Abpfiff. Dominique Manotti
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Dominique Manotti
ABPFIFF
Aus dem Französischen
von Andrea Stephani
Ariadne Kriminalroman 1197
Argument Verlag
Mit Abpfiff liegt endlich der dritte Daquin-Fall auf Deutsch vor.
Commissaire Théo Daquin vom Pariser Drogendezernat ist alles andere als ein kuscheliger Serienkommissar. Das Aufgehobensein in Gesellschaft stellt für den selbstsicheren, autarken Randständigen keine Verlockung dar. Er ist aber auch kein leidendes, von der grausamen Realität gequältes Ermittlerwrack.
Daquin ist überhaupt kein Empathiker, er ist – so zumindest lese ich ihn – eine fiktive Waffe. Er ist die skalpellscharfe Klinge, mit der Dominique Manotti die metastasierenden Manöver derer seziert, die über dem Gesetz zu stehen glauben. Er ist die robuste Machete, mit der allein sich Breschen ins Dickicht des organisierten und im Kapitalismus des späten 20. Jahrhunderts so behaglich etablierten Verbrechens schlagen lassen. Für den Kampf gegen solche Gegner ist er gerüstet mit Scharfsinn, Eleganz, Brutalität, Leidenschaft und Hybris. Damit er dort ermitteln kann, wo die großen Verbrecher sich am sichersten fühlen; damit er wie sie Schwächen ausbeuten und einschüchtern und Strippen ziehen kann. Nur ein Berserker wird in dieser Arena mehr als eine Runde durchstehen. Also ist Daquin ein Berserker, eine hochgradig männliche Waffe mit Sinn für Schönheit und gutes Essen, und mit Wut und Espresso als Treibstoff.
Das tut gut in Manottis Noir-Universum, das mir so klug und kühl eine zutiefst korrupte Wirklichkeit enthüllt, wo es faktisch keine Unschuld gibt, keinen Edelmut und keine regelnden Guten. Sondern Täter und Opfer und Mittäter aller Couleur, vielleicht hier und da ein paar strampelnde, verbeulte Idealisten. Hatten die je eine Chance?
Aber hier, in diesem atemlosen, radikal unverlogenen Krimikosmos, gibt es Daquin. Zu dem sein auf Wirtschaftsdelikte spezialisierter Untergebener Lavorel sagt:
»Chef, ich möchte, dass Sie meine Versetzung erwirken, bevor Sie gehen.«
»Wer sagt, dass ich gehe?«
»Zwei Fälle mit einem solchen politischen Nachhall in nicht mal einem Jahr, man wird Ihnen eine spektakuläre Beförderung auf einen ehrenvollen Posten anbieten, wo Sie endlich keine Gefahr mehr darstellen.«
Die Realität ist noir. Else Laudan
Ariadne Kriminalromane
Herausgegeben von Else Laudan
Titel der französischen Originalausgabe: Kop
© 1998, 2001, Éditions Payot & Rivages
Deutsche Erstausgabe
Alle Rechte vorbehalten
© Argument Verlag 2015
Glashüttenstraße 28, 20357 Hamburg
Telefon 040/4018000 – Fax 040/40180020
Umschlag: Martin Grundmann
Fotomotiv: © burak çakmak, Fotolia.com
Lektorat: Iris Konopik & Else Laudan
Satz: Iris Konopik
1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2016
ISBN 978-3-86754-978-3
Erste Auflage 2015
Inhalt
Erster Tag - Donnerstag, 3. Mai 1990
Zweiter Tag - Freitag, 4. Mai 1990
Dritter Tag - Samstag, 5. Mai 1990
Vierter Tag - Sonntag, 6. Mai 1990
Fünfter Tag - Montag, 7. Mai 1990
Sechster Tag - Dienstag, 8. Mai 1990
Siebter Tag - Mittwoch, 9. Mai 1990
Erster Tag
Donnerstag, 3. Mai 1990
Die erste Salve erwischt den Mann und die Frau von hinten, die Körper stürzen auf den menschenleeren Platz vor dem Einkaufszentrum. Das Motorrad beschleunigt, zweite Salve im Vorbeifahren, die Leichen zucken unter den Einschlägen. Eine der Glastüren der Brasserie am Passageneingang zerbirst. Die Kellner werfen sich zu Boden. Der Schütze schwenkt unter Freudengeheul seine Maschinenpistole, und der Fahrer gibt mit halsbrecherisch hochgezogenem Vorderrad Vollgas. Der Geschäftsführer hastet zum Telefon. Das Motorrad wendet, quert den Mittelstreifen, biegt auf die fast leere vierspurige Straße ein, fährt über Rot und verschwindet.
Der Anruf geht um 10 : 03 Uhr beim Kommissariat von Levallois ein. Schießerei vor dem Einkaufszentrum. Tote oder Schwerverletzte, die Motorradtäter sind offenbar flüchtig. Um 10 : 45 Uhr betritt Lavorel ohne Anklopfen das Büro. Daquin sitzt vor einem Stapel Notizen am Computer und schreibt einen Bericht über die Ecstasy-Vertriebskanäle in Paris. Kann gerade mal aufblicken.
»Romero ist erschossen worden«, sagt Lavorel. Daquin steht auf, bleich, Kiefer zusammengepresst. »In Levallois, von zwei Kerlen auf einem Motorrad.«
Kurz nach den Morden von Levallois, gegen 10 : 30 Uhr in Argenteuil. Die beiden Kontaktbeamten der Cité Gagarine, eine Reihe vierstöckiger Betonklötze in Pastellfarben, Blau, Rosa, Orange, trinken im gegenüberliegenden Café-Tabac auf der Grenze zur Einfamilienhaussiedlung gerade ein Gläschen Roten, um die guten Beziehungen zur lokalen Bevölkerung zu pflegen, als ein schwarzes Motorrad angerast kommt und mit quietschenden Reifen vor Block C, Aufgang A hält. Zwei Männer, schwarze Montur, schwarzer Helm, steigen ab. Einer von ihnen nimmt eine Maschinenpistole aus der Satteltasche und streckt sie zum Zeichen des Triumphs zweimal zu den Fenstern des Gebäudes hoch, dann stürmen die beiden ins Treppenhaus.
Die Kontaktbeamten blicken sich an, ein Wink zum Wirt: keine Sorge, sind gleich zurück, sie überqueren die Straße, betreten vorsichtig das Gebäude und folgen den Unbekannten in respektvollem Abstand. Nicht schwer, die lachen und rangeln auf der Treppe, grölen unzusammenhängende Satzfetzen. Ein Stockwerk, zwei, drei, dann ihre Schritte im vierten und eine zuschlagende Tür. Die Kontaktbeamten warten einen Moment, steigen hoch in den Vierten, Hand an der Waffe, gehen mit gespitzten Ohren an den Türen entlang. Wohnung 406, kein Zweifel, die beiden Männer sind dort, man hört sie