Vergebung befreit. Sascha Ansahl
Ich ist. Dann, und erst dann kann die Reise nach Hause beginnen – in das Herz Gottes. Da er aber das alles scheinbar vergessen hat und nicht immer mit „dem Herzen denkt und dem Verstand fühlt“, erfährt er auch die eine oder andere Verletzung und teilt dementsprechend Verletzungen und vielleicht auch harsche Worte aus. Das ist der wahre Grund, warum die Seele immer wieder inkarniert.
Es geht um Wiedergutmachung, um Vergebung, um Frieden, Freude und Humor, um Dankbarkeit und Liebe. Erst, wenn der Mensch feststellt, dass er selber keinen wahrhaften Frieden fühlt, erwacht in ihm die Erkenntnis, dass etwas nicht stimmt. Es ist die Sehnsucht in seinem Herzen, die erwachen muss, die Sehnsucht nach Frieden. Der Mensch muss den tiefen Wunsch haben, seine Seele wiederzuerkennen, und er muss fühlen, dass die Seele sein wahres Zuhause ist. Er muss erfahren, dass das Herz die Verbindung zu seiner Seele ist und nicht seine Vorstellungen von Schmerz und Leid. Die Seele wird durch das karmische Gesetz des Ausgleiches immer wieder gezwungen neu zu inkarnieren, aber sie hat nach dem Tode auch ausreichend Zeit, sich auszuruhen. Sie kann dann in aller Ruhe auf alle Situationen des vergangenen Lebens schauen. Sie kann Fehler erkennen und sich vornehmen, in dem nächsten kommenden Leben, positive Eigenschaften zu entwickeln. Zum Beispiel Vergebung zu erlernen. So wird die Seele immer und immer wieder in diese scheinbar vom Herzen getrennte Welt geboren, bis sie wieder lernt, auf ihr Herz zu hören, dem Herzen Gottes.
Bild 21: Die Seele überlegt, was sie in der nächsten Inkarnation wiedergutmachen – wandeln – möchte
3
Die alte Dampflok:
Mit festem Willen ahnungslos ans Ziel
Ja, ich sage es noch einmal: Sei mutig und entschlossen! Lass dich nicht einschüchtern, und hab keine Angst! Denn ich, der Herr, dein Gott, bin bei dir, wohin du auch gehst.”
Josua 1,9
Sobald Gott einer Seele Entrückungen gestattet und sie sich seiner, auch nur für einen kurzen Moment gewahr wird, wird eine Seele sich entscheiden zu vergeben und den Weg zurück ins Herz anzutreten. So entzieht sie sich dem negativen Denken und Fühlen, den Sinnen. Sie befreit sich aus dem Gefühl, ohnmächtig zu sein, und stemmt sich gegen das Verstandsdenken, dem Ego. Sie wird wieder mächtig und bekommt ihre innewohnenden Kräfte langsam, aber stetig zurück. Der Mensch fängt dann langsam und zaghaft an, über Vergebung, Hingabe, Demut, Wertschätzung und andere Tugenden nachzudenken, und wer er wahrhaftig ist und woher er einst gekommen ist. Je mehr Willen er dazu aufbringt, desto schneller findet der Mensch zurück in sein Herz.
Ich stemmte mich entschlossen und mit aller möglichen Kraft gegen alle Widrigkeiten, die sich mir in meinem Leben in den Weg stellten. Ich schaufelte mich gegen alles, was sich mir und meiner großen Liebe Gott in den Weg stellte, frei und hatte dabei lange Zeit folgendes Bild vor Augen:
Ich sah mich einen Zug besteigen, ohne zu wissen, wohin die Reise gehen sollte. Genau genommen betrat ich die Lok des Zuges, eine sehr alte, aber schöne und kraftvolle Dampflok. Ich betrachtete in Ruhe den gesamten Zug. Es waren sehr viele alte und teils sehr unschöne Waggons zu erkennen. Ich konnte aber nicht in die Abteile schauen oder näher in die Waggons einsehen. Und wollte das zu diesem Zeitpunkt auch nicht. So bestieg ich das Führerhaus der alten Dampflok. Als ich mich in ihr umsah, bemerkte ich, dass die alte Lok tatsächlich noch mit Kohlen beheizt wurde.
Eine etwas in die Jahre gekommene Schaufel stand neben dem Kessel und intuitiv spürte ich eine Aufforderung in mir. Es war die Schaufel, die mich jetzt anlachte, und mir war klar, dass es darum ging, Kohlen in den Kessel zu schaufeln. Also nahm ich die Schaufel und begann Kohlen in den Kessel zu schippen. Es war ein erhebendes Gefühl, zu erleben, wie jede mit Kohlen vollgeladene Schaufel, die ich in den Kessel warf, die Dampflok langsam, aber stetig auf Fahrt brachte. Ich begann immer schneller und intensiver den alten Kessel unter Dampf zu setzen. Mich interessierte nur das Schaufeln der Kohlen. So war ich nicht darauf bedacht, die Lok zu führen, sondern nur den Kessel anzuheizen.
