel.
Jesu Kindheit und Familie
Auf alle Fälle dürfte Jesus in Nazareth seine Kindheit und Jugend verbracht haben. Als ganz normales Kind lebte er dort zusammen mit seinen Geschwistern. Stutzig macht es, dass er nicht Jesus von Bethlehem hieß sondern von Nazaret. Die Geburtsbeziehung zu Bethlehem ist wohl in enger Verbindung mit der altestamentlichen Prophezeihung zu sehen, dass der Messias aus Bethlehem kommen würde. Im Evangelium nach Lukas wird seine Beschneidung nach jüdischem Ritual (bis zum 8. Tag nach der Geburt) einhergehend mit der Namensgebung erwähnt.
Sodann erfolgt im „offiziellen“ Neuen Testament ein Zeitsprung von 12 Jahren und Jesus tritt bei Lukas erst wieder als 12-jähriger Heranwachsender im Tempel in Erscheinung.
Wenden wir uns einmal im Hinblick auf weitere Kindheitserlebnisse dem Kindheitsevangelium des Thomas zu, in welchem sehr ausführlich Begebenheiten um Jesu während seiner Kindheit beschrieben werden. Dieses Evangelium, obwohl auch uralt, wurde der Bibel, so, wie sie offiziell im Gebrauch ist, nicht hinzugefügt sondern zählt zu den apokryphen Schriften zur Bibel. An anderer Stelle komme ich noch dazu, zu problematisieren, unter welchen Vorzeichen die Bibel, so, wie wir sie heute zur Verfügung haben, überhaupt entstanden ist. Es bedarf schon eines starken Glaubens, die im Thomasevangelium geschilderten Kindheitsgeschichten um Jesus herum zu verinnerlichen. Der Verfasser der Geschichten hatte wohl in der Absicht gehandelt, Jesu Kindheit besonders herauszuheben, um ihm schon eine gewisse Göttlichkeit zu verleihen, weil andere Quellen nicht ausreichend zur Verfügung standen.
Das Jakobusevangelium unternimmt dagegen den Versuch, auch Jesu Eltern durch allerlei Geschichten in einen besonderen Stand zu versetzen und zwar erst viele Jahre nach deren Ableben, etwa Mitte des 2. Jahrhunderts. Der Verfasser des Jakobusevangeliums war wohl der Auffassung, für die Aufwertung der Eltern Jesu einen Beitrag leisten zu müssen. Wenn denn Jesus für die Christen so wichtig geworden ist, müsse das irgendwie auch wohl für seine Eltern gelten. Die heute gängige Marienverehrung hat es in der ersten Zeit noch nicht gegeben. Übrigens, der Verfasser des Jokobusevangeliums ist nicht identisch mit dem „Bruder des Herrn“, Jakobus, dem späteren Leiter der Urgemeinde zu Jerusalem.
Die apokryphischen Wundergeschichten würden die Menschen, neben dem Glauben an die Wundergeschichten der kanonischen Evangelien wohl gänzlich überfordern. Wahrscheinlich auch ein Grund dafür, sie nicht zu Bibel zu rechnen.
Vermutlich wurde bei Beginn des in römischer Zeit „gesetzlich verordneten Christentums“ mit der Entscheidung, welche Schriften zur offiziellen Bibel gehören sollen, damals darauf wohl Rücksicht genommen, die Liste der Widersprüchlichkeiten und Ungereimtheiten im gesamten biblischen Schriftwerk nicht noch weiter auszudehnen und die Erwartungen an die Gläubigen nicht zu überziehen. Nach welcher Logik die „offizielle Bibel“ im vierten Jahrhundert zusammengefügt wurde, erschließt sich dem nüchternen Betrachter aber nicht. Dazu komme ich an anderer Stelle noch ausführlicher.
