Zivilcourage. Petra Paulsen
Regionen in Afrika, Osteuropa und Zentralasien.259 Mit der Verabreichung eines Antibiotikums könnte man Tbc beikommen, doch dazu müsste sie bei einem Patienten zunächst einmal diagnostiziert werden. Darüber hinaus werden die Erreger zunehmend resistenter gegenüber Antibiotika.260 Schon 2018 konnte man lesen, dass Deutschland ein Tuberkuloseproblem im Zusammenhang mit der Migration bekommen habe. Dabei ist in der Zeit von 2014 bis 2016 die Zahl von 4.533 auf 5.959 registrierte Fälle gestiegen, also um 25 Prozent. Da diese Krankheit durch Tröpfcheninfektion übertragen wird, kommt es immer wieder zu Ausbrüchen zum Beispiel in Schulen.261 So zuletzt an einer Schule in Baden-Württemberg im Sommer 2019, an der sich mindestens 109 Schüler und Lehrer infizierten.262
Wer erinnert sich noch an den Sommer 2009, als die WHO die Schweinegrippe zur weltweiten Seuche erklärte? Das ist gerade mal zehn Jahre her und sollte uns allen noch in lebhafter Erinnerung sein. Nein, nicht immer liegt in der Kürze die Würze, denn es musste schnell ein Impfstoff her. Diesem wurden Wirkverstärker, sogenannte Adjuvantien, beigemischt, die ohnehin als problematischer Teil eines Impfserums gelten. So steht beispielsweise Aluminiumhydroxid unter dem Verdacht, u. a. chronische Müdigkeit, Vergesslichkeit, epileptische Anfälle und neurologische Störungen hervorzurufen. Diese Symptome konnte man im Zusammenhang mit dem sogenannten Golfkriegssyndrom nach dem Irakkrieg der 1990er-Jahre verstärkt bei vielen Soldaten in Verbindung mit häufigen Impfungen feststellen, denen sich diese vor dem Einsatz im Kriegsgebiet unterziehen mussten.263 Auch bei der Herstellung des Schweinegrippe-Impfstoffes Pandemrix durch das Unternehmen GlaxoSmith-Kline gab es Probleme mit der Folge, dass es bei diesem Großimpfexperiment mit einem nicht ausreichend getesteten Impfstoff zu Nebenwirkungen in Form allergischer Schocks, Gesichtslähmungen, Zuckungen und möglicherweise von Narkolepsie, einer unheilbaren Schlafkrankheit, kam.264 Das allein ist schon traurig genug, doch es kommt noch trauriger. Da manche Menschen gleich, andere jedoch gleicher sind, wurden Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihre Minister mit einem anderen Impfstoff ohne die schädlichen Adjuvantien geimpft als das gemeine Volk. Für unsere Regierung, die Mitglieder des Kabinetts und für die Beamten der Ministerien sowie den nachgeordneten Behörden halt nur das Allerbeste. Schließlich sind diese für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung zuständig.265 Ist es nicht die arbeitende Bevölkerung, die alles am Laufen hält und die Staatsdiener mit ihren Steuern finanziert, die ihre Ämter schließlich nicht unentgeltlich ausüben?
Zum Glück wurde Ella-Maries Mutter, die ständig – auch während der Schwangerschaft – unter Nasennebenhöhlenentzündungen litt, das Medikament Contergan mit dem Wirkstoff Thalidomid nicht verschrieben. Zwischen 5.000 bis 10.000 contergangeschädigte Kinder mit fehlgebildeten oder fehlenden Gliedmaßen und Organen kamen damals zur Welt. Heute leben allein in Deutschland noch rund 2.400 Contergan-Geschädigte. Zum Glück ist das ja Geschichte, meinen Sie? Keinesfalls! 1998 wurde der Wirkstoff in den USA wieder zugelassen und bis heute kommen beispielsweise in Brasilien Kinder mit Fehlbildungen zur Welt, da man dort mit Thalidomid den jährlich fast 40.000 neuen Lepra-Erkrankten helfen möchte. Lepra, die Krankheit der Aussätzigen, die es seit Zehntausenden von Jahren gibt, was man anhand von Wanderungsbewegungen feststellen konnte, werden die meisten allenfalls noch aus der Bibel kennen.266 Das lückenhafte Gesundheitssystem Brasiliens und das Analphabetentum leistet dem Missbrauch von Thalidomid jedoch Vorschub. Da nützt auch eine Warnung der WHO vor einer Einnahme von zum Beispiel FUNED Talidomida nur wenig. Immerhin wurden die Verpackungen in der Zwischenzeit mit einem Baby ohne Extremitäten versehen.267 Ob das nützen wird?
