Wunderwarten und Zeitabsitzen. Matthias Herrmann
die Nachbarin den Knöchel gebrochen hatte wuchs eine Bohnenstange in den Himmel und holte die Sterne herunter. Urmuz hätte nie gedacht wie handlich eine Supernova aussehen würde, als sich ein Wurmloch, wie ein Präservativ über ihn stülpte und seinem Kopf für viele Jahrhunderte die Augen zum Hinterteil wieder herauskommen ließen. Eine ganze Tube Feuchtigkeitscreme mit Calendula war nötig, um diesen Zustand wieder rückzuüberführen. Dann vergammelte die Bohnenstange und die Sterne verließen trüb und fahl im Glanz und Stimmung ihre neue Heimat, um wieder am Himmel zu prangen.
Erneut schoss das Wort Chaos durch den Raum und die Innenbeleuchtung in der kleinen Toilette versiegte. Mit einem kleinen Zischen war alles in Dunkelheit getaucht… Und kein Auftauchen war in Sicht…
8.
Sir John Harington, im Jahre des Herren 1596… da erfand er das Wasserklosett. An dieser Stelle vielen lieben Dank dafür. So er dies nicht getan hätte, hatte Urmuz jetzt keinen Sitzplatz. Oh, wie groovend sind die Raggaerastarhythmen aus Jamaica… Aber zurück zu dem stillen Örtchen, an welchem wohl mehr Weltgeschichte überdacht worden ist, als in irgendwelchen Puffs. Zärtlich, sich in der Dunkelheit entlang tastend, erfühlte Urmuz seinen uneinnehmbaren Raum. Wenn man sich da überlegt, dass es da mal Zeiten gegeben hat, in welchen man sich nicht einmal auf die rosa Spätsommerwolken verlassen konnte. Das Wort war schlecht und schnell daher gesagt. Eine Frau war Feind und das Rosengitter wackelte in jedem Sturm. Die Stimme wurde nie für das Singen von Liedern benutzt und es herrschten Gier, Steinschlag und lediglich Umrisswahrnehmungsfähigkeit. Die Farben der Erde waren weiß, rot, braun und schwarz. Selten wurde auch grün verwendet. Wahrscheinlich weil die Höhlenmenschen farbenblind waren und Rot auch nur als einen Grauton verwendeten. War es denn nicht ein wahrlich erschöpfendes Vergnügen auf die Masse eines erlegten Bisons oder Mammuts hinabblicken zu können? Und heute? Millionendeals und eine unzufriedene Familie, weil man sich wieder einmal viel zu viel Zeit in Übersee herumgetrieben hat. Früher brachte man einen Klumpen Fleisch mit nach Hause… Heute? Abwesenheit und Dividende! Manchmal auch eine Kotztüte mit der Aufschrift ‚Take it with a smile‘. Natürlich leer versteht sich. Wir leben doch in kultivierten Umständen. Auf der Mauerlauer hätte Urmuz da noch eine Kleinigkeit zu verklickern: So langsam gefällt es ihm in seiner neuen Behausung. Es hat den Charme von lebendig begraben zu sein. Endlich Ruhe, Einsamkeit und Abgeschiedenheit. Wenn da nicht immer dieses Erderieseln wäre. Hustend, schnupfend und dann augentränen konstatierte Urmuz auch ein Krabbeln von um den Sarg herumkrabbelnden Nagern. So kommt herbei, ihr kleinen Wesen und lass mich durch Euch Nachrichten überbringen. Warum nicht mal eine Rattenpost. Denn was Tauben so können, das lässt sich aus bodenlogistischer Sicht ebenfalls auch realisieren…
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