GegenStandpunkt 4-16. Группа авторов

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Land zur Durchsetzung der Ansprüche reicht, die es an die Welt in dem Maße stellt, wie die Flüchtlinge der Welt zu ihm strömen, ist eine andere Frage. Von Zweifeln und Widerständen lässt sich die Chefin der Republik ohnehin nicht beirren. Sie denkt bekanntlich ‚die Dinge vom Ende her‘, orientiert sich also an den Ansprüchen, denen die Potenzen ihres Landes nun einmal zu entsprechen haben. Ein Land, das ein Weltproblem definiert und dafür Verantwortung übernimmt, tut es nicht unter dem Anspruch an sich selbst, in diese Rolle gefälligst hineinzuwachsen.

      Die beiden ersten Teile „Merkels Land“

      I. Der deutsche Kapitalismus

      II. Lebensstandard und sozialstaatliche Fürsorge im reichsten Land Europas

      sind in GegenStandpunkt 3-16 erschienen

      © 2016 GegenStandpunkt Verlag

      Chronik (1)

      Der Steuerstreit zwischen Apple und der EU-Kommission:

       Ein Branchenführer kämpft um sein Erfolgsmodell –

       Irland um seine ökonomische Räson in der EU –

       die EU gegen die USA um ihre Regelungskompetenz

      Die EU-Kommission geht gegen unlautere „Steuervermeidung“ vor: Zuletzt stuft sie die Steuerabsprachen zwischen Irland und Apple als illegale Staatshilfe ein und verdonnert den Konzern zu Steuernachzahlungen in Rekordhöhe von 13 Mrd. Euro. Neben Apple geraten aber auch andere ins Visier der Wettbewerbshüter in Brüssel: Starbucks soll 20 bis 30 Mio. Euro in den Niederlanden und McDonalds womöglich bis zu 500 Mio. Euro in Luxemburg nachzahlen. Und das sei erst der Anfang, teilt EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager mit: „Amazon … und andere sehr bekannte Unternehmen sind schon auf unserer Liste“ (faz.net, 19.9.16). An welche prominenten Unternehmen die EU-Kommissarin hier denkt, ist kein Geheimnis. Gerade die Vorreiter des „digitalen Zeitalters“, Facebook, Google und Microsoft, sind bekannt dafür, den Standort für ihre europäischen Dependancen nach Steuervorteilen auszusuchen und dort durch die betriebliche Organisation ihrer Finanzströme Steuern zu zahlen, deren Höhe manch ein Politiker unverschämt niedrig findet. Von daher heißt es: „Gegenwind für Steuervermeider. Für Großkonzerne, die mit der Steuer tricksen, wird es eng.“ (faz.net, 17.9.) Denn was am Streitfall Apple von der EU-Kommission exemplarisch angegriffen wird, ist ein Geschäftsmodell, mit dem insbesondere die Branchenführer des globalen Kapitalismus ihre Gewinne auf dem Weltmarkt entscheidend voranbringen.

      Apple, das teuerste Unternehmen der Welt, hat es mit der Entwicklung und Vermarktung von Betriebssystemen, Anwendungssoftware, der dazu passenden Hardware und der Verwaltung der zwei größten Handelsplattformen für digitale Güter zu einem Marktführer auf dem Gebiet der Informations- und Unterhaltungselektronik gebracht. Vom Hauptsitz im Silicon Valley aus tritt der Konzern in Konkurrenz zu anderen IT-Kapitalen weltweit und ist im Kampf um die globale Zahlungsfähigkeit sehr erfolgreich. Weil es bei der Beglückung der Menschheit mit „innovativen Produkten“ einzig darum geht, dass die sich als nützlicher Hebel dafür bewähren, Gewinne in einer Größenordnung einzustreichen, die neben den Managern vor allem auch die Eigentümer der AG zufriedenstellen, versteht sich auch Apple darauf, den ökonomischen Nutzen seines weltweiten Geschäfts durch Kosteneinsparung zu befördern. Dafür setzt der Konzern – neben altbewährten Mitteln wie dem Drücken von Abnehmerpreisen gegenüber asiatischen Zulieferern oder dem Senken der Lohnkosten durch die Umgestaltung der Arbeitsbedingungen – auf eine besondere Methode seiner Weltmarktkonkurrenz, mit der nicht nur er sich die rechtlichen Unterschiede konkurrierender Standorte zunutze macht:

      „Unternehmen haben die Möglichkeit, konzerninterne Leistungen so zu verrechnen, dass die Kosten in Ländern mit hohen Steuern anfallen und die Gewinne in Ländern mit niedrigen oder gar keinen Steuern. Dieses System erlaubt es Unternehmen, ihre Geschäfte künstlich in unendlich viele Tochtergesellschaften aufzusplitten, die als getrennte Unternehmen besteuert werden. Das gibt ihnen großen Spielraum, ihre Gewinne in Niedrigsteuerländer wie Irland zu verlagern, indem sie frei erfundene Preise verwenden. Im konkreten Fall ging Irland noch einen Schritt weiter und erlaubte Apple, Gewinne auf Tochtergesellschaften zu verlagern, die im Cyberspace existieren und überhaupt keine Mitarbeiter beschäftigen.“ (sz.de, 10.9.)

