»Action!« im Traunsee-Märchenland. Christa Mühl

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ihn für etwas verrückt. Denn der See war selbst im Sommer meist grausig kalt. Abgesehen von ein paar ebenso verrückten Einheimischen, hüpfte kein Mensch so zeitig hinein wie Ungestüm. Aber ihm gefiel das, er hielt es für einen Jungbrunnen.

      Heute jedoch fühlte er sich irgendwie schlapp.

      Er trat aus dem Haus und betrachtete verwundert die Rosen im Garten, die in voller Blüte standen. Gestern noch hatten sie nicht eine einzige Knospe wegen des andauernden Regens! Und gestern fiel sogar Schnee auf die armen Sträucher …

      Lars ging erst einmal hinunter zum Steg. Er hörte Kinder fröhlich toben. Auch darüber wunderte er sich. Und als er am Ufer stand, schüttelte er den Kopf. Er sah – im Wasser! – etliche Mädchen und Jungen. Der See hatte sich durch den Dauerregen kaum erwärmt. Die Wassertemperatur lag bei knappen 11 Grad, das hatte er gerade gestern nachgemessen! Gestern früh - noch bevor es geschneit hatte. Er sah verwundert ein Schwanenpaar mit sechs Jungen vorüberziehen. Und als er seine Hand ins Wasser hielt, fand er es so warm wie selten, seit er hier war.

       11. Kranawitha trifft auf den träumenden Riesen

      Kranawitha erwachte. Sie hockte noch immer neben ihrem Besen vor dem Tor von Erlas Höhle, und musste wohl ein kleines Nickerchen abgehalten haben. Sie erhob sich, dabei schmerzte ihr krummer Rücken. Auch plagte sie ein gehöriger Brummschädel. Plötzlich hatte sie den Eindruck, ein kleines hinterhältiges Lachen zu hören. Natürlich fand das nur in ihrer Einbildung statt, denn schlagartig wurde ihr klar, dass ihre Weiberrunde noch immer vor dem Bildschirm hocken würde. Sie riss sich zusammen, um sich nicht vor ihren Geisterfreundinnen zu blamieren.

      Der Riese schlief anscheinend noch, nichts rührte sich auf ihr lautes Klopfen und Rufen. Die schwere Tür hatte sie nicht aufbekommen. Wie gesagt: Kein Zauberspruch half.

      Sie kam nicht an die Zeitverkürzungsmaschine heran. Die Hexe überlegte, was sie tun sollte. Zuhause in ihrer Höhle wurden die Gäste sicher schon ungeduldig. Doch da erschien Erla plötzlich – frohen Mutes – was Kranawitha nach seinem ständigen Gejammer und Geheule wie ein Wunder vorkam.

      Anscheinend hatte er die Höhle verlassen, als sie schlief. Er begrüßte die Hexe, setzte sich neben sie und reichte ihr ein Polaroid-Foto herunter. Darauf war eine goldene Kutsche zu sehen. Genau die hatte er sich heute Morgen beim Zwergenkönig Rötel ausgesucht. Natürlich müsse das Gefährt noch ein wenig aufpoliert werden. Kranawitha sah zu dem verliebten Riesen hoch und zischte leise: „Hast du dir schon mal überlegt, wie du in diese Kutsche kommen willst?“

      Aber Erla hörte gar nicht zu. Er träumte weiter vor sich hin. Wenn es endlich soweit ist, wird er mit Blondchen in dieser Goldkutsche durch die Gegend fahren. Oder besser: Dahinfliegen. Denn statt Pferden würden Rötels Zauberschweine eingespannt sein. Erla geriet geradezu ins Schwärmen. Sie würden über den Grünberg düsen, vorbei am Laudachsee, hinüber nach Grünau zum Almtal, und über die schnellbedeckten Gipfel zurück über Traunkirchen und Altmünster nach Gmunden, ins Schloss. Direkt vor den Altar.

      Er wollte sein Blondchen endlich heiraten. So richtig in der Kirche mit allem Drum und Dran. Kranawitha tippte sich an die Stirn und sah zu Erla auf. Seine Augen wurden feucht.

      „Bitte nicht!“, bat die Hexe. „Nicht schon wieder Regen!“

      Seine gute Laune war plötzlich dahin. Erla verfiel in grübelndes Schweigen. Es gelang Kranawitha nicht, durch Fragen herauszufinden, wie viel Zeit noch übrig war, bis Erla sein Blondchen endlich in die Arme schließen konnte.

