Affären einer Pharmareferentin. Ute Richter
und die männliche Ausstrahlung schien verflogen zu sein.
Nur mühevoll konnte sie dieses Entsetzen vor ihm verbergen. Fast teilnahmslos saß er ihr gegenüber. Hörte er ihr überhaupt zu? Mit feuchten Händen gestikulierte sie aufgeregt, beschrieb die Medikamente und ihre Anwendungsbereiche, die neu auf dem Markt erschienen waren. Sie bemerkte die Unsicherheit, die sie erfasste und sich in ihr festfraß, doch nichts hielt sie davon ab, das Gespräch fortzusetzen. Was sie sah, gefiel ihr gar nicht. Ein Wrack war aus ihm geworden. Sehr gelassen lehnte er sich zurück, betrachtete Susi und lächelte ein wenig: „Frau Reuther, wir beide wissen, wie gut diese Medizin ist und viele meiner Patienten könnten ohne Ihre Pillen gar nicht mehr leben. Darum nehme ich Ihnen gleich die doppelte Menge ab, wenn der Preis stabil bleibt. Sehen Sie, es kommen täglich so viele Pharmareferenten zu mir und nicht immer stimmt das Preis-Leistungsverhältnis, aber mit Ihren Medikamenten habe ich sehr gute Erfahrungen gemacht und daran möchte ich gern festhalten. Außerdem finde ich Sie sehr charmant! Auch das muss einmal gesagt werden!“
Er zwinkerte ihr zu mit einem Lächeln und nun schien er wieder der Alte zu sein. Im weiteren Gespräch bekam sein Gesicht etwas Farbe. Hatte sie ihm vielleicht zum Flirten angeregt? Ja, es schien so. Beiden blieb genug Zeit für eine persönliche Unterhaltung, denn das Wartezimmer war noch stets leer. Warum auch nicht, ihr Umsatz stimmte und nun konnte sie zum gemütlichen Teil übergehen.
Susi schaute auf seine Hände, die so viel über einen Mann sagen können. Schön und gepflegt sahen sie aus. Außerdem trug er keinen Ehering! Somit nahm im Laufe der Unterhaltung ihr Interesse an ihm wieder zu und seine Intelligenz spielte dabei keine unwesentliche Rolle!
„Frau Reuther, lieben Sie Jazz? Wissen Sie, ich gehe jeden Sonntag ins Jazz-Cafe und wenn Sie möchten, können Sie gern einmal mitkommen!“ sagte der Doktor.
Sie war sehr überrascht und antwortete spontan: „Gern, sehr gern! Auch ich bin ein Fan von Jazz, z. B. finde ich Django Reinhardt toll. Seine Musik machte die Menschen schon vor ca. fünfzig Jahren glücklich und heute sind es meist Zigeuner, die seine Stücke noch wirklich gut spielen können.“
„Sie kennen Reinhardt, das beeindruckt mich und das hätte ich – ehrlich gesagt – nicht erwartet von Ihnen!“ strahlte Dr. Braumeier. Beide waren von diesem Gespräch angetan, und vereinbarten für den kommenden Sonntag einen gemeinsamen Besuch im Jazz-Cafe.
„Also dann bis Sonntag Dr. Braumeier!“ verabschiedete sich Susi mit einem kräftigen Händedruck.
Er erwiderte: „Ich freue mich darauf! Auf Wiedersehen!“ Zu Hause nahm sie ein Bad und machte sich schick für den gemeinsamen Abend mit Imke.
Mit Sicherheit würde sie alles über die neue Errungenschaft, Richard den Grafiker, erfahren und wie weit die beiden zusammen gekommen waren. Imke hatte noch nie etwas anbrennen lassen.
Nur allzu gut kannte sie ihre Freundin, und wusste deshalb genau, dass sie ihre erotischen Erlebnisse und Bettgeschichten preisgeben würde. Unter beiden Freundinnen gab es keine Geheimnisse, bis ins Detail erzählten sie sich alles und das war okay so!
Imke beriet Susi stets perfekt in Sachen Männer, deshalb nahm sie sich vor, das Gespräch heute auf reifere Männer zu lenken, sprich auf Dr. Braumeier. Sie trafen sich, wie verabredet in einem griechischen Restaurant, unweit von Susis Wohnung.
Beide begrüßten sich herzlich und während sie sich umarmten, flüsterte Imke: „Hab’ Dir viel zu erzählen, ich glaube, mich hat es wiedermal mächtig erwischt. So verknallt war ich noch nie!“
Oft genug hatte Susi das schon gehört, aber naja vielleicht meinte sie es dieses Mal seriös. Kaum vorstellbar bei Imke und doch möglich, denn sie hatte etwas, was Männer betörte.
Sie sah einfach umwerfend aus.
Stets war sie perfekt gekleidet und fand für jeglichen Anlass die passenden bzw. entsprechenden Klamotten.
Überall konnte sie sich sehen lassen, ob es nobel zuging und sie im kleinen Schwarzen erschien oder ganz leger im Jeanslook mit Stirnband in einer verqualmten Kneipe rumhing, sie machte stets eine gute Figur und jeder Kerl versuchte, sie abzuschleppen.
