Die Macht der Pharaonen. Peter W.F. Heller
auf, die untereinander ebenso schnell Bündnisse eingingen wie sie diese wieder zerbrachen.
Doch der eigentliche Todesstoß kommt aus dem Osten. Im Jahr 525 v. Chr. dringt der Perserkönig Kambyses II. mit seinem Heer in Ägypten ein und bringt dem Land eine wechselnde Besetzung, die rund zweieinhalb Jahrtausende andauern wird. Auf die Perser folgen die Griechen, Römer, Araber, Mamelucken, Osmanen und schließlich die Engländer, praktisch endet die Besatzungszeit erst 1953 mit der Gründung der Ägyptischen Republik durch den jungen Offizier Gamal Abd el Nasser.
Zwar hat sich der Begriff des „Pharaonischen Ägyptens“ sprachlich eingebürgert, doch ist er für den gesamten Zeitraum des alten Ägyptens falsch. Faktisch wurde die Zeit der Pharaonen mit dem letzten „echten“ Pharao, Psammetich III., durch Kambyses II. beendet.
Abb. 19: Das Heiligtum der Isis auf der Nilinsel Philae. Der Tempel wurde 551 auf Anweisung des spätrömischen Kaisers Justinian geschlossen.
Der Niedergang bis zum völligen Verschwinden des alten Ägyptens vollzieht sich in Etappen:
Die letzte uns bekannte Hieroglyphenschrift Ägyptens wird 394 im Heiligtum der Isis auf der Nilinsel Philae angebracht (Abb. 19). Der Tempel selbst wird 551 auf Anweisung des spätrömischen Kaisers Justinian geschlossen und eine christliche Siedlung gegründet, wobei Teile der Tempelanlage als Kirchen genutzt werden.
Mit dem Erlöschen der hellenistisch-römischen Epoche überläßt der byzantinische Kaiser Constans II. im September 642 das Reich am Nil kampflos den Arabern. – Hier endet das alte Ägypten.
Abb. 20 Keulenköpfe
Das steinerne Zeichen der Macht
Seit den ersten Funden von Sauriern gehört es zum Wissen, daß schon die Tiere der Urzeit mit gewaltigen Waffen ausgerüstet waren. Manche dieser Echsen verfügten über säbelscharfe Krallen mit einer Länge von bis zu 30 cm, andere hatten Gebisse, mit deren Zahnreihen sie einen Kleinwagen hätten zerlegen und zermalmen können. Wieder andere hatten einen zur Keule ausgebildeten und in einer stachelbewehrten Kugel endenden Schwanz, mit dem sie ihren tonnenschweren Zeitgenossen ohne weiteres Genick und Schädel zu zertrümmern vermochten.
Zwar sind die Schwänze und ihre Eigentümer kleiner geworden, doch verfügen auch die heute lebenden Nachkommen der Urtiere über tödliche Waffen. Greifvögel töten ihre Beute mitunter schon beim Zupacken, indem sie das Opfer mit der Fersenkralle durchbohren, Raubkatzen können mit einem Biß Wirbel und Kehlen durchtrennen und mit krallenbewehrten Pranken Sehnen und Muskeln regelrecht zerfetzen.
Wer im Tierreich nicht zu den fleischfressenden Waffenträgern zählt, gilt als Beute und ist für die Flucht vor diesen bestens ausgestattet. Der Hase, Sinnbild des Gejagten, hat überaus feine Ohren, mit denen er auch das leiseste Geräusch wahrnehmen kann; seine Läufe sind so konstruiert, daß er nicht nur ein schneller Läufer ist, sondern in vollem Lauf auch noch Haken schlagen kann, die den Verfolger ins Leere jagen lassen. Selbst die harmlosen Kühe und vor allem ihre wilden Artgenossen sind mit Hörnern ausgerüstet, die einem Angreifer durchaus gefährlich werden können, insbesondere dann, wenn sich die Tiere in Bedrängnis zusammenschließen und gemeinsam zur Abwehr stellen.
Betrachtet man in diesem Sinne den Menschen, führt das unweigerlich zu dem Schluß, daß es sich bei diesem Wurf der Natur um einen Fehlwurf handelt.
Die menschlichen Augen ermöglichen farbiges und vor allem räumliches Sehen, was zur Feststellung dient, ob ein Obst reif ist und auch nicht zu hoch hängt. Einen getarnten Feind im Gebüsch können sie nicht erkennen und auch nicht, was sich in der Ferne tut; in der dunklen Nacht sehen sie außer Mond und Sternen so gut wie nichts, zumindest wenn kein Licht brennt.
