Wie Opas schwarze Seele mit einem blauen Opel gen Himmel fuhr. Albrecht Gralle

Wie Opas schwarze Seele mit einem blauen Opel gen Himmel fuhr - Albrecht Gralle


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zu Hause. Und am Anfang fanden wir es alle ganz lustig, aber mit der Zeit … na ja, ihr werdet es selbst sehen.“

      „Habt ihr ihn denn nie gefragt, warum er das macht?“, meldete sich Sven.

      „Natürlich. Aber er ist uns immer ausgewichen und hat so allgemein geredet, dass er es eben interessant fände, was es so alles gibt. Aber es muss etwas dahinterstecken, sonst würde er es nicht schon so lange machen.“

      Sie dachte nach und sagte dann zu Sven: „Und bitte sei nicht so frech zu ihm. Er ist unberechenbar und kann jähzornig werden, wenn man ihn reizt.“

      „Ja, ja, er hat ja auch schon einen Weltkrieg überlebt. Aber was soll ich machen, wenn er unverschämt wird? Wie hast du es nur zu Hause ausgehalten?“

      „Die Berufstätigkeit der Männer ist ein Segen“, sagte sie, und ich verstand nicht ganz, was sie damit meinte. Aber sie fuhr gleich fort: „Sven! Er ist ein alter Mann. Du kannst ihn nicht ändern. Wir haben schon alles ausprobiert. Und bei dem Thema Glauben kann er manchmal direkt ausfallend werden. Am besten gar nicht groß darauf eingehen, dann beruhigt er sich.“

      „Da würde ich mir an seiner Stelle verarscht vorkommen.“

      „Also bitte, Sven, deine Wortwahl ist wirklich ordinär! Woher hast du das bloß?“

      „Ich rede völlig normal. Du musst mal hören, was andere so sagen. Dagegen bin ich der reinste Musterknabe.“

      „Aha!“

      Mit diesem Kommentar beschlossen wir das Essen. Zum Glück war Anna mit dem Ausräumen der Spülmaschine dran. Um die Teller wegzuräumen, musste sie allerdings auf einen Stuhl steigen.

       3

      Mitten in der Nacht wurde ich wach. Es war, als ob in den Wänden Tiere wären, die hin- und hertrippelten. Vielleicht Mäuse? Sie trippelten eine Zeitlang, waren still, als ob sie lauschten, dann rannten sie wieder los.

      Ich fand es ein bisschen eklig, dass Tiere in unserem Haus waren und Lärm machten. Warum hatte ich sie nicht früher gehört? Vielleicht nagten sie die Holzbalken an, und eines Tages würde dann das ganze Haus zusammenbrechen. Zum Glück stand mein Bett an der Wand, da war es am sichersten. Aber trotz der Mäuse schlief ich dann doch wieder ein.

      Morgens, beim Frühstück, saß Opa fertig angezogen und rasiert wieder auf meinem Platz und ließ sich von meiner Mutter bedienen.

      „Der Kaffee kann ruhig ein bisschen stärker sein“, meckerte er. Meine Mutter tat so, als ob sie ihn nicht hörte, und fragte: „Wie hast du geschlafen, Papa?“

      Er schlürfte lautstark seinen Kaffee und sagte: „Geht so. War eine Zeitlang wach und habe getippt.“

      „Was hast du denn getippt, Opa?“, fragte Anna. „Schreibst du ein Buch?“

      „Inzwischen könnte es fast ein Buch sein“, brummte er.

      „Opa schreibt Briefe an die Zeitung“, sagte meine Mutter und holte ein neues Marmeladenglas. Sie sah ihren Vater an und fuhr fort: „Obwohl es mir schleierhaft ist, was du da schreibst. Du bist doch gestern erst angekommen …“

      „… und hab gestern schon euer Käseblatt durchgelesen. Abgesehen von den zahlreichen Schreibfehlern gab es einiges zu bemerken. Wo ist eigentlich Sven?“

      „Schon weg“, mampfte ich.

      „Erst schlucken, dann reden, und jetzt das Ganze in einem richtigen Satz!“

      „Wieso?“ Ich sah ihn erstaunt an. „Was denn für einen Satz?“

      „Subjekt, Prädikat, Objekt, eben ein vollständiger Satz“, erklärte Opa, „nicht solche hingeworfenen Halbsätze. Also: Sven ist gegangen. Wohin? Zur Universität.“

      „Aber Opa“, sagte ich, „das hört sich doch komisch an: Sven ist gegangen zur Universität. Es heißt doch: Sven ist zur Uni gegangen, und dann ist doch das Verb am Schluss!“ Ich merkte, wie meine Mutter kurz grinste, aber sofort wieder damit aufhörte.

