Jenseits des schweigenden Sterns. C. S. Lewis

Jenseits des schweigenden Sterns - C. S. Lewis


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Weston blieb während seiner Freiwachen meist schweigsam. Devine war gesprächger, plauderte und lachte häufig mit dem Gefangenen, bis Weston an die Wand des Kontrollraumes klopfte und davor warnte, die Luft zu vergeuden. Doch in bestimmten Punkten zeigte sich auch Devine verschlossen. Er war stets bereit, sich über Westons feierlichen wissenschaftlichen Idealismus lustig zu machen. Er gebe keinen Pfifferling, sagte er, für die Zukunft des Menschengeschlechts oder die Begegnung zweier Welten.

      »Malakandra ist mehr als das«, meinte er oft augenzwinkernd. Doch wenn Ransom ihn fragte, worin dieses »Mehr« bestehe, verfiel er in einen satirischen Ton und machte ironische Bemerkungen über die Bürde des weißen Mannes und die Segnungen der Zivilisation.

      »Dann ist der Planet also bewohnt?«, bohrte Ransom.

      »Ach – bei solchen Dingen gibt es immer das Problem der Eingeborenen«, antwortete Devine dann. Meistens aber sprach er über das, was er nach seiner Rückkehr zur Erde tun wollte. Hochseejachten, kostspielige Frauen und ein großes Landhaus an der Riviera spielten in diesen Plänen eine große Rolle. »Ich nehme alle diese Risiken nicht zum Spaß auf mich.«

      Direkte Fragen nach Ransoms eigener Rolle stießen gewöhnlich auf Schweigen. Nur einmal, als er nach Ransoms Einschätzung alles andere als nüchtern war, gab Devine auf eine solche Frage zu, dass sie ihm »noch allerhand aufhalsen« würden.

      »Aber ich bin sicher«, ergänzte er, »dass du dich des alten Schulschlipses würdig erweisen wirst.«

      Wie ich bereits gesagt habe, war all dies ziemlich besorgniserregend. Seltsamerweise jedoch beunruhigte es ihn nicht sehr. Es ist schwierig, trüben Gedanken über die Zukunft nachzuhängen, wenn man sich so ausgezeichnet fühlt wie Ransom jetzt. Auf der einen Seite des Schiffs herrschte endlose Nacht, auf der anderen endloser Tag; beides war großartig, und er genoss es, nach Lust und Laune von der einen Seite zur anderen zu gehen. In den Nächten, die er sich verschaffen konnte, indem er einen Türgriff drehte, lag er oft stundenlang da und starrte durch die Deckenluke. Die Erdscheibe war nun nicht mehr zu sehen; die Sterne, dicht gesät wie Gänseblümchen auf einem ungemähten Rasen, beherrschten das Blickfeld und keine Wolken, kein Mond oder Sonnenaufgang beeinträchtigten ihren Zauber. Da gab es geradezu majestätische Planeten, nie gesehene Sternbilder, es gab himmlische Saphire, Rubine, Smaragde und Schmucknadeln aus brennendem Gold; in weiter Ferne zur Linken hing ein winziger, entrückter Komet; und zwischen und hinter allem, bei Weitem eindringlicher und spürbarer als auf der Erde, die unauslotbare, rätselhafte Schwärze. Die Lichter zitterten: Sie schienen an Helligkeit zuzunehmen, je länger er sie betrachtete. Wie eine zweite Danae nackt auf seinem Bett ausgestreckt, fiel es ihm von Nacht zu Nacht schwerer, an der alten Astrologie zu zweifeln. Er stellte sich vor, spürte beinahe, wie ›süße Einflüsse‹ von den Sternen in seinen dargebotenen Körper strömten oder ihn gar durchbohrten. Alles war still bis auf die unregelmäßigen, klirrenden Geräusche, von denen er nun wusste, dass sie von Meteoriten herrührten, kleinen Materieteilchen, die ständig gegen die hohle Stahltrommel schlugen. Oft beschäftigte ihn die Überlegung, dass sie jeden Augenblick mit etwas zusammenstoßen könnten, das groß genug wäre, Schiff und Insassen in Meteoriten zu verwandeln. Aber er konnte sich nicht fürchten. Das Abenteuer war zu erhaben, die Umstände, unter denen es sich vollzog, waren zu feierlich, als dass andere Gefühle als eine ernste Freude möglich gewesen wären. Aber die Tage – oder besser die Stunden –, die er auf der sonnigen Seite ihrer kleinen Welt verbrachte, waren die schönsten von allen. Oft stand er nach nur wenigen Stunden Schlaf wieder auf, denn unwiderstehlich zog es ihn in die Regionen des Lichts; er konnte nicht aufhören, über den helllichten Tag zu staunen, der ihn dort erwartete, ganz gleich, zu welcher Zeit er kam. Dann lag er lang ausgestreckt und mit halb geschlossenen Augen in ein Bad reiner, ätherischer Farben und unerbittlicher, doch nicht schmerzhafter Helligkeit getaucht, während das seltsame Gefährt ihn mit leisem Vibrieren durch die Tiefen nachtentrückter Stille trug. In solchen Momenten spürte er, wie Leib und Seele jeden Tag aufs Neue gereinigt und mit frischer Lebenskraft erfüllt wurden. In einer seiner wortkargen, widerwilligen Antworten räumte Weston ein, dass es für diese Empfindungen eine wissenschaftliche Erklärung gab: Sie empfingen, sagte er, viele Strahlungen, die nie durch die Erdatmosphäre drangen.

