Mach Dünger aus deinem Mist!. Georges Morand
von 1,54 Promille bei Rot über eine Ampel.
Eine kirchliche Würdenträgerin im inneren Zerriss. Was Menschen in solchen Situationen durchmachen, können wir uns wohl kaum vorstellen. Viele ließen ihrem Hohn in aller Öffentlichkeit freien Lauf. Eine betrunkene Bischöfin am Steuer – ein gefundenes Fressen.
Gut ist es, in einer solchen Situation auch Unterstützer zu haben. Der Rat der EKD sprach Käßmann einstimmig sein Vertrauen aus und sicherte ihr seinen vollen Rückhalt zu.
Auf einer Pressekonferenz am 23. Februar 2010 nahm Frau Käßmann Stellung und stand, wie nur wenige Menschen in solchen Positionen, gradlinig und ohne Floskeln zu ihrem Fehltritt: „Am vergangenen Samstagabend habe ich einen schweren Fehler gemacht, den ich zutiefst bereue. Aber auch, wenn ich ihn bereue und mir alle Vorwürfe, die in dieser Situation berechtigterweise zu machen sind, immer wieder selbst gemacht habe, kann und will ich nicht darüber hinwegsehen, dass das Amt und meine Autorität als Landesbischöfin sowie als Ratsvorsitzende beschädigt sind.“ Ein Wegbegleiter hätte ihr am Vortag ein Zitat von Jesus Sirach (37,13) mit auf den Weg gegeben, erklärte sie: „Bleibe bei dem, was dein Herz dir rät. Mein Herz sagt mir“, so Käßmann weiter, „ich kann nicht mit der nötigen Autorität im Amt bleiben.“2
Am Schluss der Pressekonferenz sagte sie: „Ich weiß aus vorangegangenen Krisen: Du kannst nie tiefer fallen als in Gottes Hand. Für diese Glaubensüberzeugung bin ich auch heute dankbar.“3 Diese gradlinige Konsequenz beeindruckt mich und ist wohl der Grund, warum sie bis heute bedeutend für Kirche, Politik und Öffentlichkeit geblieben ist. Ihre Wirksamkeit hat durch das Geschehen sogar zugenommen. Ihr Buch, das sie einige Zeit nach dem Geschehen geschrieben hat, hat viele Menschen tief berührt. Ohne ihre Verletzlichkeit und Aufrichtigkeit während dieser persönlichen Krise hätte sie niemals eine solche Wirkung entfalten können.
Sie machte Mist, stand zu ihrem Mist und wurde zum Dünger für viele.
Das nenne ich erfolgreich scheitern. Sie ist eine Frau, die sich den Schicksalsschlägen und dem eigenen Versagen stellt, daraus lernt und weitergeht! Chapeau, Frau Käßmann. Ihre Mistgeschichte ist eine Hoffnungsgeschichte.
Louis Braille – Pechvogel und Glückspilz
Louis ist Sohn eines Sattlers. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts lebt er in dem kleinen Dorf Coupvray vor Paris. Die Werkstatt des Vaters ist sein Paradies. Dort spielt er stundenlang mit den Werkzeugen und probiert sich aus. Einmal hantiert er mit einer Ahle (einem kleinen, spitzen Gegenstand, mit dem man Löcher ins Leder sticht). Das gefährliche Ding reizt Louis besonders. Und dann geschieht es: Der Junge rutscht aus und verletzt sich am Auge. Die Wunde entzündet sich und springt zu allem Unglück auch auf das andere Auge über. Innerhalb weniger Tage verliert er sein Augenlicht. Das noch so junge Leben scheint vermasselt.
Doch Louis’ Leben entwickelte sich unerwartet.
Im Alter von 13 Jahren hört er von der Erfindung einer Nachtschrift, die ein französischer Hauptmann entwickelte, um in den Schützengräben auch ohne Tageslicht kommunizieren zu können. Das System aus Punkten und Strichen war extrem kompliziert, doch Louis war so begeistert, dass er sich von der Komplexität nicht abschrecken ließ. Bald beherrschte er die Nachtsprache nahezu perfekt. Doch damit nicht genug: Louis verspürt den Drang, sie weiterzuentwickeln und zu vereinfachen.
Mit derselben Ahle, mit der er sein Augenlicht auslöschte, sticht er nun Löcher für seine neue Punkteschrift. Mit 16 Jahren ist sein Werk vollendet: Die Brailleschrift ist erfunden.
Heute können dank ihm Millionen von Blinden Bücher lesen und studieren. Louis´ Mistgeschichte verhilft vielen Menschen, eine neue Welt zu entdecken. Blinde erreichen dadurch bis heute eine neue Dimension von Lebensqualität.
Louis verwandelte missliche Umstände, seine Blindheit, in Möglichkeiten. Er hinterlässt Spuren. Sein Unglück wurde das Glück vieler Blinder. Sein Pech macht viele Blinde, und nicht zuletzt ihn, zu Glückspilzen.
Ohne einen Schimmer von Hoffnung, ohne ein Quäntchen Frühlingsglaube in und trotz allem bleiben wir Menschen beim Mist stehen und vegetieren dahin. Aber das Leben hat uns mehr zu bieten. Unschönes, Niederlagen oder Scheitern sind nicht zu beschönigen. Sie sind aber nur die eine Hälfte der Realität.
Unter dem Strich:
Können Sie nach diesen drei Lebenseinblicken meiner frechen Behauptung, „Mistgeschichten sind Hoffnungsgeschichten“, etwas abgewinnen? Was genau hat die drei Mistgeschichten zu Hoffnungsgeschichten gemacht? Worin könnte das Geheimnis liegen?
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