Der Zthronmische Krieg. Matthias Falke

Der Zthronmische Krieg - Matthias Falke


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sind KIs im konkreten Geschehen oft seltsam …« Er überlegte. »Überfordert. Wenn mehrere gleichrangige Gegner anfliegen, wird ein Mensch nicht lange überlegen, sondern anfangen, den ersten besten davon unter Feuer zu nehmen. Eine KI wird aufwendige Analysen durchführen. Sie ist darauf programmiert, eine Entscheidung zu treffen, auch wo es objektiv gar keine begründbare Entscheidung gibt.«

      Jennifer schien überzeugt.

      »Hinzu kommt«, sagte sie, »dass ein Mensch Angst vor dem Tod hat. Da lässt man schneller fünf gerade sein.«

      Sie sah den Kommandanten schief an, als forsche sie in seinem aufgedunsenen Gesicht nach ähnlichen Erfahrungen.

      »Die KIs haben eine programmierte Selbsterhaltungsroutine«, sagte Borissowitsch. »Sie dürfen sich nicht vorschnell aufgeben und opfern.« Er grinste sie schwächlich an und deutete mit dem Arm zum Elevatorschacht, um sie endlich zum Gehen zu bewegen. Zu seinem Erstaunen folgte sie diesmal der Aufforderung. »Aber natürlich ist das nicht dasselbe«, sagte er, um sich versöhnlich zu zeigen. Außerdem hatte er in ihren Augen gelesen, dass die Befragung früher oder später auch persönlich werden würde. Und Auskunft darüber zu geben, was er während des Sinesischen Krieges getrieben hatte, verspürte er nicht die geringste Lust.

      Sie betraten das bläulich undulierende Kraftfeld des Elevatorschachtes, das sich mit sanftem Andruck um sie schloss und sie mehrere Hundert Stockwerke in die Tiefe katapultierte. Sie landeten in der Reaktorkammer, die sie zuvor ausgiebig inspiziert hatten. Das Fusionskraftwerk, das die Kampfstation mit Energie versorgte, lief reibungslos. Allerdings wurde der Treibstoff knapp. Die Vorräte an hochverdichtetem Plasma waren auf zehn Prozent der Sollmenge gesunken. Der Frachter war nicht von ungefähr abgefordert worden.

      Ein Stollen brachte sie an die Oberfläche des Ikosaeders. Sie kamen in der Nähe der Brücke heraus, die sie zu Fuß in einem kurzen Slalom erreichten. Jennifer war aufgefallen, dass Borissowitsch seine Männer in der Zwischenzeit angewiesen hatte, in dem Bereich für Ordnung zu sorgen. Überall waren Leute mit Kompressionssäcken unterwegs, die Müll und Essensreste einsammelten. Ioan und einer seiner Kameraden waren damit beschäftigt, die in den Angeln hängende gravimetrische Tür zu reparieren. Man musste etliche Tonnen Abfall aus der Schleuse katapultiert und die Atmosphärentauscher hochgedreht haben. Jedenfalls ließ sich die Luft an Bord der Kampfstation schon beinahe wieder atmen. Und Borissowitschs Leute erschienen neuerdings gewaschen und rasiert, mit ordnungsgemäß sitzenden Uniformen!

      »So weit, so gut«, sagte Jennifer. Sie ließ sich am Hauptbedienplatz nieder und betätigte einige virtuelle Felder der Konsole.

      Die Katze Morgan sprang auf ihren Schoß. Jennifer nahm sie auf den linken Arm und kraulte sie, während sie mit der Rechten den Status der Station abfragte.

      Kommandant Borissowitsch musterte die Szene missgünstig. Es war nicht festzustellen, was ihn mehr verdross: dass Jenny ungefragt seinen Platz einnahm – oder dass das Mistviech Morgan sich in sie verliebt zu haben schien.

      Jennifer hatte ihre Anfrage abgeschlossen. Sie schwenkte ihren gravimetrischen Sessel herum und fixierte erst Borissowitsch, dann Ioan und den anderen Mann, den sie nicht kannte. Die beiden machten sich noch immer an der Durchgangstür zur Brücke zu schaffen.

      »Ich habe um 1600 Standard eine Besprechung mit der MARQUIS DE LAPLACE«, sagte sie schließlich. »Höchste Geheimhaltungsstufe. Es wäre mir recht, wenn wir bis dahin ungestört wären.«

      Sie richtete ihre braunen Augen wie Flakscheinwerfer auf Borissowitsch. Er stotterte etwas vor sich hin, das sie nicht verstehen konnte.

      »Haben Sie kapiert?«, fragte sie und nickte zu den beiden Männern, die jetzt in ihrer Arbeit innehielten und irritiert herüberglotzten.

      »Ich – Verzeihung, Ma’am«, stotterte der Kommandant. »Was haben Sie gesagt?«

      Jennifer knipste ihr gewinnendstes Lächeln an. Aber er wusste, dass es genauso rasch wieder verschwinden konnte.

