Kritik der Betriebswirtschaftslehre. Alexander Melčok

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behauptet, das Resultat von Kostensenkung. Die Wissenschaft entdeckt hier ganz offensichtlich kein Problem. Rein rechnerisch, d.h. begriffslos betrachtet, gibt es eben zwei Möglichkeiten, die Differenz zwischen Kosten und Erlös zu maximieren: entweder durch Senkung der Kosten – durch „verringerte Faktoreinsatzmenge“ (II / S. 39) oder „Senkung der Faktorpreise“ (ebd.) – oder durch „Erhöhung der Absatzpreise“ (ebd.). Es hilft aber nichts: Das Ausgangsproblem ist mit dieser neuen Bestimmung des Gewinns nur verschoben. Es stellt sich nun nämlich die Frage, was einen solchen Preisaufschlag rechtfertigt bzw. begründet. Auch dazu finden sich Auskünfte in unserem Lehrbuch. Ihnen zufolge ist der Gewinn als „das Entgelt“ zu betrachten, „welches der Unternehmer für die Bereitstellung von Eigenkapital und für die Übernahme des Unternehmerrisikos erhält“ (II / S. 485). So gesehen wäre der Gewinn bzw. die Differenz zwischen den Faktorkosten und dem Erlös aus dem Verkauf der produzierten Güter in Leistungen begründet, die der Unternehmer erbringt. Nämlich zum einen: Er schießt das Geld vor, das zur Bezahlung der Produktionsfaktoren nötig ist. Folgt man der Logik, nach der hier gedacht wird, handelt es sich hierbei um eine Leistung, mit der der Unternehmer seinen Teil zum Zustandekommen des Betriebsergebnisses beiträgt und die ihm seinem Beitrag zu diesem Ergebnis entsprechend zu entgelten ist. Das für den Kauf von Produktionsfaktoren verausgabte Geld wäre danach – getrennt vom Einsatz dieser Produktionsfaktoren im Betrieb – als eigener Grund dafür zu betrachten, dass der Erlös aus dem Verkauf des Produkts die Produktionskosten übersteigt und das Vermögen des Betriebs wachsen lässt. Noch absurder erscheint diese Begründung, wenn man den zweiten Teil hinzunimmt, dem zufolge der Gewinn zugleich als Entgelt für die „Übernahme des Unternehmerrisikos“ anzusehen ist, also dafür, dass der Unternehmer womöglich keinen Gewinn macht, sondern mit seiner Gewinnrechnung scheitert. Höflich ausgedrückt: Weder die pure Bereitstellung von Kapital für betriebliche Produktion noch die Gefahr des Misslingens seiner Vermehrung können begründen, dass und auf welche Weise ein Gewinn – und damit die erfolgreiche Realisierung eines Preisaufschlags auf die Kosten – erwirtschaftet wird. Umso mehr wird ersichtlich, dass es sich bei diesen disparaten Bemühungen der BWL um die Erklärung des Gewinns gar nicht ernsthaft um die sachliche Beantwortung der Frage handelt, wie der Gewinn zustande kommt. Sie zielen auf die Rechtfertigung der Tatsache, dass die Überschüsse, um deren Erwirtschaftung sich das ganze marktwirtschaftliche Wirtschaftsleben dreht, in den Taschen der Betriebseigner landen, und die Suche nach guten Gründen dafür befasst sich gar nicht mit der Frage, wie diese Überschüsse zustande kommen, sondern unterstellt ihr Vorhandensein. Die ‚Analysen‘ und ‚Strategien‘ der BWL zum Verhältnis von Aufwand und Ertrag leben von der notorischen Unterstellung, dass im „Prozess der betrieblichen Leistungserstellung und -verwertung“ (I / S. 47) nicht nur nützliche Dinge aus Ressourcen herausgewirtschaftet werden, sondern dass dabei allemal ein Gewinn ‚entsteht‘. Die BWL verweigert sich systematisch der Frage, was zwischen Input und Output, zwischen der Bezahlung der Elemente der Produktion und dem Verkauf der damit erzeugten Güter passieren muss und offenbar regelmäßig passiert, so dass ein derartiger Überschuss an geldwertem Eigentum zustande kommt. Sie leistet sich die Unverfrorenheit, diese seltsame Leistung des marktwirtschaftlichen Produzierens als dessen Lebensgesetz auszugeben – Gewinn einbringender Output ist ihr zufolge ja erklärtermaßen Grund und Ziel allen betrieblichen Wirkens! – und sie gleichzeitig zu ignorieren, d.h. das Produktionsverhältnis, in dem sich der Reichtum im Geld und der Erfolg an dessen Vermehrung bemisst, keiner Erklärung für wert zu befinden. Es ist, als wollten diese ‚praktisch-normativen‘ Ökonomen darauf bestehen, dass man nicht wissen muss, was der Profit ist, wenn es darum geht, ihn zu maximieren – und so ist es ja auch.

