Wollhandkrabben und Raketen. Dieter Kudernatsch
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Dieter Kudernatsch
WOLLHANDKRABBEN UND RAKETEN
Erinnerungen 1942 – 1966
Engelsdorfer Verlag
Leipzig
2016
Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.
Copyright (2016) Engelsdorfer Verlag Leipzig
Alle Rechte beim Autor
Coverzeichnung: Thomas Leibe
Autorenfoto: Carlo Bansini
Lektorat: Anne-Kristin Henker
Hergestellt in Leipzig, Germany (EU)
INHALT
Raketen für den Feind – Manni für mich!
Kapitel 1
AUS DER HEIMAT VERTRIEBEN
Als wir, meine Frau und unsere Tochter Kati, in den Herbstferien 1992 das erste Mal ins Riesengebirge fuhren, war es eine Fahrt mit Hindernissen. Es sollte nur ein Wochenende mit Schneekoppe und vielen Bergen sein, und ganz nebenbei wollte ich mein Geburtshaus in Černý Důl suchen. Die 450 Kilometer wollte ich in einem Ritt herunterreißen. Aber es sollte doch etwas anders kommen.
Als wir in die Stadt Liberec fuhren, ahnten wir nicht, dass wir ohne fremde Hilfe nicht wieder aus dieser Stadt herauskommen würden. Zum dritten Mal an derselben Stelle angekommen, ohne einen Kilometer des Weges zurückgelegt zu haben, verlor ich meinen Humor. Ich stieg aus und fragte den erstbesten Fußgänger nach dem Weg. Und er war der Beste! Er stieg in unser Auto und lotste uns aus der Stadt. Ich wollte dem freundlichen Helfer Geld geben, aber er lehnte entrüstet ab. Ein fester Händedruck, und wir trennten uns wie alte Freunde. Heilfroh verließen wir den Ort, der uns auch in den nächsten Jahren immer wieder vor Probleme stellen sollte.
Wir konnten jedoch nicht wissen, dass auf unserer weiteren Strecke eine Umleitung nach der anderen auf uns warten würde. Das bisher schlechte Wetter mit starkem Wind und Regengüssen wurde noch schlechter. Die Orkanböen rüttelten gewaltig am Auto, und Äste lagen auf der Straße. Wir hatten große Mühe, die uns völlig fremde Strecke zu erkennen. Für uns viel zu früh brach der Abend an, und es wurde stockdunkel. Eine willkommene Entschuldigung, um uns noch einmal zu verfahren und den Weg zum Ziel auf einer für PKW gesperrten Straße nach mehr als sechs Stunden zu Ende zu bringen.
Wir klopften an dem ersten erleuchteten Haus und siehe da, wir hatten Glück. Unterkunft mit Frühstück, bezahlbar und schön gemütlich. Zum nächsten Restaurant für unser Abendessen war es auch nicht weit, und so fielen wir wie halb Verhungerte und Verdurstete dort ein.
Wieder zum Leben erwacht und zurück in der Pension wollten wir nur eine kurze Ruhepause einlegen und dann den versprochenen Spieleabend mit Töchterchen Kati beginnen. Also kuschelten wir uns erst einmal in unsere Betten. Wir schliefen sofort ein und wurden gegen Mitternacht wieder wach. Den Spieleabend hatten wir total verschlafen! Schnell wechselten wir unsere Sachen und schliefen bis neun Uhr, weil uns niemand störte. Das späte Frühstück überraschte uns mit duftendem Schinken, süßer Erbeermarmelade, frischem Obst, warmen Brötchen und starkem Kaffee. Unsere Lebensgeister erwachten wieder. „Haben Sie schon einmal aus dem Fenster gesehen?“, fragte die Pensionswirtin. Wir hatten nicht. Doch was war denn das? Draußen stand zwar unser Auto, aber es war dick zugeschneit! Und das im Oktober!
Natürlich hatte ich keine Winterausrüstung mit, warum denn auch? Jetzt wusste ich es besser. Meine Frau gab mir ein Geschirrtuch und ich kümmerte mich um unser Auto, dass es „vom Eise und Schnee befreit“ war.
Wir fuhren den ganzen Tag in der Gegend umher, aber so richtig wohl fühlte ich mich nicht wegen der Glätte. Die Schneekoppe sahen wir nicht und der Lift hinauf war auch gesperrt. Zurück in Černý Důl waren wir nicht in der Lage mein Geburtshaus zu finden. Vielleicht beim nächsten Mal?
Als wir am nächsten Tag unsere Sachen packten und die Heimreise antraten, war die Sonne da. Sie zeigte das Gebirge in einer Paradeansicht, so dass wir uns schworen, bald wiederzukommen.
Viele Kurzbesuche führten uns in den folgenden Jahren zurück. Mit meinem Bruder Reinhard und seiner Frau Edda lernten wir das Riesengebirge sehr gut kennen und natürlich auch die Stadt Liberec, in der wir uns – wie hätte es auch anders sein können – wieder verfuhren. Bis zu dem Tag, an dem ich im Autoatlas eine bessere Strecke entdeckte, ohne durch Liberec zu müssen. Damit hatten wir ein Problem gelöst. Doch es gab noch ein anderes, welches ich unbedingt klären wollte.
Wir hatten den 50. Geburtstag meiner Schwägerin Ute –