Der Zthronmische Krieg. Matthias Falke

Der Zthronmische Krieg - Matthias Falke


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hatte die Ordonnanz herbeigewedelt und ihr aufgetragen, ihre Getränke zu erneuern. Nachdem das Mädchen der Bestellung nachgekommen war, sahen sie ihm wieder nach, wie es seine Kurven in der straffen weißen Uniformhose zwischen den Gravitischchen schwingen ließ.

      »Ich würde ja auch lieber«, sagte Laertes halblaut, als sie zum zweiten Mal an diesem Abend ihre Gläser erhoben, »in einem Altenheim in Pensacola sitzen und meinen Lebensabend damit verbringen, jungen Dingern nachzuträumen. Aber das dürfen wir uns nicht gestatten.«

      Rogers hatte die Augen geschlossen und einen Schluck Scotch die Kehle hinuntergleiten lassen.

      »Worauf willst du hinaus?«, fragte er endlich, als er einsah, dass Laertes sein Steckenpferd für den Rest dieser Unterhaltung nicht mehr freigeben würde.

      »Ich weiß es ja selbst nicht«, sagte der alte Philosoph entwaffnend. »Mir scheint nur, dass wir – seit jener Schlacht – noch nicht einen Tag zur Besinnung gekommen sind. Wir wurden angegriffen. Wir setzten uns zur Wehr. Wir errangen den Sieg. Aber sei doch ehrlich: Niemals hätten wir gedacht, dass wir eine solche Attacke nicht nur zurückschlagen, sondern die Macht, die hinter ihr stand, restlos würden vernichten können!«

      Beinahe wäre dem General a. D. die Faust ausgerutscht und auf die Tischplatte gekracht. Der Veteran zweier Kriege war für sein aufbrausendes Temperament bekannt. Und seine Freunde wussten, dass er dieses unter Alkoholeinfluss noch wesentlich schlechter im Zaum halten konnte. Im letzten Augenblick beherrschte er sich aber und besann sich, wo er war und wem er gegenübersaß.

      »Wir waren weder unvorbereitet noch unbewaffnet«, knurrte er lediglich. »Schon bei Persephone haben wir ihnen gezeigt, was eine Harke ist.« Er funkelte Laertes finster an. »Ich weiß, wovon ich spreche: Ich darf behaupten, dabei gewesen zu sein. Und Sina City …«

      Der Chefideologe und Vorsitzende des verfassunggebenden Konvents wischte das weg.

      »Darum geht es jetzt nicht«, sagte er bestimmt. »Nicht mehr. Sina ist zerschmettert. Wer wollte es leugnen? Aber das war gestern.«

      Dr. Rogers schlürfte geräuschvoll seinen Whiskey.

      »Ich dachte, wir wollten innehalten«, äffte er. »Uns besinnen …«

      Er war sichtlich verstimmt. Seine beiden größten Triumphe, die beiden Siege über die Kaiserliche Sinesische Flotte, ließ er sich so schnell nicht madig machen.

      »Wir haben das Sinesische Imperium ungespitzt in den Boden gestampft«, grinste Laertes. »So würdest du das doch sagen?!«

      Er wartete ab, aber als Rogers nichts entgegnete, wurde er wieder ernst. »Und die Trümmer dieses Imperiums fliegen uns jetzt um die Ohren. Wir müssen das Erbe dieses Imperiums antreten – ob wir wollen oder nicht.«

      Der alte General hatte schmollend die Unterlippe vorgeschoben. Sein schwerer Schädel war dunkelrot. Ob von Zorn oder von Whiskey – das würde sich nicht mehr auseinanderhalten lassen.

      »Dazu sind wir doch hier«, brummte er und nickte zur Panoramakuppel hinaus, wo die obere Hälfte des gewaltigen Torus sichtbar war. Dort tagte seit Monaten der Galaktische Kongress, der einberufen war, die aus der Knechtschaft der Sineser befreiten Völker an die Union zu binden und das Miteinander in der Galaxis neu zu ordnen.

      »Gewiss«, beeilte Laertes sich zu sagen. »Dennoch frage ich mich, ob wir dieser Aufgabe gewachsen sind. Nicht wir paar Politiker und Militärs, Diplomaten und Wissenschaftsastronauten, sondern wir: die ehemalige Union, die Menschheit.«

      Das Wort verhallte in einem langen Schweigen. Die Rotation des Torus, der die geparkten Schiffe in unsichtbaren Nachführbewegungen folgten, brachte es mit sich, dass das Licht der beiden fernen Sonne – des blauen Sterns β-Horus und des roten γ-Horus –, komplexe Muster über die riesigen Gebilde wandern ließ. Die Sonnen, die selbst aus dieser Perspektive nicht zu sehen waren, mussten gerade nebeneinander stehen. Ihr Licht vermischte sich. Wo es gemeinsam auftraf, vereinigte es sich zu einem harten Weiß, das unerträglich gewesen wäre, wenn die polarisierenden Elastalglasfelder es nicht selbsttätig gemildert hätten. Wo es sich aber an den Kanten und Aufbauten der Schiffe brach, zersplitterte es zu smaragdblauen und magentafarbenen Höfen, die wie Elmsfeuer um Antennenbäume und Triebwerksdorne spielten.

