Zivilcourage. Petra Paulsen
Dort sei er damals von den Republikanern in den Bohemian Grove eingeführt worden. Mit folgenden Worten beginnt übrigens der SPIEGEL-Artikel aus dem Jahr 1982: „Unter riesigen Mammutbäumen, nahe einem kleinen See, steht eine rund zehn Meter hohe, moosüberwachsene Eulenskulptur. Davor sind Holzkloben zu einem Scheiterhaufen aufgeschichtet. In lange rote Gewänder gekleidete Männer tragen eine Figur herbei, bringen sie zum Scheiterhaufen und entzünden ihn unter Sang und Klang. Eine Band spielt das Lied ‚Heiße Zeiten in der alten Stadt‘.“ Können Sie sich, die Sie wie ich vielleicht der schon etwas älteren Generation angehören, den früheren Hamburger Innensenator, Finanzminister und Bundeskanzler Schmidt vorstellen, dessen Trauerfeier in der St. Michaeliskirche, dem Hamburger Michel, stattfand, wie er in roter Robe mit Kapuze unter einer riesigen Steineule an einem okkulten Opferritual teilnimmt? Würde Ihr Nachbar so etwas bei sich im Garten veranstalten, würden Sie ihn wahrscheinlich für verrückt erklären, oder? Bei den Teilnehmern dieses Sommercamps handelt es sich jedoch um US-Präsidenten und die Mächtigen über Finanzen, Wirtschaft & Co., allesamt männlich und extrem einflussreich. Das alles stand wie gesagt schon 1979 und 1982 im SPIEGEL bzw. 2008 in der Frankfurter Rundschau. In seinem Buch „Menschen und Mächte“ schreibt Schmidt Schnauze, wie der frühere Bundeskanzler häufig aufgrund seines Koddermundwerks genannt wurde, über seine Zeit im US-amerikanischen Sommerlager: „Dieses Wochenende brachte mir eine der erstaunlichsten Erfahrungen, die ich je in den USA gemacht habe. Später bin ich noch ein zweites Mal im Bohemian Grove gewesen, und meine Eindrücke haben sich noch vertieft.“146 Auch soll er in seinen Memoiren erwähnt haben, dass es ähnliche Clubs in Deutschland gebe, wo zum Teil ebenso die „Cremation of Care“ vorgenommen werde, aber auch andere druidische Rituale.147 Interessant ist in diesem Zusammenhang auch das, was Helmut Schmidt in seinem Buch „Was ich noch sagen wollte“ schreibt: „Meine Verehrung für Mark Aurel geht auf das Jahr meiner Konfirmation zurück. Das kirchliche Ritual selbst habe ich nicht sehr ernst genommen, das meiste fand ich etwas seltsam. Was mir am Konfirmationsunterricht Spaß gemacht hat, war die Tatsache, dass ich das Harmonium spielen durfte.“148
Den Druiden Miraculix kennen Sie wahrscheinlich nur aus der Comicserie „Asterix und Obelix“. Hätten Sie gewusst, dass die Druiden in Großbritannien seit 2010 offiziell als Religionsgemeinschaft anerkannt sind?149 Den keltischen Druiden, die vor dem Römischen Reich und der Christianisierung durch die katholische Kirche lebten, wird ein gewaltiger politischer Einfluss nachgesagt und ihr Wissen über die Natur soll enorm gewesen sein. Ihre Rituale sind oft blutig gewesen, wobei auch Menschenopfer erbracht worden sein sollen.150 Und in Amerika sind jetzt die Satanisten am Werk, die für die Anerkennung ihres Glaubens an den Teufel kämpfen, da Satan der Befreier sei und in den USA nun einmal Glaubensfreiheit herrsche.151 Was für eine irre Welt! Schaut man auf der Internetseite „Die Unbestechlichen“ nach, so sind dort viele Fotos, Videos und Buchempfehlungen zum Bohemian Grove zu finden.152 In der Mythologie kommen der Eule übrigens verschiedene Bedeutungen zu. Einerseits steht sie als Symbol für Schutz und Weisheit, andererseits als Botin des Todes.153 Biologisch betrachtet ist sie ein lautlos fliegender Vogel, der überwiegend nachts, also im Verborgenen der Dunkelheit aktiv ist.
Seit 1985 lud Helmut Schmidt, der während seiner Amtszeit lieber Schulden machte als Reformen voranzutreiben, nebenbei bemerkt zu einer Art privaten Denkfabrik, bestehend aus 25 Mitgliedern, an jedem zweiten Freitag im Monat in der Winterzeit in sein Reihenhaus ein. Dabei ging es in erster Linie um Außen- und Weltpolitik, weniger jedoch um Innenpolitik.154 Erst ein halbes Jahr vor Schmidts Tod wurde diese Runde 2015 aufgehoben. Dieser Freitagsgesellschaft, die sich zu strenger Diskretion verpflichtet sah, und immerhin knapp drei Jahrzehnte tagte, gehörten u. a. der Unternehmer Michael Otto vom Versandhaus und Internethandel, der Schriftsteller Siegfried Lenz und Max Moritz Warburg von der Hamburger Bankendynastie an.155, 156 Bei dem letzten Treffen, welches der Flüchtlingsproblematik gegolten hatte, sagte Helmut Schmidt dem Kunsthistoriker Heinz Spielmann beim Abschied, er sei froh, dass er diese Zukunft nicht mehr erleben müsse.157
Wie, das war Ihnen alles noch nicht bekannt? Aber die Bilderberger, die kennen Sie doch bestimmt oder etwa auch nicht? Naja, man hat einfach mit Familie, Beruf, Haushalt und dergleichen genug zu tun und kann sich schließlich nicht um alles kümmern.