      Opa presste aus irgendeinem Grund die Zähne oder sein Gebiss zusammen und sagte: „Das weiß ich auch. Das liegt an dem zusammengesetzten Verb. Im Deutschen steht dann das Verb am …“

      „Sven musste schon los“, sagte Anna und blickte ihren Großvater glücklich an.

      „Falsch!“, grunzte Opa. „Müssen ist ein Hilfsverb und kann nicht allein stehen. Es heißt: Sven musste schon losgehen.“

      „Aber wir sagen doch auch: Ich muss aufs Klo“, warf ich ein.

      „Das ist Umgangssprache!“

      „Sind wir hier in der Schule?“, fragte meine Mutter. „Also bitte, Papa!“

      „Annika, du lässt hier viel zu viel durchgehen. Meine Enkel sollen richtiges Deutsch sprechen.“

      „Was ist denn ein Werb?“, fragte Anna. „Ist das was aus der Werbung?“

      „Das ist ein … ein Tuwort“, erklärte Opa. „Das richtige Sprechen bringe ich euch im Laufe der Zeit noch bei.“

      „Auf die Art werden sie es nicht lernen. Und wenn du sie so anmachst, sagen sie lieber gar nichts, wenn du dabei bist.“

      „Ich finde, Opa redet wie ein Ausländer“, sagte ich: „Sven ist gegangen zur Universität. Das ist ein ganz falsches Deutsch.“

      „Zum Kuckuck!“, rief Opa und setzte seinen Becher etwas laut ab, sodass ein bisschen Kaffee danebenschwappte. „Ich lass mir von deinen Kinder nicht sagen, dass ich wie ein Ausländer rede!“

      „Aber vorhin hat Opa gesagt …“, begann ich …

      „Schluss jetzt, René. Er wollte damit etwas anderes klarmachen. Ihr könnt euch nach dem Essen von mir aus stundenlang über Grammatik unterhalten, aber nicht unbedingt in der Küche.“

      „Was ist Gramaatik?“, fragte Anna.

      „Wie die Sätze aufgebaut sind“, erklärte Opa.

      „Das ist aber auch kein vollständiger Satz“, wollte ich sagen, aber ich kam nicht dazu, weil meine Mutter anfing zu husten, obwohl sie gar nicht erkältet war.

      Danach verlief das Frühstück etwas ruhiger. Opa griff nach der Zeitung, und sein Kopf verschwand hinter den Blättern.

      Obwohl Anna erst später Unterricht hatte, gingen wir zusammen los, weil wir dieselbe Richtung hatten. Sie traf sich dann mit einer Freundin im Pausenhof, bis ihre Stunde begann.

      Wir hatten Religion. Das war ein Fach, wo ich ziemlich gut war.

      Eigentlich gab es keine Geschichte in der Bibel, die ich nicht kannte. Herr Klinke, unser Religionslehrer, war auch ganz nett. Er war Pfarrer und musste in der Schule Unterricht geben. Vielleicht machte er es ja auch freiwillig. Meistens war es langweilig, aber ab und zu hatte er auch gute Ideen. Das Komische an ihm war, dass er die Worte so seltsam betonte. Plötzlich sagte er etwas ganz laut und dann wieder leise.

      Meine Mutter meinte, das hinge mit dem Predigen zusammen. Manche Pfarrer denken, sie müssten irgendwie geschwollen daherreden. Jedenfalls war er diesmal guter Laune und vergaß alles Geschwollene.

      „Heute machen wir mal ein Bibelquiz.“

      Paul, dessen Vater bei der Bank arbeitete, meldete sich: „Kann man da etwas gewinnen?“

      „Ja“, nickte Herr Klinke. „Das wirkt sich auf deine Gesamtnote aus. Also, passt auf. Ich erzähle euch Geschichten, und ihr müsst herausfinden, ob sie in der Bibel stehen oder nicht, und wenn ja, wie sie heißen. Seid ihr bereit? Mirka, leg deinen Schokoriegel weg, den kannst du in der Pause essen.“

      „Aber ich hab noch gar nicht gefrühstückt.“

      Herr Klinke seufzte: „Einen Bissen, damit du was im Magen hast, und den Rest später. Zustände


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