Susi beneidete sie deshalb, denn solche Fähigkeiten besaß sie leider nicht. Im griechischen Restaurant setzten sich die Beiden an einen Tisch, an dem sie ungestört plaudern konnten.
Sie bestellten eine Flasche Wein und einen Kreta-Teller für zwei Personen. Ein gut gewachsener, griechischer Kellner bediente und verwöhnte die Freundinnen mit seinem Charme.
„Mit einem Griechen hab’ ich es noch nie getan! Und Du?“ kicherte Imke. „Natürlich nicht, Du kennst mich doch! Aber letzte Woche hatte ich einen Italiener!“ betonte Susi, denn sie wollte endlich mitreden können, wenn es um Männer ging.
Imke sperrte Maul und Nase auf und antwortete völlig verwirrt: „Wie bitte, Du hast es mit einem Italiener getrieben? Wow! Das hätte ich Dir nicht zugetraut. Mein Gott, Du überraschst mich immer wieder. Erzähl’, wie war es!“
Voller Neugier beugte sie sich über den Tisch, um kein Wort zu verpassen und ihre Augen leuchteten vor Aufregung.
Susi begann beim Urschleim, um die Affäre mit Silvio in allen Farben und Einzelheiten zu schildern.
Imke verfolgte die Geschichte sehr aufmerksam, ohne dabei ein Wort zu verlieren, denn wenn es um Männer ging, war sie in ihren Element. Prompt kam ihr Kommentar: „Mein Gott Susi, da bist Du aber sehr naiv gewesen. Die Italiener sind doch bestens dafür bekannt, dass sie nur auf Sex fixiert sind. Eine heiße Nacht und dann Arrivederci. Ich habe zweimal mit einem italienischen Mann geschlafen, natürlich nicht mit ein und demselben. Einen Zweiten probierte ich aus, um mein Urteil abzurunden und was soll ich Dir sagen? Die gleiche Scheiße nochmal! Nach einigen Minuten rein und raus, waren sie fertig, schön, he? Und ich hatte noch nicht einmal Zeit, um warmzulaufen. Diese Karnickelnummer ist so ziemlich das Allerletzte, für mich jedenfalls! Nie wieder einen Italiener, soviel weiß ich inzwischen.“
Nun legte sie ein sanftes Lächeln auf, zeigte mit ihrem Finger zum Kellner und fuhr weiter fort: „Aber einen Griechen möchte ich gern mal vernaschen. Die haben Feuer im Blut, da verwette ich meinen Arsch. Guck ihn Dir doch mal genauer an, dieser Ausdruck von Leidenschaft in seinen Augen, siehst du das? Glaub’ mir Susi, so einer kann es Dir besorgen, dass Du zum Schluss nicht mehr weißt, was hinten und vorne ist. Ich kann es förmlich riechen, da ist nix mit hopphopp und fertig! Die nehmen sich Zeit für die Liebe und so muss es auch sein, sonst hat eine Frau nichts davon. Was meinst Du, soll ich ihn anmachen?“
„Aber Imke, ich denke, Du bist verliebt in Richard?“ fragte Susi.
Sie konterte sofort: „Na und, er muss es doch nicht erfahren. Aber ich wäre wieder eine Erfahrung reicher, was die Männer angeht. Ehrlich gesagt, dieser Kellner könnte mir schon ganz gut gefallen. Man muss kein Architekt sein, um zu sehen, dass auch hinter der Fassade ein solides Mauerwerk steckt. Man Susi, sei doch nicht so prüde, das Leben ist zu kurz, um sich ständig über alles Gedanken machen zu müssen. Weißt Du, dass ich innerhalb von Europa Männer fast aller Nationalitäten ausprobiert habe? Es fehlen mir noch – präzise gesagt – ein Finne, ein Schwede, und natürlich ein Grieche. Sogar zwei Russen habe ich schon vernascht! Wenn ich soweit bin, werde ich meine Erfahrungen mit diesen Männern in einem Buch veröffentlichen. Wie findest Du das? Natürlich benutze ich ein Pseudonym zum Schreiben, bin ja nicht verrückt, und lasse mir von all’ den Kerlen die Rübe einschlagen. ‚Das Sexualverhalten der europäischen Männer‘ so der Titel des Buches. Klingt doch cool – oder?“
Susi sah man ihre Sprachlosigkeit an. Konnte sie das glauben oder bluffte sie nur? Schließlich war Imke ihre beste Freundin und keine Nutte! Oder doch? Nein, sie tat es ausschließlich für ihr Buch, um den Lesern ihre Erfahrungen mitteilen zu können.
Dafür gebührte ihr Respekt, denn mit Sicherheit gab es nicht viele Frauen, die sich wie Imke, dafür aufopferten. Ja, sie war eine Heldin! Susi – von Stolz erfüllt, eine solche Freundin zu besitzen – antwortete: „Warum hast Du mir nie etwas davon erzählt? Wirklich, ich bewundere Dich dafür!“
Imke schmunzelte verwegen