Das Gehör ist nicht besonders gut und kann nur einzelne Geräusche auseinanderhalten. Die Anordnung der Ohren erschwert eine genaue und schnelle Richtungszuweisung der Geräuschquelle, das Heraushören einzelner Stimmen oder Laute aus einem Gemisch von Tönen ist nahezu unmöglich.
Der Geruchssinn ist nicht sonderlich ausgeprägt. Er reicht aus, um aus einem gewissen Abstand zu riechen, ob etwas faul und damit als Nahrung zu gebrauchen ist oder nicht.
Das menschliche Gebiss ist als Waffe denkbar ungeeignet. Wer den Versuch wagt, ein Wildschwein mit einem kräftigen Biss ins Genick zu erlegen, dürfte diesen Versuch nur einmal machen. Rohes Fleisch, zumal wenn unzerteilt, stellt die Zähne vor eine kaum zu bewältigende Aufgabe. Für den Biss in einen Apfel und das Zermahlen von Getreidekörnern, Nußkernen und Beeren sind sie hingegen ideal konstruiert und angeordnet.
Verglichen mit dem Panzer der Schildkröte ist die Haut ein höchst unzuverlässiger Schutz, welcher schon durch den Stich eines Insekts durchbrochen werden und im ungünstigsten Fall zum Tode führen kann. Bis zu einem gewissen Grad ist die Haut in der Lage, den Motor Mensch durch Schweißabsonderung zu kühlen; ist es zu kalt und bleibt er unbekleidet, stirbt der Mensch.
Ein schneller Läufer ist der Mensch ebenfalls nicht, einem Wolf oder sogar dem plump anmutenden Bären kann er durch Weglaufen nicht entkommen. Und Flügel sind ihm nicht gewachsen.
Doch bei all diesen Unzulänglichkeiten hat der Mensch etwas, was ihn vom Tier unterscheidet und ihn überleben ließ, nämlich seinen Verstand. Dazu ist er mit zwei fünffingrigen Händen ausgestattet, die etwas greifen und in nahezu jede gewünschte Position bringen und bearbeiten können. So war es ihm möglich, seine natürlichen Mängel durch das auszugleichen, was ihm seine Welt bot, Kleidung aus Pflanzen und Fellen, dazu Waffen aus Stein, Knochen, Horn und Holz, verbunden mit Sehnen, Bast, Leder und Harz.
Und die frühen Bewohner der ägyptischen Landschaft bildeten da keine Ausnahme.
Abb. 21: Chopper, abgeleitet vom englischen to chop, hacken, sind meist rundliche oder ovale Geröllsteine mit einem durch den Abschlag entstandenen scharfen Grat, einer einseitigen Schneide.
Zeichnung: José-Manuel Benito
Die ersten Waffen dürften weniger die Ergebnisse langen Nachdenkens als mehr spontanen Handelns und anschließender Erfahrung gewesen sein.
Wie Kinder spielerisch und nahezu unbewußt nach einem Stein oder einem Stock greifen, werden die Menschen in der Kindheit ihrer Gattung es ebenso getan und festgestellt haben, daß sich eine harte Nußschale mit dem noch härteren Stein leichter aufschlagen läßt, sich ein Schlag mit dem Stock als wirkungsvoller als der mit der Faust erweist. – Auch auf den Kopf eines Angreifers, gleich ob Mensch oder Tier.
Vor etwa 2,6 Millionen Jahren begegnen uns die ersten Kerngeräte, durch Abschlagen präparierte Steinartefakte, Gestein, von dem mindestens ein Abschlag im Sprödbruch abgetrennt wurde, um eine scharfe Kante zu erzeugen.
Diese Chopper (Abb. 21), abgeleitet vom englischen to chop, hacken, sind meist rundliche oder ovale Geröllsteine mit einem durch den Abschlag entstandenen scharfen Grat, einer einseitigen Schneide.
Für den Homo habilis, er gilt konventionell als „Erfinder“ der Chopper, war dies ein gewaltiger Technologiesprung.
Flußgeröll und Kiesel, auch hartes Vulkangestein, müssen in der sogenannten Hartschlagtechnik mit einem Schlagstein in einem bestimmten Winkel getroffen werden, um auf einer Seite Splitter abzuschlagen; je mehr Splitter nebeneinander abgeschlagen werden, desto länger wird die Kante.
Der Lernprozeß schritt schnell voran, nahezu parallel zur Hartschlagtechnik entwickelte sich die Weichschlagtechnik, in welcher mit einem Hartholzstück, einem Geweihhammer oder einem Knochen geschlagen wurde.
Beide Techniken erfordern eine feste Unterlage und so wurde ein kräftiger, abgeflachter Stein untergelegt, Vorläufer unseres heutigen Ambosses.
Was mit einer einseitigen Schneide gut schneidet, muß mit einer zweiseitigen