Während Ella-Marie die Pockenimpfung glücklicherweise ohne bleibenden Impfschaden überstanden hat, ist es einer Klägerin des Jahrgangs 1947, die mit neun Monaten ebenfalls gegen Pocken geimpft wurde, anders ergangen. Die Folgen für die Frau waren halbseitige Lähmungserscheinungen. Ihre gesundheitlichen Einschränkungen wurden aber erst nach über 70 Jahren – Sie haben richtig gelesen, nach über 70 Jahren, wenn so mancher Mensch bereits unter der Erde liegt – als Impfschaden anerkannt.268 Wer aber zahlt bei einem nachgewiesenen Impfschaden? Natürlich das Pharmaunternehmen, werden Sie möglicherweise meinen. Mitnichten. Wenn ein Mensch durch eine Impfung geschädigt wird, erhält er Versorgungszahlungen vom Staat. So bekamen in Rheinland-Pfalz zuletzt 157 Menschen eine monatliche Rente wegen eines anerkannten Impfschadens. Voraussetzung dafür ist, dass für die Impfung eine Empfehlung seitens öffentlicher Stelle vorliegt oder sie vorgeschrieben ist, die gesundheitliche Beeinträchtigung von Dauer und dem Geimpften ein wirtschaftlicher Schaden entstanden ist.269
Doch nun wieder zurück zu Ella-Marie. Ihre Familie ist mit Sicherheit kein rebellischer Revoluzzerclan gewesen, doch gelegentlich bekam die Hamburger Deern ein „Nur weil alle das machen, machen wir das noch lange nicht!“ oder „Wenn dir jemand sagt, spring in die Elbe, wirst du das doch wohl nicht tun!“ zu hören. Ihre Eltern wollten sich hinsichtlich bestimmter Ansichten und Strömungen einfach nicht bevormunden und terrorisieren lassen.
Versorgungslage
Heute mag Folgendes für viele Menschen nahezu ein Ding der Unmöglichkeit sein, gerade weil wir doch ständig auf Konsum getrimmt werden: Während ihrer gesamten Lebenszeit wurde die Wohnzimmereinrichtung der Eltern von Ella-Marie nur ein einziges Mal gegen eine neue ausgetauscht. Gut, es ist die damals übliche rustikale Eichenschrankwand, über deren Schönheit man sicherlich streiten kann, doch erfüllt diese in untadeligem Zustand nach gut 40 Jahren noch immer vollumfänglich ihren Zweck. Auch sieht die gepflegte Ledercouchgarnitur aus den 1980er-Jahren nach wie vor sehr einladend aus. Selbst die „neue“ Einbauküche ist mittlerweile auch schon wieder 30 Jahre alt. Mit dem Einzug eines Geschirrspülers in elektronischer Form, zu dem Ella-Marie ihre Eltern nach langem Hin und Her überreden konnte, verschwanden auch die rauen Hände aus der Tante-Tilly-Palmolive-Werbung sowie so manche Abwaschorgie bei Ella-Maries Familie. Das überzeugendste Argument neben einer stets aufgeräumten Küche war jedoch der geringere Wasserverbrauch eines solchen Gerätes gegenüber dem Abwaschen von Hand. Seitens ihrer Eltern wurde immer sehr wohl überlegt, wofür man sein Geld ausgab, statt es sinnlos zu verprassen oder für Kinkerlitzchen auszugeben. Damals hielt ein Kühlschrank – Ella-Marie weiß heute noch, dass das erste Kühlgerät ihrer Eltern ein italienisches Modell mit dem Namen Pozzi oder so ähnlich war – oder ein Fernseher aber auch mehrere Jahre, wenn nicht sogar Jahrzehnte. Und heute? Wer hat es nicht schon selbst erlebt? Nahezu verlässlich geben viele Elektrogeräte oft bereits kurz nach Ablauf der Garantiezeit ihren Geist auf, weswegen die Tester der Stiftung Warentest bereits im Jahr 2013 einen geplanten Verschleiß, der auch als geplante Obsoleszenz bezeichnet wird, festgestellt haben. Dazu gehören zum einen hohe Reparaturkosten, fest eingebaute Akkus, fehlende Ersatzteile, Drucker, die fälschlich leere Patronen anzeigen, oder zum anderen Produkte, die sich nicht reparieren lassen.270 Von Nachhaltigkeit kann keine Rede sein. Was soll´s, der Rubel muss aus Sicht der Wirtschaft doch rollen. Außerdem gibt es ja Garantieverlängerungen – natürlich gegen Aufpreis, versteht sich.
Ella-Marie ging als Kind unheimlich gerne einkaufen. Nur einen Steinwurf entfernt gab es ein winziges Einkaufszentrum mit einem kleinen EDEKA-Markt, dem Obst- und Gemüsehändler Nitsch, der Schlachterei Sass, einem Friseurgeschäft, einem kleinen Blumenladen, in dem auch Loki Schmidt, die Frau von Helmut Schmidt, ihre Blumen kaufte, und einer chemischen Reinigung. Außerdem gab es ein Haushaltswarengeschäft, wo man alles bekam, vom Abfalleimer bis zum Zahlenschloss. Mit einem Einkaufszettel bewaffnet, hat sich Ella-Marie förmlich darum gerissen, losgehen zu dürfen, zumal es bei Nitsch immer ein Stück Obst oder einen Kirschlolli extra gab. Für das tägliche Leben war somit gesorgt und auch die alten Leutchen vom nahe gelegenen Seniorenheim konnten ihre Einkäufe dort tätigen. Wie aber ist es heute mit der Versorgung mit dem Notwendigsten für den Alltag? Heute gibt es kaum noch kleine Lebensmittelgeschäfte, da Lidl, ALDI & Co. diese durch unschlagbare Preise plattgemacht haben. Zudem drohen dank des Onlinehandels deutsche Innenstädte zu veröden.271
Noch schlimmer ist es auf dem Land, wo es nur noch selten den guten alten Tante-Emma-Laden gibt und bestenfalls einmal am Tag für ein knappes Stündchen ein mobiler Bäcker hält. Wer im ländlichen Bereich kein Auto hat, ist regelrecht aufgeschmissen, wenn es um die Befüllung seines Kühlschranks geht. Schließlich gehört die Anbindung an das öffentliche Nahverkehrsnetz vielerorts