Antidemokraten
Prinz Bernhard der Niederlande, Gemahl von Königin Juliana, eröffnete im Jahr 1954 im Hotel de Bilderberg die erste Konferenz der oft als Bilderberger bezeichneten Teilnehmer, die überwiegend aus NATO-Staaten stammen. Der Prinz selbst war eine skandalumwitterte Person. So war er immer wieder durch seine eheliche Untreue aufgefallen, hatte mehrere Geliebte sowie uneheliche Töchter und griff selbst Minderjährigen unter die Bluse. Ein weiterer Skandal politischer Art aber war, dass er kurzzeitig Mitglied von SA und SS und seit 1933 Mitglied der NSDAP war.158 Nach seinem Examen als Rechtsreferendar war der deutschstämmige Prinz im Amsterdamer Büro der IG Farben tätig.159 Die Veranstaltung der Bilderberger wurde also von einem früheren Nazi mit adligem Blut eröffnet. Initiiert wurde dieses Treffen durch Jòzef Retinger, der damals sein Amt als Generalsekretär der Europäischen Bewegung niederlegte. Das Augenmerk Retingers, der laut Gerhard Wisnewski Jesuit gewesen sein soll, sollte sich von nun an darauf richten, inoffizielle und vertrauliche Zusammenkünfte zwischen europäischen und US-Politikern und Wirtschaftsführern zu fördern.160, 161 Im Vorwege der Bilderberg-Konferenz spielten u. a. Max Brauer, der nach dem Zweiten Weltkrieg auf eine flexible Handhabung der Entnazifizierung gedrängt haben soll, und der Rockefeller-Erbe David Rockefeller eine nicht unerhebliche Rolle.162, 163
Laut eines Artikels der Frankfurter Rundschau vom 6. Mai 2008 mit der Überschrift „Verschwiegene Weltmacht“ sind die Bilderberger der wohl elitärste Machtzirkel auf globaler Ebene, an dessen Sitzungen Journalisten teilnehmen, ohne der Öffentlichkeit darüber zu berichten: „Trotz der Geheimniskrämerei: Bilderberg ist keine große Verschwörung, sondern verweist im Wesentlichen auf eine Art vom vorgelagerten, wenig demokratischen politischen Formationsprozess. Aufgrund des Einflusses und der Hochrangigkeit der Teilnehmer ist davon auszugehen, dass die dort geäußerten Ideen auch in die gesellschaftspolitische Realität eingewoben werden.“ So stand es in einem Artikel der Frankfurter Rundschau mit der Überschrift „Bilderberg-Konferenz – Verschwiegene Weltmacht“ vom 5. Juni 2008.164 Private Treffen, von denen unter dem Mantel der Verschwiegenheit geäußerte Ideen in die Gesellschaft eingewoben werden? Was könnte damit wohl gemeint sein? Mit Indoktrination und Propaganda wird das doch wohl nichts zu tun haben. Und mit der Einstimmung auf Krieg – mitnichten. Das wäre ja völlig abwegig.
Diese alljährlichen Zusammenkünfte, zu denen der Vorsitzende und zwei Generalsekretäre die Teilnehmer persönlich laden, hielten beispielsweise Einladungen, teilweise auch mehrmals, für folgende Teilnehmer bereit: Helmut Schmidt, Helmut Kohl, Gerhard Schröder, Angela Merkel, Joschka Fischer, Jürgen Trittin, Olaf Scholz, Mathias Döpfner, Bill Clinton, Henry Kissinger, David Rockefeller, Emmanuel Macron und Christine Lagarde.165 Das Interessante an diesen Treffen: Kurz nach ihrer Teilnahme wurden bzw. werden die politischen Vertreter in den allerhöchsten Staatsämtern ihrer Länder bzw. auf dem Brüsseler Parkett der EU angetroffen. Denken Sie in diesem Kontext nur einmal an die EU-Wahlen vom 23. bis 26. Mai 2019 im Zusammenhang mit der Ex-Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen und ihre Berateraffäre. Sie nahm vom 30. Mai bis 2. Juni 2019 an der Bilderberg-Konferenz im schweizerischen Montreux teil. Als Kandidatin für den EU-Kommissionspräsidentenposten war sie gar nicht angetreten, wurde dennoch auf wundersame Weise als Amtsnachfolgerin für den scheidenden Juncker auserkoren. Neben Frau von der Leyen nahmen 2019 beispielsweise auch Mike Pompeo, Ex-CIA-Chef und derzeit US-Außenminister, Ex-CIA-Chef und General David Petraeus, Hauptfinancier von Emmanuel Macron und IS-Aufrüster sowie Jared Kushner, Schwiegersohn von Präsident Trump und dessen Berater für den Nahen Osten, an dem privaten Treffen in der Schweiz teil. Kushner selbst ist ein enger Freund des israelischen Premierministers Benjamin Netanyahu. Ebenso waren der NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg und erstmals auch der italienische Ex-Premier Matteo Renzi dabei.166 Dass Renzi mit von der Partie war, dürfte aufgrund der besonderen Rolle, die Italien seit der Migrationskrise 2015 spielt, durchaus interessant sein.