Land der Gefühle. Sigrid Uhlig

Land der Gefühle - Sigrid Uhlig


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      Aus dem Schreibpapier hatten die hochwohlgeborenen Herren des Hofstaates Flugzeuge und Schiffchen gebaut und spielten damit.

      Menschen, die sich nicht schnell bewegen können, können auch nicht schnell denken. Wen wundert es da, dass Peter als erster eine Idee hatte. Er stand auf und sah die hochwohlgeborenen Herren an. Der Weise Johann nickte ihm aufmunternd zu. Peter verbeugte sich.

      „Allergnädigste Majestät, hochverehrte Herren, wir müssen jeden Tag trainieren, damit wir uns schneller bewegen können. Dann dürfen wir zurück zu den Menschen und brauchen nicht zu verhungern.“

      Puh, war das anstrengend, denn es war Peters erste Rede. Er war richtig stolz auf sich selbst. Leider hatte er zu schnell gesprochen. Johann bat ihn, seine Worte zu wiederholen, langsam, ganz langsam.

      Der Junge musste seine Rede ein drittes und viertes Mal wiederholen, bevor einige fragten, was trainieren heißt. Johann erklärte es sehr vorsichtig und mit blumenreichen Worten. Doch wider Erwarten begriff es der König diesmal als Erster. Wütend trampelte er mit den Beinen, was bei seiner Leibesfülle sehr komisch aussah und Peter auch noch zum Lachen reizte.

      „Ich soll arbeiten, ich, König Adelbert der Zweite? So eine Unverschämtheit hat es seit Bestehen unseres Landes noch nie gegeben. Eben hat dieser Dingsda, dieser Bengel geschworen, ein guter Bürger unseres Landes zu sein, und schon bricht er sein Gelöbnis? Ab mit ihm in den Kerker.“

      Johann stellte sich schützend vor Peter.

      „Majestät, der Junge hat recht. Wenn Ihr ihn einsperrt, dann sperrt mich mit dazu.“

      Man sah, dass der König lange und angestrengt überlegte. Wortlos ließ er die beiden gehen. Nachträglich belegte er Peter mit einem Bann. Niemand durfte mit ihm reden, kein Kind mit ihm spielen. Alle richteten sich danach, nur Johann nicht.

      Den ganzen Tag hatte sich Peter im Schweiße seines Angesichts abgemüht. Anziehen, ausziehen, Treppe runter, Treppe rauf, und nicht eine einzige Minute war er schneller geworden. Er weinte vor Wut.

      „Ich schaffe es nicht, ich schaffe es einfach nicht. Und außerdem, wer sagt mir, dass es klappt, wenn es bisher noch niemand versucht hat?“

      Johann wischte ihm die Tränen weg. „Ungeduld ist ein schlechter Ratgeber. Lange habe ich darüber nachgedacht. Es gibt nur den Weg, den du vorgeschlagen hast. Sieh mal, wenn du es schaffst, werden es einige nachmachen. Du kannst dir selbst und anderen das Leben retten. Zwar bist du noch klein, aber dann bist du ein ganz großer Held.“

      Johann hatte noch das letzte Wort auf den Lippen, als es tüchtig polterte. Jemand hatte einen Stein, an dem ein Zettel gebunden war, durch das geöffnete Fenster geworfen. Johann las vor:

      „Lieber Peter, der König hat uns verboten mit Dir zu spielen. Aber Du bist trotzdem mein Freund. Bitte, bitte, Du musst es schaffen. Nur so kannst Du beweisen, dass Du recht hast. Ganz liebe Grüße, Deine Freundin Katrin.“

      Peter glättete den Zettel, faltete ihn sauber zusammen und steckte ihn in seine Hosentasche. Immer wenn ihn der Mut verlassen wollte, berührte er ihn. Seine Freunde wollte er nicht enttäuschen!

      Der Schulanfang rückte immer näher, und Johann meinte, dass jetzt der richtige Zeitpunkt sei. Beide fuhren mit dem Bus zum See.

      „So, Peter, hier müssen wir uns trennen. Den Rest musst du allein schaffen.“

      Peter schlang seine Arme um Johanns Hals. „Komm doch mit“, bettelte er.

      „Das geht nicht. Man gehört immer dahin, wo man zu Hause ist. Wenn du mal wieder bummeln willst, dann denke daran, wie schlecht es uns geht. Nun lauf aber schnell, die Kinder dort betrachten uns schon eine ganze Weile.“

      Peter rannte auf die Hecke zu, fand aber keinen Ausgang. Ratlos blickte er zu Johann, der auf das Haus zeigte. Tatsächlich, die Tür war wieder da. Der Junge vollführte einen Freudensprung, stolperte, schlug hin, rappelte sich wieder auf, und bevor die Kinder ihn daran hindern konnten, betrat er das Haus. Hinter ihm verschwand die Tür wieder. Der Junge konnte nicht zurück und die Bummlich-Fummlichs mussten in ihrem Land bleiben.

      Als Peter auf der anderen Seite des Hauses herauskam, tat sich in der Hecke ein großes Loch auf. Bequem schlüpfte er durch und ging in den Kindergarten.

      „Wo kommst du denn her und wo warst du so lange?“, wollte Doreen wissen.

      „Im Bummlich-Fummlich-Land.“

      Doreen tippte mit dem Zeigefinger an ihre Stirn. „Nun erzählt er auch noch Märchen!“

      Beim Mittagessen starrten die Kinder alle Peter an. Er war fertig, einige Kinder noch nicht.

      „Warst du wirklich im Bummlich-Fummlich-Land?“, fragte Doreen.

      „Natürlich!“

      „Erzähl mal, wie war es?“

      „Aber nicht jetzt! Es ist Mittagsruhe“, mischte sich Frau Lustig ein.

      „Ach, bitte“, bettelten die Kinder, „bald gehen wir zur Schule, und Schulkinder schlafen mittags nicht mehr.“ Sogar die Eltern, die ihre Kinder zeitig abholen wollten, blieben da, um Peter zuzuhören.

      Am nächsten Morgen wurde Peter durch Geschirrklappern geweckt. Genussvoll räkelte er sich. Mutti und Marion würden sicher den Frühstückstisch decken. Er ging ins Schlafzimmer der Eltern.

      „Guten Morgen, Vati.“

      „Guten Morgen, Peter.“

      „Du, Vati, wollen wir mal sehen, wer zuerst angezogen ist?“

      „Du willst mit mir um die Wette …?“ Die letzten Worte sprach der Vater nicht mehr aus, legte sich lang und lachte: „Hahaha – hahaha.“

      Doch Peter war schon angezogen, stellte sich in strammer Haltung auf und meldete: „Soldat Peter ist fertig.“

      Der Vater bekam große Augen und sah seinen Sohn erstaunt an. In diesem Moment betrat die Mutter das Zimmer. Vati sagte zu Mutti: „Ich glaube, unser Peter wird ein guter Schuljunge.“

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