Zwei gegen Ragnarøk. Hans-Jürgen Hennig

Zwei gegen Ragnarøk - Hans-Jürgen Hennig


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lief ihnen mit einem Dorfhund über den Weg. Mit erfahrenem Blick sah sie den Dreien an, dass sie vor Spannung fast platzten. „Na, was habt ihr denn da zusammen ausgeheckt? Ihr strahlt ja so geheimnisvoll.“

      Die Freunde schauten sich an, grinsten und als Alfger Hilda zunickte, holte sie aus ihrer Tunika die Tasche mit dem Rabenei hervor. Sie hielt Einurd die Tasche hin.

      „Hier schau mal rein“ – und ganz vorsichtig öffnete sie ihr Geheimnis. Mit Verschwörerstimme flüsterte sie: „Einurd, schau, das ist ein Rabenei.“

      Der Dorfhund schnüffelte an Hilda und den Jungen herum und Hilda bekam schon Angst um ihren Schatz. Sie befahl ihm barsch: „Geh weg, Hund, das ist nichts für dich. Schnüffle bei den Schafen herum“ – und dabei stampfte sie mit einem Fuß auf.

      Der erschrockene Hund zuckte zurück und hielt dann aber Abstand.

      Einurd machte große Augen und fragte: „Wollt ihr das essen?“ Und lachte dann aber schelmisch. „Das wird wohl nicht reichen für euch drei.“

      Die Drei schauten ganz verdutzt drein und Hilda rief empört: „Nein, was denkst du denn. Wir essen doch keine Rabeneier. Da ist doch ein Küken drin und das will ich jetzt ausbrüten!“ Und mit ganz ernster Miene fügte sie hinzu: „Aber sag das noch nicht weiter. Das ist unser Geheimnis!“

      Einurd lächelte und antwortete mit ebenso ernster Mine: „Du willst ein Rabenei ausbrüten? Wirst du das denn aushalten, den ganzen Tag lang auf deinem Nest still zu sitzen, um auf dem Ei zu brüten? Du kannst doch gar nicht stille sitzen, du bist doch die Strumpfhilda, die nicht einen Moment still sitzen kann.“

      Hilda runzelte die Augenbrauen. „Sag du das nicht auch noch. Du bist zwar Alfgers Mutter, aber du darfst nicht Strumpfhilda zu mir sagen und außerdem wirst du schon sehen, dass ich doch stillsitzen kann. Wenn ich zu Hause bin, werde ich gleich mit dem Brüten anfangen.“

      Einurd legte ihren Arm um Alfgers Schultern und zog ihn mit sich. „Hilda, viel Erfolg beim Brüten. Macht’s gut ihr beiden. Jetzt gibt es Abendessen und morgen ist auch noch ein Tag.“

      Alfger drehte sich im Weggehen noch einmal nach Hilda um und zuckte grinsend mit den Schultern.

      Falki legte seinen Arm um Hilda und versuchte sie etwas zu ermuntern: „Mein Magen knurrt auch schon gewaltig, wie bei einem hungrigen Wolf. Komm lass uns auch nach Hause gehen, damit wir essen können und du mit dem Brüten anfangen kannst“, dabei lächelte er Hilda so lieb an, dass sie nicht anders konnte, als ihm einen Kuss auf die Wange zu geben.

      In der Hütte angekommen, rochen sie das Feuer und das Essen, ein Duft den Falki gerne mochte. Er schnüffelte geräuschvoll herum und rief: „Hmmm, es gibt tote, gebratene Fische – lecker.“

      Mutter Hilda hantierte geschäftig herum und war noch dabei, das Essen vorzubereiten. Sie schaute mit einem Seitenblick auf Falki und witzelte: „Du magst wohl lieber einen lebendigen Fisch, der noch im Mund zappelt?“

      „Ihhh“, schrie Hilda, „das ist ja eklig, so ein zappelndes und schleimiges Fischding im Mund, bäää.“

      Alle drei lachten und freuten sich auf das gemeinsame Essen. Auf dem Tisch standen schon Brot, Körnerbrei mit Früchten und ein Krug mit Milch. Mutter Hilda stellte mit einer einladenden Geste den gebratenen Fisch dazu und sagte: „Kommt, lasst es euch schmecken.“

      Falki mit seinem Wolfshunger setzte sich sofort hin und schaute mit gierigem Blick auf den dampfenden Fisch. Da Hilda nicht wie gewöhnlich auch gleich beim Essen zugriff, sondern am Tisch vorbei schlich, schaute die Mutter etwas besorgt nach ihr.

      Hilda indessen bewegte sich, fast auf Zehenspitzen, zu ihrer Schlafstelle und fing dort an, ihre Decken neu zu ordnen.