      Die Art und Weise, wie Apple seine globale Gewinnproduktion rechtlich organisiert, ist bei multinationalen und vor allem Technologiekonzernen Usus. Strategien zur „Steueroptimierung“ – je nach Standpunkt auch als „Steuervermeidung“ oder „Steuerhinterziehung“ bekannt – sind ein so durchgesetzter Normalfall, dass die gängigste Variante sogar einen Eigennamen hat – das sogenannte „Double-Irish-With-a-Dutch-Sandwich“: Auf Grundlage dessen, dass in Irland Kapitalgesellschaften nur besteuert werden, wenn sie zusätzlich zu einem Handelsregistereintrag ihren Firmensitz in Irland haben, lassen sich Multis in Irland als Unternehmen registrieren, gründen aber als Eigentümer von Lizenzrechten für geistiges Eigentum eine eigene Briefkastenfirma mit Sitz in einem pazifischen Steuerparadies. Daneben existiert eine irische Tochtergesellschaft, die auf der einen Seite unternehmensweit erwirtschaftete Einnahmen aus der Nutzung von Lizenzrechten, die die Muttergesellschaft ihren eigenen Dependancen in Rechnung stellt, als ihre Einkünfte bilanziert und davon auf der anderen Seite Lizenzzahlungen an die Muttergesellschaft abführt. Die von Irland ausgehende konzerninterne Verrechnung von Gewinnen der Lizenznehmer mit den Lizenzgebühren führt zur Steuersenkung in den verschiedenen Firmendependancen. Der in der irischen Tochtergesellschaft verrechnete und zusammengefasste Gewinn des Konzerns fließt zwecks Steuersenkung in Irland nun über Umwege der Konzernmutter mit Sitz im pazifischen Steuerparadies zu. Weil für einen solchen Finanztransfer in Irland eine Quellensteuer anfallen würde, nutzen Apple und Co obendrein ein Abkommen zwischen der irischen und der niederländischen Regierung, das Lizenzgebühren von Steuern befreit, überweisen ihre Gewinne als Tantiemen an eine Tochtergesellschaft in den Niederlanden und von dort wieder zurück an die in Irland registrierte Briefkastenfirma in der Südsee. Das Ergebnis dieser kreativen Schöpfung kann sich – gemessen an den Kennziffern, auf die es in der Marktwirtschaft entscheidend ankommt – sehen lassen: Die Einsparung von Steuern in Milliardenhöhe erweist sich als äußerst nützlicher Dienst an der Produktivität des Kapitals.

      Grundlage dieses Steuersparmodells, das neben Apple unter anderem Adobe Systems, Amazon, Facebook, Google, IBM, IKEA, Microsoft, Oracle, Starbucks, Yahoo usw. betreiben, ist eine nicht minder kreative interne Berechnungsweise von Kosten und Gewinnen der Konzerne. Sie spalten sich in Mütter und Töchter auf und schalten zwischen Entwicklung und Design einerseits, Produktion und Vermarktung ihrer Produkte andererseits den Verkauf und Kauf von Lizenzen – letztlich im eigenen Haus. Sie trennen die Software, Produktdesign und Produktionswissen nicht nur technisch, sondern kommerziell von der Produktion oder Dienstleistung ab, die es schon auch noch braucht und die ihre Unterabteilungen oder Fremdfirmen erbringen, und verwandeln die geistigen Potenzen (in anderen Fällen auch nur die Geschäftsidee und den Markennamen) in eine Ware, die innerhalb des eigenen Konzerns ver- und gekauft wird. Im einen Betriebsteil, der Briefkastenfirma, die dieses Wissen als Lizenzhalterin zugeordnet bekommt, fungiert das geistige Eigentum an Patenten, Copyrights, Markennamen etc. – ein pures Rechtsverhältnis, das Recht eben auf ausschließliche Verfügung über und alleinige Verwertung von Patenten – unmittelbar als eigenständiges Kapital, das der Halterin regelmäßige Geldzuflüsse abwirft. Für den anderen Betriebsteil stellt dieses Wissen Kosten dar, regelmäßige Gebühren für seine Anwendung, die aus Umsatz der Produktions- und Vermarktungsabteilungen bezahlt werden müssen und den Gewinn drücken – oft bis nahe Null.

      Die Aufspaltung derselben Firma in Lizenzgeber und -nehmer erlaubt ihr, den Wert der Lizenzen und damit den Anteil an der Wertschöpfung ihrer Produkte nach Belieben festzulegen – die Mütter und Töchter sind ja ihr eigener Markt, verlangen und bezahlen sich ihre Preise also selbst. Und mit der definitorischen Festsetzung der Anteile ihrer Unterfirmen an der gesamten ‚Wertschöpfung‘ des Konzerns können sie diese eben über den Globus und alle ihre Niederlassungen in verschiedenen nationalen Standorten frei nach dem Gesichtspunkt der Steuervermeidung verteilen.

      Nutznießer


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