       und Rechtfertigungslehre in einem

      Was die BWL am Gewinn interessiert, ist allein seine Größe. Die Differenz zwischen Ertrag und Kosten möglichst groß zu gestalten, das ist für sie die entscheidende ‚Frage‘ betrieblichen Wirtschaftens. Und die deckt sich mit der Frage, die den entscheidungsbefugten Betriebsherren bewegt. Dessen praktisches Interesse an der Erwirtschaftung maximalen Gewinns macht die BWL zum Standpunkt, von dem aus sie sich theoretisch mit den marktwirtschaftlichen Gegebenheiten befasst. In ihren Erklärungen setzt sie den Gewinn daher gleich mit den Methoden, die seine Maximierung ermöglichen, unter konsequentem theoretischem Desinteresse an der Quelle, die ihn hervorbringt. Ihr borniert instrumentelles Denken betrachtet alles, was eine Vergrößerung des Profits bewirkt – die erfolgreiche Senkung der Faktorkosten, das ‚richtige‘ Bemessen der Höhe des Gewinnaufschlags – als dessen (Entstehungs-)Grund.

      Zugleich rechtfertigt die BWL die Parteilichkeit für den Unternehmensertrag, die ihr Denken bestimmt, indem sie die Verbesserung des Kosten-Gewinn-Verhältnisses, durch die der Unternehmer seinen Gewinn maximiert, als Effektivierung einer menschheitsdienlichen Güterproduktion präsentiert. Die beliebten Beispiele aus dem Alltagsleben – wie das von der effektiveren Erzeugung von Wärme – sollen die Gleichung zwischen der Jagd nach dem Profit und einer ressourcenschonenden Güterversorgung bezeugen, zeugen aber nur von der Verlogenheit dieser Gleichsetzung.

      Mit dieser doppelten programmatischen Verschiebung – der Gleichsetzung des Gewinns mit den Methoden seiner Maximierung und der Gewinnmaximierung mit einer Erscheinungsform des allem Wirtschaften angeblich einbeschriebenen Prinzips des effizienten Einsatzes der Produktionsfaktoren – gelingt es der BWL, ein perfektes Quidproquo zwischen rechtfertigendem Denken und praktischer Handreichung für das Geschäft der Profiterwirtschaftung in Szene zu setzen. Was dem privaten Bereicherungsinteresse der Betriebsherren dient, befördert ihren Erkenntnissen zufolge das Allgemeinwohl, umgekehrt präsentiert sie das effiziente Wirtschaften im Sinne des von ihr ermittelten ‚ökonomischen Prinzips‘ als Schlüssel zum Erfolg des auf Gewinnerwirtschaftung abzielenden kapitalistischen Betriebs. Wo kapitalistisch gewirtschaftet wird, herrscht das ‚Optimumsprinzip‘, so dass sie sich besten Gewissens der Frage widmen kann, wie – mittels welcher Methoden – sich der Erfolg des unternehmerischen Interesses herbeiführen lässt. In ihrer Durchführung ist sie so sehr Methodenlehre des unternehmerischen Erfolgs, dass der Inhalt des Interesses, dem sie zum Erfolg verhelfen will, streckenweise ganz hinter dem ‚Wie‘ zurücktritt. Wie z.B. im folgenden Zitat:

      „Die Unternehmensführung hat die Aufgabe, den Prozess der betrieblichen Leistungserstellung und -verwertung so zu gestalten, dass das (die) Unternehmensziel(e) auf höchstmöglichem Niveau erreicht wird (werden).“ (I / S. 47)

      Schon merkwürdig: Als Ziel firmiert hier das erfolgreiche Erreichen des Ziels! Das erfolgreiche Wie, der Modus des betrieblichen Verfügens über die Betriebsmittel, gerät der BWL da zum entscheidenden Was, zur Sache, um die es im Betrieb geht. Mit dieser im Wortsinn ver-rückten Kennzeichnung des Betriebszwecks verabschiedet sich die BWL bisweilen explizit vom ökonomischen Gehalt ihres wissenschaftlichen Objekts – und zwar sowohl in seiner idealistischen wie in seiner realistischen Fassung: von effizienter Güterversorgung oder von Gewinnmaximierung ist im folgenden Kapitel erst einmal gar nicht mehr die Rede –, um sich voll und ganz der abstrakten Frage zu widmen: ‚Wie entscheiden, um Erfolg zu haben?‘ Sie macht ernst mit dem Standpunkt, dass betriebliches Wirtschaften Optimieren ist und entwickelt sich zu einem puren Modell der Kunst, den höchstmöglichen Erfolg zu planen. Das Disponieren über die betrieblichen Mittel wird zur reinen Verfahrenstechnik verselbständigt und diese zum entscheidenden Inhalt des Wirtschaftens – und damit auch der betriebswissenschaftlichen Unternehmensberatung – erhoben.

      © 2018 GegenStandpunkt Verlag

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