      Mutter Hilda schaute verwundert auf ihr Treiben und fragte: „Meine kleine Hilda, magst du nicht essen kommen? Hast du keinen Hunger, dass du gleich ins Bett willst? Geht es dir nicht gut?“

      Falki, am Tisch, schmatzte sofort genießerisch los. Er grinste wissend über das ganze Gesicht und wartete auf Mutters Reaktion bei der Lösung des Rätsels. Er wusste ja, was Hilda mit ihren Schlafdecken vorhatte. Jetzt war er ganz darauf gespannt, wie Hilda das mit dem Nest bewerkstelligen würde. Er konnte es sich auch nicht, ohne zu grinsen, vorstellen, wie Hilda dort sitzen und brüteten würde. Falki musste dann doch laut loslachen und verschluckte sich dabei. Mit vollem Mund platzte er heraus: „Mama, Hilda baut ein Nest und will ihr Rabenei ausbrüten!“

      Mutter Hilda fuhr wie von einer Biene gestochen zu Hilda herum: „Was willst du, einen Raben ausbrüten?“ Ihre Augen wurden so groß wie bei einer Kuh und sie wandte sich Hilda zu, um sich das genauer anzusehen.

      „Mein Kind bist du krank, hast du Fieber?“ Und sie streckte die Hand aus, um Hildas Kopf zu fühlen.

      Klein Hilda wurde noch kleiner und zog sich ganz in ihre Decken zurück. Doch dann sprudelten die Worte nur so aus ihr heraus: „Nein, Mama, ich bin nicht krank. Ich will schon lange einen Raben haben. Odin hat ja auch zwei, aber mir reicht ein Rabe und ich möchte jetzt mein Rabenei ausbrüten.

      Falki hat mir das Ei aus dem Rabennest geholt und Alfger hat uns dabei geholfen. Es war ganz schön gefährlich. Die Raben haben Falki angekackt und dann ist er auch noch abgestürzt, aber es ist nichts Schlimmes passiert. Alfger hat Falki mit einem Seil gehalten und wir haben alles richtig gemacht. Nur die Raben machten riesiges Spektakel, weil im Nest schon zwei kleine Küken waren.“

      Mutter Hilda schüttelte erst den Kopf doch dann wandelte sich ihr Gesicht von arg besorgt, zu einem glücklichen Lächeln, und sie umarmte Hilda. „Das sieht euch ähnlich. Dann war das heute früh also doch kein Scherz und ihr habt das ernst gemeint. Ich dachte nur: „Lass den Kindern doch ihren Spaß haben.

      Sie setzte sich neben ihre Tochter und wackelte mit dem Kopf.

      „Ihr drei macht wirklich die tollsten Dinger, aber ihr macht sie richtig gut und mit Köpfchen. Wer hat hier schon einen Raben als Haustier? Haha, ihr seid wirklich Klasse.“

      Alle Spannung wich von Hilda und sie war erleichtert, dass die Mutter ihr Abenteuer so wohlwollend aufnahm und nicht geschimpft hatte.

      „Mama, du bist großartig“, rief Hilda vor Freude.

      „Na dann bau’ mal dein Rabennest, aber lass mich doch mal das Ei sehen“, meinte Mutter Hilda, mit neugierigen Blicken auf die Tasche mit dem Ei.

      Ganz vorsichtig öffnete Hilda die Tasche und zeigte der Mutter stolz ihr Rabenei.

      „Hier Mama, schau mal, wie schön es ist“ – und Hilda hielt ihr das Ei mit beiden Händen hin. „Es darf nur nicht kalt werden.“

      Die Mutter schaute interessiert auf Hildas Schatz. Ein Rabenei hatte sie noch nie gesehen. Dann streichelte sie ihrer Tochter über den Kopf und sagte liebevoll: „Mach mal dein Nestchen fertig, ich werde dich dann füttern.“

      Sie ging zum Tisch zurück und legte ein paar Bissen für Hilda auf einen Teller.

      Hilda hatte inzwischen ihr Nest aus den Decken gebaut, so dass sie ringsum eingehüllt war und sich dabei noch bequem anlehnen konnte.

      Falki sprang rasch vom Tisch auf ging zu seiner Kiste. Er entnahm ihr das kleine Fell von einem Hasen. „Hier Hilda, nimm das, dann liegt das Ei ganz warm und weich.“

      „Danke, Falki, ja das ist wirklich gut, richtig wie Daunen in einem Nest“ – und Hilda formte mit dem kleinen Fell eine Mulde für ihr Rabenei. Sie legte es hinein und schob ihre Beine ganz dicht heran, das es nun rundum eingehüllt war. Hilda strahlte glücklich und lehnte sich erleichtert zurück.

      Mutter Hilda setzte sich vorsichtig neben ihre Tochter und begann sie, wie versprochen, zu füttern. Sie versuchte ihr Lachen zu unterdrücken und schob Hilda Bissen, für Bissen in den Mund. „Hier, mein Schatz, du wirst bestimmt auch hungrig sein, iss etwas. Ich werde dich füttern, bis du genug hast. Merke dir, wie das geht, du musst ja später deinen kleinen Raben auch füttern.“

      Aus dem Hintergrund kam Falkis verhaltenes, glucksendes Lachen.


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