Die alte Dampflok selbst schien ihren Weg bestens zu kennen. Über Stunden war ich sehr mit dem Schaufeln beschäftigt, so sehr, dass ich nicht bemerkte, wie der Kessel immer mehr Druck aufbaute. Die kleine Anzeige lag schon lange im roten Bereich. Ich schwitze, und es war heiß. Wie von Sinnen begann ich nun ohne Unterlass den Kessel zu befüllen. Es muss wirklich verrückt ausgesehen haben. Ein junger Mann schaufelt wie von Sinnen Kohlen in den Kessel einer alten Lok, während diese in immer höherem Tempo führerlos an Fahrt zulegte. Tage und Wochen vergingen, während ich in ekstatische Zustände geriet.
Je mehr ich schaufelte, desto ekstatischer wurde ich. Angetrieben von dem festen Willen, die alte Lok auf Volldampf zu bringen, gab ich alles, immer mehr. Ich bemerkte dabei nicht, wie schnell wir fuhren, und auch nicht, wie sich immer mehr alte Waggons unter krachendem, lautem Getöse vom Zug trennten. Alte, längst überholte Waggons, die dem Tempo nicht mehr standhalten konnten, brachen entzwei. Hörte ich es irgendwo krachen oder zischen, schaufelte ich einfach noch weiter und weiter. Die Fahrt ging auch über alte, sehr lange Holzbrücken. Manch ein Ingenieur hätte diese sicherlich für unbefahrbar gehalten, aber ich hatte keine Zeit, dem Beachtung zu schenken oder abzuwägen, ob die Brücke standhalten würde oder nicht. Es gab für mich nur ein Ziel: Dampf machen und Fahrt aufnehmen. Oft brachen die Brücken, noch während ich darüberfuhr, unter donnerndem Krachen in sich zusammen. Es war mir egal, ich war beseelt von dem Wunsch, die alte Lok anzuheizen.
Ich wusste bis dahin nicht, dass ich den göttlichen Zug bestiegen hatte, der, wenn er einmal entschlossen betreten wird, nur einen Weg kennt: direkt in das Herz Gottes. Ja, es krachte und krachte und manches Mal erschrak ich, aber ich wagte nicht, den Kopf zu heben, und schaufelte im Schweiße meines Angesichts die Kohlen in den lodernden Kessel. „Ich schaufelte meine Ängste und schweren Lebenssituationen in den Kessel Gottes. Hinein in das Feuer der Liebe.“
Es ist jetzt, während ich das schreibe, ein halbes Jahrzehnt vergangen, in dem ich unaufhörlich schaufle. Manches Mal war ich erschöpft, müde und richtig erledigt, aber eines habe ich nicht verloren, den eisernen Willen zu schaufeln. Wenn ich nun zurückblicke auf die letzten sechs Jahre, so kann ich etwas Wundervolles feststellen. Etwas Wesentliches hat sich verändert. Ich schaufle noch genauso, aber es ist so, als würden deutlich weniger Kohlen benötigt. Die sehr alte liebevolle Dampflok bedarf nicht mehr eines so hohen Tempos. Die Fahrt geht langsamer vonstatten, und es bleibt Zeit für mich, mir den Schweiß von der Stirn zu wischen. Mutig wage ich es, aus dem Fenster zu schauen. Was ich sehe entzückt mich dermaßen, dass ich hier keine Worte finde, es zu beschreiben. Es ist, als könnte ich mit meinem Herzen sehen.
Die alten Waggons sind längst alle abgehangen. Ich hatte es fast nicht bemerkt, so eifrig war ich damit beschäftigt zu schaufeln. Heute fährt die alte Dampflok ruhiger, aber stets in ihrer gewohnten Kraft. Ich habe einige kleine Bahnhöfe passiert und es wurden neue Waggons angekoppelt. Wunderschöne Waggons mit einer so wundervollen Ausstattung und vollgestopft mit Überraschungen.
In einem Waggon kann ich Seelen erkennen, mit denen ich schon sehr lange in tiefer Liebe verbunden bin. Sie gesellen sich zu mir und lassen mich wissen, wie sehr sie sich freuen, weil ich es geschafft habe. Es ist so wundervoll, jetzt ein wenig auszuruhen und die Fahrt ein bisschen zu genießen. Jede einzelne Schaufel, die ich in den letzten fünf Jahren voller Hingabe in den glühenden Ofen geschaufelt habe, waren unentwegte Gebete der Vergebung. Jede einzelne Kohle war ein Erinnern an meinen eigenen Schmerz.
Die alten Waggons an der Lok waren: meine Ängste, meine Leiden, mein Urteilen, mein Verurteilen, meine Unwissenheit davon, dass Gott mich wirklich liebt. Es ist das Vergeben von schmerzvollen Situationen im Alltag. Ich habe sie im Feuer der alten Lok, dem Herzen Gottes verbrannt. Ich vergebe und vergab allem und jedem ohne Unterbrechung. Dem Vordrängler an der Kasse, dem Drängler auf der Autobahn, dem Kriegsführer, den Politikern, den Ungerechten, den Gerechten, meinen eigenen Ängsten, wie Zweifel, Ohnmacht, Wut und Hass. Ich wurde zum Detektiv und spürte und spüre jede einzelne Kränkung in mir auf. Schaufel für Schaufel. Den Schmerz, die Trauer und die Ohnmacht, die aufkam, überrumpelte