      »Ich würde gerne ungestört sein«, flötete sie. »Kommandantenebene. Sie können natürlich hier bleiben.«

      Borissowitsch wedelte Ioan und den anderen mit einer unwirschen Handbewegung fort. Die beiden beeilten sich, die Tür in die gravimetrische Aufhängung zu bugsieren und zu verschwinden. Die Automatik erfasste die beiden schmalen Türflügel, ließ sie sich schließen und versiegelte sie mit einem zufriedenen Schmatzen.

      Jennifer sah auf die Uhr.

      »Noch fünf Minuten«, sagte sie und strahlte Borissowitsch an.

      »Ich verstehe nicht«, entgegnete der Kommandant von Alpha Ceti Tau. »Sie haben ein Rendezvous? Die MARQUIS DE LAPLACE kommt hierher?«

      Jennifer schmunzelte.

      »Nein, Boris«, antwortete sie sanft. »Ich habe eine Schaltung …«

      Borissowitsch kratzte sich am Kopf. Er war froh, seine Männer fortgeschickt zu haben. Sein Eindruck musste kläglich genug gewesen sein, in ihren Augen. Er ließ sich von dieser Zicke herumscheuchen. Aber nun redete sie offenbar blanken Unsinn.

      »Das ist unmöglich …«, brachte er hervor.

      »Neue Technologie«, sagte sie fröhlich. »Wir nennen es Qbox. Sie bekommen auch eine. Sowie wir hier etwas Ruhe haben, wird sie auf Ihrer Brücke installiert.«

      Sie ließ einen irgendwie mitleidigen Blick über Borissowitschs Kommandostand gleiten. Immerhin war er inzwischen von Elastilkartons, Selbstwärmmahlzeiten und Pizzaresten gesäubert.

      »Für diesmal wird die ENTHYMESIS als Relais dienen.«

      Borissowitsch fragte sich, ob sie den Verstand verloren hatte. Oder ließen seine Sinne ihn allmählich im Stich? Die MARQUIS DE LAPLACE, das Flaggschiff der Union, lag im Horus-System, etliche Tausend Lichtjahre entfernt. Keine Technologie der Welt konnte diese Entfernung in einer Echtzeit-Schaltung überbrücken!

      Oder doch? Er hatte läuten hören, dass die Planetarische Abteilung einige Teufelskerle in ihren Reihen hatte. Außerdem arbeitete man dort jetzt mit den Tloxi zusammen, von deren haushoch überlegener Technik man sich wahre Wunderdinge erzählte. Zum ersten Mal seit Jahren begriff er, dass er auf einem Außenposten gelandet war, in der galaktischen Provinz, am Arsch der Welt …

      Jennifer rief die Brücke der ENTHYMESIS, die auf der Landeplattform der Ikosaeder-Kampfstation, einige fünfzig oder sechzig Stockwerke unterhalb der Brücke festgemacht hatte. Zwei Offiziere versahen dort Dienst. Der 2. Pilot meldete sich.

      »Hier Commodore Ash«, begrüßte Jennifer ihn bester Laune. »Bauen Sie via Quantenbox einen Kanal zum Mutterschiff auf. Die andere Seite weiß Bescheid.«

      Sie wartete einige Augenblicke, bis sich auf einem zweiten Bildschirm ein Feld öffnete.

      »Sehr gut«, sagte sie dann zur ENTHYMESIS-Besatzung. »Es wird nicht lange dauern. Und noch was: Höchste Geheimhaltungsstufe, Kommandantenebene. Sie schalten die Leitung durch und verkneifen sich jede Versuchung, das Gespräch mitzuhören!«

      »Aye, aye, Ma’am«, erwiderte der Pilot.

      Auf der Konsole sah man, wie er salutierte. Schräg hinter ihm hockte der WO des Explorers an seinem seitlich versetzten Bedienplatz. Er tippte etwas auf seinem MasterBoard. Dann machte er das Good-to-go-Zeichen in Richtung Kamera. Im gleichen Augenblick verschwand das Bild.

      Stattdessen baute sich ein anderes auf. Es war die Offizierslounge auf dem Brückendeck der MARQUIS DE LAPLACE.

      »Das klappt ja wie am Schnürchen!« Jennifer freute sich wie ein kleines Kind.

      Mit einem Blick über die Schulter sah sie nach Borissowitsch. Der gemütliche Russe stand zwei Schritte hinter ihr und starrte mit offenem Mund seinen eigenen Hauptbedienplatz an.

      »Das ist unmöglich!«, stammelte er immer wieder.

      Jennifer bedeutete ihm mit einem Kopfnicken, er möge neben ihr Platz nehmen. Und offenbar war er so verwirrt, dass er es nicht als anstößig empfand, sich von einer Fremden auf seiner eigenen Brücke Anweisungen


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