      Doch mit der Zeit entdeckte Ransom einen weiteren und eher geistigen Grund für sein zunehmendes Glücksgefühl. Ein Albtraum, ein Mythos, dem der moderne, von der Wissenschaft geprägte Mensch anhing, wich allmählich von ihm. Er hatte über den Weltraum gelesen und seit vielen Jahren rief der Begriff in seiner Vorstellung das düstere Bild einer schwarzen, kalten Leere hervor, einer absoluten Leblosigkeit zwischen den Welten. Es war ihm bis jetzt nicht bewusst gewesen, wie sehr er dieser Vorstellung verhaftet war – jetzt, da ihm das bloße Wort »Weltraum« schon als Blasphemie erschien, als Verleumdung dieses himmlischen Strahlenozeans, in dem sie schwammen. Er war nicht leblos; Ransom fühlte, wie in jedem Augenblick Leben aus diesem Ozean in ihn strömte. Wie konnte es auch anders sein, da alle Welten und ihr Leben diesem Ozean entsprungen waren? Er hatte ihn für unfruchtbar gehalten; jetzt aber erkannte er, dass er der Mutterschoß der Welten war, dessen unzählige Sprösslinge allnächtlich mit feurigen Augen auf die Erde hinabschauten – und wie viele mehr waren es hier! Nein, Weltraum war der falsche Ausdruck. Die Denker vergangener Zeiten hatten mehr Weisheit bezeugt, als sie vom Himmel sprachen – dem Himmel, der des Ewigen Ehre rühmt –, der

      »holden Glückseligkeit lächelndes Bild,

      wo Nacht des Tages Auge nie verhüllt,

      hoch droben im weiten Himmelsgefild«.

      Er sprach Miltons Verse liebevoll und nicht nur einmal vor sich hin.

      Natürlich lag er nicht die ganze Zeit herum und träumte. Er erforschte das Schiff (soweit es ihm erlaubt war) und ging von Raum zu Raum mit jenen langsamen Bewegungen, die Weston ihnen auferlegte, da größere körperliche Anstrengungen den Sauerstoffvorrat zu sehr belasteten. Das Raumschiff hatte mehr Kabinen, als derzeit benötigt wurden; vielleicht, weil es eine bestimmte Form haben musste, vielleicht aber auch, weil, wie Ransom vermutete, die Eigner – zumindest aber Devine – auf der Rückreise irgendeine Ladung mitnehmen wollten. Außerdem wurde er, ohne recht zu wissen wie, zum Steward und Koch der kleinen Gemeinschaft; zum einen war es für ihn selbstverständlich, sich an den einzigen Arbeiten zu beteiligen, die er tun konnte – denn den Kontrollraum durfte er nie betreten; zum anderen wollte er Westons Tendenz, ihn zum Diener zu machen, zuvorkommen. Er arbeitete lieber freiwillig statt in eingestandener Sklaverei; außerdem schmeckten ihm seine eigenen Gerichte viel besser als die seiner Gefährten.

      Ebendiese Aufgaben machten ihn zum zunächst unfreiwilligen und dann höchst beunruhigten Mithörer eines Gesprächs, das seiner Einschätzung nach ungefähr zwei Wochen nach Antritt ihrer Reise stattfand. Er hatte nach dem Abendessen das Geschirr abgewaschen, ein Sonnenbad genommen, mit Devine geplaudert – der ein angenehmerer Gesellschafter war als Weston, aber in Ransoms Augen der bei Weitem unsympathischere der beiden – und war zur gewohnten Zeit zu Bett gegangen. Er konnte nicht einschlafen und nach etwa einer Stunde fiel ihm ein, dass er vergessen hatte, in der Kombüse ein paar kleine Vorbereitungen zu treffen, die seine Arbeit am nächsten Morgen erleichtern würden. Man betrat die Kombüse durch den Salon oder Tagesraum und ihre Tür lag neben der zum Kontrollraum. Er stand auf und ging sofort hinüber, barfuß und nackt wie er war.

      Obwohl die Kombüse auf der Nachtseite des Schiffs lag, schaltete Ransom das Licht nicht ein. Er brauchte nur die Tür einen Spalt offen zu lassen, sodass ein Streifen strahlendes Sonnenlicht in den Raum fiel. Jeder, der selbst einen Haushalt geführt hat, wird verstehen, dass seine Vorbereitungen für den Morgen noch unzureichender waren, als er gedacht hatte. Er war geübt und erledigte die Arbeit schnell und leise. Als er gerade fertig war und sich die Hände an dem Rollhandtuch hinter der Kombüsentür abtrocknete, hörte er, wie die Tür des Kontrollraums aufging. Durch den Spalt sah er die Silhouette eines Mannes vor der Kombüse stehen; es war Devine. Dieser ging nicht in den Salon, sondern blieb stehen und redete weiter – offensichtlich in den Kontrollraum hinein, denn Ransom konnte zwar deutlich hören, was Devine sagte, doch Westons Antworten verstand er nicht oder nur bruchstückhaft.

      »Ich glaube, das wäre verdammt unklug«, sagte Devine. »Wenn wir sicher sein könnten, dass wir gleich nach der Landung auf die Scheusale stoßen, dann


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