Tote und andere Entdeckungen. Daniel Juhr
Ich habe nicht das Geld, um mich irgendwo auf der Welt zu verstecken. Wenn ich zur Polizeiwache nach Wipperfürth fahre, folgt Leo mir, sobald ich sie verlasse. Falls die mir nicht versprechen, mich als Kronzeugin ins Zeugenschutzprogramm aufzunehmen. Ja, dann werde ich einer dieser leeren Menschen sein, die keine Vergangenheit mehr haben dürfen und deren Gegenwart nur noch ein wackeliges Lügengerüst ist. Die Polizei melkt mich, bis der Prozess vorbei ist. Danach bin ich nur noch teuer für sie und am Ende verrät mich so ein kleiner Beamter, der ein bisschen Kleingeld für die Abzahlung seines Kredits für sein langweiliges Reihenhäuschen braucht.
Leo:
Karl sagte noch, ich sei der einzige, bei dem Marianne nicht leiden würde. Ich bin Präzisionsschütze. Meine Stärke richtet sich nun gegen mich. Vielleicht hätte ich Karl meine Pistole auf der Pflaumenkirmes an genau diese Stelle legen sollen, an der es kein Zurück ins Leben gibt. Aber ich mache mir nichts vor: Wenn ich abdrücke, dann lässt sein Nachfolger Marianne und mich umbringen. So einfach ist das. Die Strukturen sind völlig berechenbar. Mariannes Tod ist daher sogar ökonomisch. Weil er Menschenleben schont.
Marianne:
Ich bin auf einmal so klar wie schon seit langem nicht mehr. Angst kann dich dazu bringen, wegzulaufen oder zu kämpfen. Auf jeden Fall schärft sie deine Sinne. Und da mir klar ist, was sein wird, bin ich plötzlich wieder im Spiel. Es gibt nur einen einzigen Ort, an dem ich überleben kann. Und den Ort kennen nur wir beide – Leo und ich: unsere Wiese im Wiebachtal. Dort, wo er mir auf seine Art zu verstehen gegeben hatte, dass er mich begehrt, mich haben will.
Ich werde Leo auf unsere Wiese locken.
Leo:
Ich habe Marianne seit Jahren nicht mehr gesehen. Damals im Wiebachtal hatte sie diesen federnden Gang einer ganz jungen Frau, die weiß, dass ihr die Männer hinterher schauen. Dass sie gar nicht anders können. Wenn ich eine Frau von weitem gesehen habe, konnte ich sie an ihrem Gang erkennen. Wird es noch wie damals sein? Solche Gedanken gehen mir durch den Kopf. Ich werde aber nicht zu einem Rendezvous gehen, sondern eine Frau umbringen, die ich immer noch liebe.
Marianne:
Ich werde mein Sommerkleid mit den Rosen anziehen.
Für Leo.
Für meinen letzten Tag oder meinen ersten.
Ich fange dich ein
mit wilden Sommerrosen
und tanze für dich
den uralten Tanz.
Noch einmal halt mich so fest
wie blaue Sommerwinden
und verliere dich an mich
in unserer letzten Nacht.
Die Autorin: Irmgard Hannoschöck
Irmgard Hannoschöck lebt und arbeitet in Hückeswagen. Sie ist mit Leidenschaft Fachkraft für Suchtvorbeugung, Künstlerin, Autorin und Lektorin. Zahlreiche ihrer Kurzgeschichten hat sie bereits bei Lesungen vorgestellt. In der Anthologie „Morde und andere Gemeinheiten“ wurden drei ihrer Geschichten veröffentlicht. Sie ist Mitbegründerin und Mitglied der Autorengruppe „Die Schreib Weisen“ sowie Mitglied der Autorengruppe „Wortschmiede“.
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