      »Diese Ambition«, setzte Laertes neu an, »haben wir doch in unseren kühnsten Träumen nicht gehabt. Wem könnte ich das eher begreiflich machen als dir, dem letzten noch in Dienst stehenden Angehörigen der goldenen Generation? Dem letzten, der sich noch an die Anfänge der interstellaren Exploration erinnern kann!«

      Er fasste Rogers am Arm und zwang ihn, seinem aufrüttelnden Blick standzuhalten.

      »Kannst du dich noch daran erinnern?«, fragte er provozierend. »Der Jungfernflug der MARQUIS DE LAPLACE! Zum Sirius! Zehn Lichtjahre!«

      Die beiden sanken wieder in ihre Erinnerungen zurück. Viele Jahrzehnte war das her. Auf der Erde waren Jahrhunderte vergangen. Die hohen Geschwindigkeiten im konventionellen Flug mit Hawken-Antrieb und die damit verbundenen langen Flugzeiten hatten in der Anfangszeit zu einem enormen Timeshift geführt. Dann erst kam der Warp. – Und dann kamen die Schiffe der III. Generation mit oszillierendem Warpantrieb, der es ermöglichte, jeden Punkt des Universums innerhalb weniger Tage zu erreichen.

      »Alles«, sagte Laertes versonnen, auch wenn diese Erinnerungen für ihn nicht frei von tiefem persönlichen Schmerz waren, »alles im Zeichen der Wissenschaft, der Forschung, der zweckfreien Erkundung des Kosmos, der menschlichen Neugierde auf die unfassbare Pracht der Schöpfung.«

      Er wies mit ausgebreiteten Armen zu den großen Panoramafronten hinaus. Seine Augen glänzten feucht und ein feines Lächeln spielte um seine schmalen Lippen, das auszudrücken schien, dass ihm dieser Ausflug in Pathos und Nostalgie ein wenig peinlich sei.

      »Von militärischen Belangen war gar nicht die Rede«, fuhr er nüchterner fort. »Wir waren ja die Einzigen und wir kamen in Frieden.«

      Dr. Rogers hatte grimmig vor sich hin gelacht.

      »Ja«, knurrte er, »und jetzt sind wir Herren über ein galaktisches Imperium.«

      Laertes nickte.

      »Wir haben es weit gebracht«, sagte der General und seine Stimme blieb vollkommen ausdruckslos.

      »Wir sind zu schnell gewachsen«, rief der Philosoph. »Wir sind wie eine Larve, der über Nacht mächtige Flügel gewachsen sind. Aber sie hat keine Zeit, sich ihrer neuen Fertigkeiten zu vergewissern, denn schon stellen ihr die ersten Feinde nach!«

      Rogers hob die Schultern und setzte sein breitestes texanisches Haifischgrinsen auf.

      »Haben wir Feinde?«, fragte er scheinheilig.

      Es war bekannt, dass Laertes in den bisherigen Konflikten immer auf den Verhandlungsweg gesetzt hatte. Auch als der Frachter ENCOURAGE II gekapert und seine Mannschaft massakriert worden war, hatte er daran festgehalten, die Krise auf diplomatischem Wege beilegen zu wollen. Jennifers aus dem Augenblick geborene Entscheidung, das zthronmische Shuttle abzuschießen, in das die Zthronmic mehrere Zehntausend Tonnen Plasma abgepumpt hatten, hatte er intern scharf kritisiert. Und jetzt sprach er von Feinden? In den vierundzwanzig Stunden, die seit dem Vorfall verstrichen waren, schien er seine Meinung modifiziert zu haben.

      »Wir sind Herren über ein galaktisches Imperium«, nahm er Rogers’ Formulierung auf, weil er wusste, dass dieser sie in provozierender Absicht gewählt hatte. »Die Union hat mehrere Dutzend neue Mitglieder, friedliche Kulturen – und weniger friedliche. Hochtechnisierte Zivilisationen und Völker, die zur Meditation neigen. Rohstoffreiche Welten und Kulturen, die ihrem eigenen Ethos verpflichtet sind.«

      Dr. Rogers saß mit angehobenen Schultern da und starrte ihn unverwandt an.

      »Dass es in einer solchen Gemengelage Feinde gibt«, sagte Laertes, »ist so naturgegeben wie, dass es« – auf der Suche nach einem Bild fiel sein Blick auf das regenbogenförmige, in sämtlichen Astralfarben schillernde Tor der nur zur Hälfte sichtbaren Raumstation –, »wie, dass es zentrifugale und zentripetale Kräfte gibt. Wir müssen aufpassen, dass erstere


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