Friede auf Erden - Vom Glauben zum Wissen. Horst Günter Ebel

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In diesem findet jeder die Theorien oder Behauptungen, mit denen er seine eigenen Anschauungen begründen und rechtfertigen kann. Das nennt man dann Meinungsfreiheit, wobei nicht erkennbar ist, von wem diese Freiheit stammt. Denn in allen Epochen waren es die Herrschenden, die den Inhalt der Bildung der Menschen und damit ihre Erkenntnismöglichkeiten bestimmten. Theorien und politische Bewegungen, die die jeweiligen Machtverhältnisse bedrohen, waren und sind von der jeweiligen »freien« Meinungsherrschaft ausgeschlossen.

      Die Menschheit sehnt sich nach Frieden, Wohlstand und guten zwischenmenschlichen Beziehungen. Bei einer vernunftbestimmten Organisation der Gesellschaft wäre diese Zielstellung schon in der heutigen Zeit erreichbar. Doch die Verhältnisse, die sind nicht so, um Brecht zu zitieren. Im Gegenteil. Die zunehmende Globalisierung hat nicht zur Harmonisierung der Menschheit, sondern zu einer neuen Stufe der politischen und weltanschaulichen Auseinandersetzungen geführt. Aus lokalen Feindseligkeiten wurden globale, aus globalen Kriegen wurden andererseits lokale, die ihrerseits wieder das Zusammenleben der Völker negativ beeinflussen.

      So unterschiedlich die Ursachen dafür erscheinen, letztlich ist es eine Tatsache, die dieser zugrunde liegt. Es ist der Streit über den Ursprung und das Wesen des Seins. Die philosophische Frage nach der Herkunft des Menschen hat sich zum Anlass entwickelt, jegliche Menschlichkeit zu behindern oder zu verhindern. Es ist nicht nur die Gegensätzlichkeit, ob das Universum aus dem Nichts entstanden ist oder von einer überirdischen Kraft geschaffen wurde. Vielmehr sind es die Anbeter der vielfältigen Götter-Herrschaften, die sich gegenseitig bekämpfen.

      Stellen wir uns einmal vor, die Menschen der unterschiedlichsten Gemeinschaften würden sich so verhalten, wie von der Zivilisation unbeeinflusste Kinder in einem Kindergarten. Im frühen Alter gibt es keine sozialen, nationalen und religiösen Schranken. Sie fühlen sich alle als gleichberechtigte Menschenkinder. Die Unterschiede sind rein individueller Art. Warum, so fragt man sich, stehen sich diese Kinder als Erwachsene als Todfeinde gegenüber, bringen sich gegenseitig um?

      Die Frage nach dem Ursprung der Welt hat einen sehr realistischen Hintergrund. Wer übt die Herrschaft über die Menschheit aus, ist es ein Gesetzgeber, nach dessen Weisungen sich die Menschen zu richten haben? Ist es die Erkenntnis, dass nur die gesellschaftliche Vernunft eine wahrhaft menschliche Gesellschaft hervorbringen kann, oder irgendein überirdisches Wesen, das die ihm hörigen Gläubigen in einen Käfig emotionaler Abhängigkeiten sperrt?

      Der Begriff Freiheit wird heute von allen Verfechtern realer Unfreiheit missbraucht. Man traue keinem Pfaffen, wenn dieser von Freiheit redet, selbst dann nicht, wenn er die Schärpe eines Staatsoberhauptes trägt. Wahrhaft humanistische Freiheit ist frei von jeglichen religiösen Zwängen. Diese existieren auf zwei Ebenen. Alle religiösen Eiferer sind befangen in ihrem Ausschließlichkeitsanspruch. Ihr Schöpfer und Herr ist der Gesetzgeber. Sein Vermächtnis, niedergelegt in heiligen Schriften, ist absolutes Recht. Wenn es in deren Auslegung unterschiedliche Meinungen gibt, so beansprucht doch jede Glaubensrichtung das Recht auf den Besitz der absoluten Wahrheit für sich.

      Menschenrecht ist kein juristischer Begriff, sondern gelebte Menschlichkeit. Überall dort, wo den Menschen aus religiösen oder politischen Gründen ein Leben als gleichberechtigtes Mitglied der Menschengemeinschaft verwehrt wird, werden die Menschenrechte verletzt.

      Die religiösen Verbote und Rituale gehören dazu, ebenso wie die politischen Herrschaftsansprüche. Warum ist die Nahrungsaufnahme vieler Menschen beschränkt, werden Frauen in vielfältiger Form diskriminiert, bestimmen historische Rituale den Lebenslauf vieler Gemeindemitglieder, ist der Rassismus noch weit verbreitet?

      Alle Menschen, die sich in diesem Geflecht religiöser oder politischer Vorstellungswelten befinden, dünken sich als freie Menschen. Jedenfalls so lange, wie sie streng gläubig sind.

      Die Liste religiöser Verbote, Rituale und Lebensbeschränkungen ist lang. Jede religiöse und weltliche Gemeinschaft hat ihre eigenen Ge- und Verbote. Oftmals überlagern sich die religiösen mit den weltlichen Gesetzen. Nicht nur in den muslimischen Gottesstaaten, sondern auch in den christlichen Demokratien.

