Akrons Crowley Tarot Führer. Akron Frey
vom Gefühl seiner Überlegenheit zutiefst durchdrungenen Ego nach dem Motto Der Mittelpunkt bin ich! In The Sacred Magick, Canto VII, schriebst du einst über dich: Ich weiß, dass ich einer der ewigen Götter bin, und es verdrießt mich, dass ich anderen Göttern begegnen muss, die entweder unterlassen, mich zu ehren, und mich hassen oder verachten, oder dass andere verfehlen, sich selbst zu erkennen und daher mich mit Anbetung behandeln statt mit Achtung, mit Knechtschaft statt mit Freundschaft; die mir Gehorsam anbieten, wenn ich Kameradschaft benötigte, den Stein des Dienstes, wenn ich nach dem Brot der Liebe hungere. Und – in der Tat: Du warst im künstlerischen Empfinden »nach oben« offen und deine schöpferische Potenz war ungeheuer. Deshalb soll die Beschäftigung mit diesem Koloss auch nicht in die Richtung gehen, an deinem Denkmal zu kratzen – im Gegenteil. Das Ziel liegt darin, den Sinnbildern, die du aus verschiedenen Kulturen zu diesem inspirierenden Patchwork zusammengetragen hast, sachlich nachzuspüren, nicht nur um das filigrane philosophische Netzwerk herauszufiltern, das du um jede der Karten gesponnen hast, sondern um auch in die vielen Töpfe zu gucken, an denen du so reichlich geschnuppert hast. Letzten Endes geht es auch darum, ein bisschen über die Hintergründe deiner magischen Auftritte und Akte von Selbstdarstellung zu spekulieren, über die Art und Weise, wie du deine eigene Aufgabe verstandest und nach außen inszeniertest. So wenn du beispielsweise deine manchmal derben Eingebungen einfallsreich in ein für deine Umwelt »objektives« Weltbild einknüpftest, auf dem sich deine Jünger so hurtig um die Schwerkraft ihres Meisters herumdrehen ließen. Oft erscheinst du auch manisch-depressiv: wenig einfühlsam vor dem Wesen der anderen, besonders, wenn du deinem bärbeißigen Sarkasmus die Zügel schießen lässt. Dein Witz ist inspirierend und kreativ, grob und schonungslos und deine Worte oft verletzend wie scharfe Messer. Als The Great Beast und Freistil-Schamane warst du stolz wie Satan und spucktest auf die erbärmlichen Glaubensbekenntnisse der anderen; dabei bedientest du dich in deiner »Welterkenntnis« selbst ausreichend der Literatur, Philosophie, Psychologie, der Freudschen Psychoanalyse einschließlich der Erkenntnisse und Überlegungen der theoretischen Physik.
Unbestritten ist aber auch die Tatsache, dass du in der gesamten Tarotliteratur zweifelsfrei derjenige warst, der am meisten sowohl zur Bereicherung wie auch zur Verwirrung mythologischer Bilder und Symbole beigetragen hat, und wir können sicher sein, dass das noch länger so andauern wird. Dein eigener Kampf gegen die Gesellschaft und die lodernde Flamme deiner eigenen Selbstsuche ist der geistige Ruf, den du den Menschen, die dem Druck der Gesellschaft nur schwer standhalten oder durch die Leere eines nie gefundenen Lebenssinnes an sich selbst zweifeln, entgegenhältst: Verzweifle nicht! Liebe ist das Gesetz, Liebe unter Willen. Dieses Licht deiner visionären Auseinandersetzung mit den Kräften des Kosmos wird seinen Schatten auch weiterhin in den Prägungen der dir geistig oder seelisch verwandten Menschen vorauswerfen, die deine Fackel in ihren Köpfen und das Mantra auf den Lippen tragen: Erkenne deinen Wahren Willen und tu ihn. Gehorche dir selbst! Nur schon allein für diesen Kampfruf der Selbsterlösung vor der kollektiven Angst des Ego vor sich selbst gebührt dir unser aller Dank!