Wahrscheinlich lebten Jesu Eltern mit ihren Kindern sehr bescheiden und ärmlich in Nazareth und sprachen aramäisch. Ob sie überhaupt lesen und schreiben konnten, ist zu bezweifeln. Josef arbeitete als Bauhandwerker, sein Sohn Jesus möglicherweise auch. Als die berühmte Varusschlacht am Teutoburger Wald – Arminius der Cherusker führte die germanischen Stämme an – mit einer vernichtenden Niederlage für die Römer unter ihrem Heerführer Publius Quinctilius Varus statt fand, war Jesu jedenfalls schon geboren und befand sich in der Kleinkindentwicklung oder Pubertät.
Jesu aramäischer Name lautet Jeshua ben Josef, also Jesus, der Sohn Josefs.
Abstammung und Prophetie
Sowohl im Matthäusevangelium als auch im Lukasevangelium wird der Versuch unternommen, in zwei unterschiedlichen Stammbäumen Jesus ein königliches Geschlecht aus davidischer Abstammung zu unterstellen. Ein Versuch, auf diese Weise die Jesaja Voraussage, dass der Messias als Nachkomme des legendären Königs David auftreten würde, zu untermauern. Die Auflistung der Namen wird allgemein unter Fachkundigen nicht als Grundlage für Jesu Abstammung angesehen. Selbst dem Laien fällt schon die Unterschiedlichkeit bei der Auflistung der beiden in den Evangelien aufgeführten Stammbäume auf.
Im Zusammenhang mit der Prophetie nach Micha steht – wie erwähnt – auch der Geburtsort Bethlehem. Kaiser Konstantin der I. hat veranlasst, direkt über die seinerzeit verehrte Geburtsgrotte in Bethlehem, die bis heute erhaltene Geburtskirche errichten zu lassen. Der dazu ergangene Befehl hat mit Sicherheit mehr damit zu tun, sich als Kaiser in seinem Größenwahn auch in dieser Hinsicht ein Denkmal zu setzen. In der Fachwelt bestehen jedenfalls hinsichtlich Jesus Geburtsbeziehung zu Bethlehem ernsthafte Zweifel.
Wahrscheinlich wird Jesus auch zeitweise in Kapernaum am See Genezareth gewohnt haben. Dazu gibt es in den Evangelien einige Hinweise. Der nüchterne Leser der Texte kann sich jedenfalls bezüglich der völlig voneinander abweichenden Stammbäume und des Geburtsortes Bethlehem des Eindruckes nicht erwehren, dass hier die Prophetie „stimmig gemacht“ worden ist. Auch wenn Jesus eben nicht aus der Nachkommenschaft des legendären Königs David stammen sollte, hätte er ja durchaus der Messias der Christen sein können. Dann hätte an der Stelle die Prophetie eben nicht „gepasst“. Übrigens, beide Stammbäume gehen davon aus, dass Josef auch der leibliche Vater Jesu war. Wenn Josef Jesu leiblicher Vater war, konnte er aber gleichzeitig nicht Gottessohn sein.
Paulus selbst ging davon aus, dass Jesus ganz natürlich gezeugt worden ist. Römer 1, Vers 3 kann ich mir jedenfalls nicht anders erklären. Die Jungfrauengeburt ist erst später entstanden. Im Alten Testament gibt es ähnliche Geschichten, nach denen Gott selbst bei der Zeugung eingegriffen haben soll. Das macht die Angelegenheit irgendwie auch verdächtig. Die griechische Mythologie ist voll von solchen Verbindungen zwischen den Göttern und den Menschen.
In der Religion der Juden wird aufgrund der Prophetie auch heute noch ein irdischer König aus dem Geschlecht Davids erwartet mit der Geburtsbeziehung zu Bethlehem. Darum ist Jesus im Judentum auch nicht der Messias, als den die Christenheit ihn verehrt. Im Islam wird Jesus als wichtiger Prophet verehrt.
Etwa 100 Jahre nach Jesu Tod glaubte ein Großteil der Juden an den vorausgesagten Messias mit dem Namen Simon Bar Kochbar. Dieser führte einen großangelegten Aufstand gegen die Römer an. Nach anfänglichen militärischen Erfolgen wurden hunderttausende Juden niedergemetzelt und die Hoffnung auf den Messias war dahin und führte zu der Zerstreuung des jüdischen Volkes bis in unsere Zeit.
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