      Irgendwie jedoch beschlich sie ein ungutes Gefühl …

       12. Die Neuen sind da!

      Der Regisseur Matti war nicht nur wegen des herrlichen Sommerwetters gut gelaunt. Sein Motto hieß „Drehzeit ist Lebenszeit“ – und er war der Meinung, dass man allerhand dazu beitragen konnte, eine gute Zeit zu haben. Er lachte gerne und verstand es, schnell eine gute Stimmung zu verbreiten. Manchmal war er allerdings für sein Alter von 45 plus etwas zu albern und lachte über jeden Mist. Da er nur knapp 1,70 Meter groß war und nicht so ganz dünn, wirkte er neben seiner Kamerafrau winzig. Man übersah ihn häufig, und manchmal wurde er für eine Hilfskraft zum Absperren der Straße oder für den Hausmeister gehalten.

      Eigentlich sah er aber richtig gut aus. Ein charismatischer Mann. Doch die Damen machten ihm vergeblich schöne Augen …

      Kamerafrau Eva-Maria, die alle nur Ev nannten, war dagegen viel zu dürr und fast 1,85 Meter hoch. „Regie & Kamera“ gaben also ein schrulliges Paar ab.

      Sie freuten sich, dass sie hier in Gmunden waren, denn sie liebten die Serie, die sie nun drehen durften.

      Matti war ein Schwabe, lebte aber in München. Er hatte seine Assistentin Jette, eine Berlinerin, zu dieser Arbeit nach Österreich mitgebracht. Ev aber hatte wieder Bingo, den sie von früheren Filmen kannte, zu ihrem Assistenten gewählt.

      Jetzt waren sie auf dem Weg zur Schiffsanlegestelle am Hauptplatz.

      Dort wurde gerade das Equipment auf ein Boot verladen.

      Auch Bingo war bester Laune und winkte ihnen entgegen. Es war 9 Uhr, und vom Rathausturm erklang nach den 9 Stundenschlägen vom Glockenspiel die Titelmelodie der Serie.

      Matti und Ev staunten nicht schlecht. Das hörten sie zum ersten Mal. Nun eilte auch noch der Bürgermeister auf sie zu und schüttelte ihnen die Hände. Er sagte zu Ev, wie sehr er sich freue, dass endlich einmal eine Kamera-Frau hier sei. Aber das habe er ja schon in seiner Rede zum Drehbeginn der neuen Folgen beim Eröffnungsfest hervorgehoben. Er wünschte gutes Gelingen und verschwand im Rathaus.

      Matti und Ev begrüßten ihre Kollegen und stiegen ins Boot. Es waren einige Aufnahmen vom Wasser aus zu drehen. Als sie gerade ablegen wollten, bemerkte Bingo verwundert den Regisseur vom Vorjahr, den Chef, der über den Hauptplatz eilte. „Wat macht der denn hia?“, fragte er. Da keiner eine Antwort wusste, winkte Bingo dem Mann zu, der heute trotz eines neuen, eleganten hellen Maßanzugs, irgendwie ziemlich alt aussah. Der alte Regisseur winkte zurück und eilte zum Hotel Austria. „Wahrscheinlich hat er immer noch eine Geliebte in Gmunden“, mutmaßte der Bootsführer. Dann fuhren sie mit ziemlicher Geschwindigkeit los.

       13. Flori ist ein Schulkind

      Schimek hatte heute drehfrei und saß mit seiner Enkelin Flori beim Frühstück auf der Terrasse des Gasthofs Grünberg. Er war bester Laune: Die Sonne schien, endlich konnte man einmal draußen sitzen und über den glitzernden See nach Gmunden hinüber schauen. Er zog seine Strickjacke aus und legte sie auf die Bank neben sich. Genau die richtige Temperatur, das war ein Wetter nach seinem Geschmack.

      Zufrieden stippte er sein Kipferl in eine Schüssel mit frischer Marillenkonfitüre, die von der Grünberg-Wirtin noch immer hausgemacht wurde. Der Kellner brachte zwei Spiegeleier mit kross gebratenem Speck. Schimek überlegte, ob er sich ein kleines Bier dazu bestellen sollte. Aber in diesem Moment sagte Flori: „Für dein Alter frühstückst du ziemlich ungesund, Opa!“

      Schimek zog eine Augenbraue hoch und sah das Mädchen verwundert an. Dann machte er sich über den Speck und die Eier her und fand beides köstlich. Was sollte daran ungesund sein?

      Flori begann, ihn über Cholesterin und Blutfettwerte aufzuklären. Schimek legte für einen Moment die Gabel aus der Hand und sah seine Enkeltochter verblüfft an. „Na, die werden sich ja freuen, wenn du im Herbst eingeschult wirst! Da kriegen’s ein ganz schlaues Kind!“ Flori sah ihn kopfschüttelnd an. Wahrscheinlich läge das nun wieder daran, dass sein Rotweinverbrauch zu hoch war.

      Sie käme im Herbst in die 2. Klasse! Schimek war irritiert. Gestern Abend hatte er blaue Geisterinnen gesehen und heute bringt er alles durcheinander. Wahrscheinlich hatte Flori mit dem Rotwein Recht.

      Er vermied das Thema und fragte, was sie denn heute unternehmen wollten. Flori


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