Wintersonnenwende 2006 – in tiefer Ergebenheit
Dein
I Das Buch Thoth –
meine persönliche Geschichte
1967 – 1968 (Erste Berührung)
Charles im Juni 1968 in der Tenne, einem Nachtclub in Konstanz
Meine erste persönliche Berührung mit dem magischen Branding des Meisters hatte ich im Flower-Power-Hippie-Sommer 67, als mir jemand in der Kasernendisco in Göppingen, in der wir jeden Abend für die GIs rockten, bevor sie nach Vietnam ausgeflogen wurden, ein schrilles Buch mit der Bemerkung in die Hand drückte, das sei ein Text über den größten Satanisten dieses Jahrhunderts. Möglicherweise war es mein umgedrehtes Kreuz um den Hals aus einem Dracula-Film, das mich für dieses Präsent prädestinierte, vielleicht aber auch der Status des Drummers einer professionellen Rockband mit 900 Mark Monatsgehalt, was damals der Traum eines jeden Jungen war. Es war der Sommer des Welthits All you need is love, der Vorbote oder der Sommer vor dem Sommer der Liebe, der ein Jahr später kam: ein halbes Jahr bevor die Beatles ihr Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band-Album herausbrachten und die Stones ihr Their Satanic Majesties Request-Opus hinterher schoben, als Swinging London auf dem Höhepunkt shakte und swingte und sich die ersten Meditationsgruppen bildeten, die ein Jahr später in den fernen Osten pilgerten, die ersten Joints die Runde machten, aber nur unter den Trendsettern, die wussten, wo das Zeugs herkam. Als Jimi Hendrix auf dem Höhepunkt seiner Karriere seine Sternenbannerhymne durch die Metallsaiten quälte und durch die monströsen Marshalltürme wie Manna über die entrückte Zuhörerschaft ausstreute, als California dreaming Marihuana invoziering sich mit dem Sound von Mamas and Pappas oder Tyrannosaurus Rex allmählich in den Gehirnnebeln festsetzte und alle von einer Hippieranch oder einer Landkommune träumten, bis uns der Sharon Tate-Mord um Charles Manson aus unserer Haschischwolke aufschreckte. Es war die Erinnerung an die Illusion einer Gesellschaft von freien Menschen, wie sie sich zu Hunderttausenden im Schlamm von Woodstock suhlten, die Vision, wie sie friedvoll miteinander umgingen, wie sie aßen, schliefen, kackten, sich liebten und miteinander stritten, Babys zeugten, Freundschaften schlossen, Pot rauchten, Gedichte schrieben, Filme drehten, Bullen verarschten, einfach der ganz normale (abgehobene) Alltag, wie ich ihn am Ende der sechziger Ära in Erinnerung hatte. Unter dem kosmischen Sound der Hendrix-Nummer 3rd Stone From The Sun auf der ersten LP waren wir zum Aufbruch bereit, es fehlte nur noch ein Kick, ein Auslöser, da alles, was in der Luft lag, noch nicht richtig greifbar war und erst ein Jahr später gesellschaftliche Realität wurde, und deshalb kam mir der erste Kontakt mit den Schauergeschichten des grusligen Schwarzmagiers gerade recht. Es passte einfach wunderbar ins Konzept. Oder vielleicht zu dem mir bislang unbekannten Teil meines unterschwellig brütenden, magischen Charakters.
H. R. Giger und Albert Hofmann im Frühling 2007
H. R. Giger und Sergius Golowin 1973
Timothy Leary und Sergius Golowin im Sinus-Studio in Bern 1972
Bei mir schlug Meister Therion wie eine Bombe ein, und als dieser Jemand, der mir diese Schrift in die Hand drückte, weiter erklärte, dass es sich bei diesem Menschen um einen Abtrünnigen direkt aus der Hölle handelte, dem jede menschliche Regung fehlte, passte das wie die Faust aufs Auge meines unschuldigen, wertherhaften Klischees des unverstandenen Bösen. Dass er daneben auch noch über übersinnliche Kräfte verfügen sollte, die er wie Mephisto in Goethes Faust zum vordergründigen Schaden seiner Umwelt benutzte, die seine Strategie nicht durchschaute, bis sich irgendwann alles wieder zum Guten wendete, war eigentlich nur folgerichtig. Auch wenn man weiß, dass es die inneren Prägungen oder unentdeckten Neigungen eines jungen Menschen sind, die sich ihn an die passenden äußeren Plattformen herantasten lassen, um seine eigenen unentdeckten Anteile nach außen zu tragen und in einem passenden Label spiegeln zu können, so wurde (meine Vorstellung von) Crowley plötzlich zum Sahnehäubchen auf dem etwas lauwarmen Gebräu meiner Weltanschauung, denn die Schamanen, die mich später auch anzogen, waren mir noch nicht bekannt1 und die langsam aufkeimende intellektuelle Auseinandersetzung mit politischen Fragen, die ein paar Monate später folgte, war mir ohne magischen Konsens in ihrer theoretischen Art zu trocken, sodass ich die Inhalte immer wieder mit ein bisschen Dampf aus der Wasserpfeife »nachspülen« musste. Das war noch bevor Politik vielen jungen Menschen auch Spaß zu machen begann, da sie den Alten das Fürchten beibringen konnten, wenn sie gegen den Vietnamkrieg protestierten und Molotowcocktails gegen