      Eine schlüssige Antwort auf die Frage, woher das Universum und der Mensch als höchste Form seiner Entwicklung kommen, ist nicht erreichbar und wird auch in den kommenden Zeitaltern nicht zu finden sein. Allerdings lässt sich eine andere Frage beantworten: Wird die Zukunft der menschlichen Gesellschaft bestimmt durch den Sieg einer überirdischen Macht, einer esoterischen Gottesgestalt, oder durch die wachsende Einsicht, dass die als Quintessenz der geschichtlichen Entwicklung der Menschheit gewonnene gesellschaftliche Vernunft die wahre menschliche Gesellschaft charakterisieren wird?

      Das wird aber sicher noch ein langer und leidensvoller Weg sein. Denn allen Mitgliedern und Akteuren einer religiösen oder politischen Gemeinschaft, die sich im Banne dieser herrschenden Gefühlswelt befinden, ist jegliche Möglichkeit einer rationalen Einsicht in die gesellschaftlichen Prozesse versperrt. Wer als Prämissen seiner Schlussfolgerungen Vorurteile wählt, ist niemals in der Lage, vernünftige Urteile zu fällen. Diese total unwissenschaftliche Denkweise ist die gängige Praxis aller religiösen Führer und etablierten Politiker. Politische wie religiöse Überzeugungen sind Truggebilde. Was als rationale Einsicht oder gar Erkenntnis erscheint, ist in Wirklichkeit scheuklappenhafte Emotionalität. Der Gute ist der Böse, aber der Böse ist der Gute. Jede Nation hat ihre Helden, für ihre Gegner aber sind das Aggressoren, Mörder, Terroristen. Die tatsächlichen Ursachen verschwinden unter der Flut von gegenseitigen Beschuldigungen und Angriffen. Die Partei hat immer recht! Wer sich um eine der gesellschaftlichen Vernunft entsprechende Analyse bemüht, gerät zwischen die Fronten.

      Die in der bisherigen Geschichte vorherrschende sozial determinierte ahistorische Denkweise begreift die Menschheit nicht als einen sich stets höher entwickelnden sozialen Organismus, dessen Triebkraft die Entwicklung der menschlichen Intelligenz ist. Die Leugnung jedes signifikanten gesellschaftlichen Fortschritts bedeutet nicht nur die Glorifizierung der bestehenden Machtverhältnisse, sondern auch und vor allem die Rechtfertigung der Spaltung der Gesellschaft in eine herrschende Kaste und hörige Untertanen. Wissen wird durch Glauben ersetzt. Gefühlsurteile bedürfen keiner Begründung. Wenn sich da eine imaginäre Gottheit irgendwann in der neuesten Geschichte der Menschheitsentwicklung als übernatürlicher Herrscher zum allein seligmachenden Religionsstifter erklärt haben soll, werden die angeblich von diesem verkündeten Dogmen, Rituale und Lebensweisheiten nur massenwirksam durch einen gigantischen sakralen Manipulationsapparat einerseits und das Gewaltmonopol der Herrschenden andererseits.

      Dabei gibt es keine signifikanten Unterschiede zwischen den sogenannten Weltreligionen. Mit einer Ausnahme, dem Judentum, konnten sie sich als Massenbewegung nur als ideologisches Rückgrat einer Herrscherkaste etablieren. Sie entfalteten sich als emotionales Potenzial einer mit einem staatlichen Gewaltmonopol ausgestatteten Ordnung, in welcher die Masse der Bevölkerung mit der Anbetung einer überirdischen Macht zugleich die angebliche Göttlichkeit ihrer Herrscher akzeptierte. Diese Gläubigkeit hat sich bis in unsere Zeit erhalten. Nicht nur in den muslimischen Staaten, sondern auch in Russland, in den USA und bei den herrschenden deutschen Eliten. Ihre politische Werteskala beginnt mit der Formel: »Ich bin der Herr, Dein Gott. Du sollst keine anderen Götter haben neben mir.« Die weiteren Gebote sind Ansichtssache. Töten, rauben, ehebrechen, lügen, das trifft nur für die Gottlosen zu. Jedenfalls gibt es keine staatliche Abscheulichkeit, die nicht von den Machthabern religiös gerechtfertigt wird. Das trifft auch auf jene Glaubensrichtung zu, die bis 1948 kein eigenes staatliches Gewaltmonopol besaß.

      In der heutigen Zeit nehmen anscheinend die Auseinandersetzungen zwischen Andersgläubigen ständig zu. Religiös motivierte Ausgrenzungen, Verfolgungen, Terroranschläge bis hin zu Pogromen werden in der Öffentlichkeit als Ausdruck eines Kulturkampfes dargestellt, der vor allem von den Extremisten der jeweiligen Glaubensgemeinschaften angeheizt und mit radikalen Mitteln geführt wird. Das geht bis zu der Forderung, Gotteslästerer mit dem Tode zu bestrafen. Das Töten Andersgläubiger ist wieder in die gesellschaftliche Normalität zurückgekehrt, egal ob als öffentliche Hinrichtung oder mittels hochmodernen Drohnen.

      Die Geschichte zeigt jedoch, dass Glaubenskriege stets Machtkämpfe der herrschenden Kasten waren und sind, die sich die religiöse Emotionalität zu einer Existenzbedingung ihrer Herrschaft gemacht haben und diese ständig erhalten und vertiefen. Daran


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