Next World of Working. Andreas Gnesda
und unverspurten Hang, die Schneeoberfläche suggeriert durch ein eigentümliches Blitzen der Kristalle die Perfektion, Schönheit und Leichtigkeit der Natur. Im Walzertakt ziehst du deine Schwünge, eins – zwei – drei, eins – zwei – drei, um dann stehenzubleiben, zurückzublicken auf den erklommenen Gipfel und auf die eigene und einzigartige Spur, die du hinterlassen hast. Stolz und Zufriedenheit machen sich breit. Zuhause angekommen, erschöpft vom Staunen, Schauen und von der Anstrengung lässt man den Tag glücklich Revue passieren. Jetzt verstehst du vielleicht, warum das so schön ist und warum ich dieser Leidenschaft nicht widerstehen konnte.
Bezogen auf unsere vier Motive des Glücks geht es im höchsten Maße um Selbstverwirklichung und Sozialisierung, wenn man sich entscheidet, mit einer Gruppe den Berg zu besteigen. Materielle Aspekte und sozial-karitative Themen stehen hier nicht im Vordergrund. Es ist die Selbstverwirklichung, für die die Tour steht. Und jede Tour steht für den Abschnitt eines Lebens. Genau genommen ist das ganze Leben eine große Tour. Sie führt uns über verschiedenste Anstiege in unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden, durch Gelände in Kinder- und Jugendjahren, auf Erhöhungen und Gipfel, aber auch auf Sättel und Zwischentäler. Belohnt werden wir mit einer Vielzahl an Gipfelsiegen und -erlebnissen. Manchmal sind es aber auch die Stimmungen in Talsenken und Schluchten, die unvergessliche Erinnerungen erzeugen. Die vielen Abfahrten von Gipfeln, Hügeln und Anhöhen sind steil oder flach. Mal ist der Schnee schön, dann ist er wieder heimtückisch und unfahrbar. Hinzu kommt die Unbekannte des Wetters, das uns manchmal die schwierigsten Passagen im Sonnenlicht erfreuen lässt und auf der anderen Seite jedes Gipfelerlebnis massiv einschränken kann. Manchmal wagen wir uns auch zu weit hinauf, überschreiten unsere Grenzen und muten uns und der Gruppe dabei zu viel zu. Aber letztlich zählt nur eines, und zwar: dass wir gehen. Neue Wege entstehen nur, indem man sie geht!
An dieser Stelle möchte ich meinen lieben Freund und Bergführer Hans Oberluggauer, meinen Tourguide, vorstellen. Hans und ich haben uns beim Heliskiing in Gudauri im Kaukasus kennengelernt. Er ist dort einer der erfahrensten und längst eingesetzten Tourguides. Er kommt aus dem Lesachtal. Das liegt südlich von Lienz und verbindet Osttirol mit Kärnten. Es ist einer der schönsten und verträumtesten Orte, um Erholung zu finden. Vom ersten Tag an hat mich die ruhige und souveräne Ausstrahlung von Hans Oberluggauer fasziniert. Er verkörpert den Begriff Sicherheit. Auf jede Tour bereitet er sich ausführlich vor, studiert unterschiedliche Aufstiegsvarianten, beobachtetet den Wetter- und Lawinenbericht mehrere Tage hindurch, schaut sich den Schneedeckenaufbau an und bereitet sich und seine Gäste perfekt auf ein außergewöhnliches Bergerlebnis vor.
2009 waren wir gemeinsam auf dem Großvenediger (3666 m), ein herrlicher Anstieg Anfang April bei Sonnenschein über die Johannishütte zum Gipfel, der mit einer meiner schönsten Firnabfahrten belohnt wurde. Während ich diese Zeilen schreibe, spüre ich die glitzernde weiche Schneeoberfläche, über die wir hinuntergewischt sind, und höre den schmierenden Schnee. Zur Erklärung für die Nichtskifahrer: Bei einer Firnabfahrt macht man sich die kalten Temperaturen in der Nacht zunutze. Oberfläche und Schnee frieren durch. Wenn dann die Sonneinstrahlung einsetzt, firnt der Hang auf, die Oberfläche wird weich, der Schnee schmierig. Man fährt auf der Oberfläche eines unverspurten Hanges und schiebt nur einige wenige Zentimeter Schnee weg. Es bedarf einiger Erfahrung, denn die Hänge müssen vom Zeitpunkt her richtig erwischt werden. Zu früh bedeutet, man fährt auf der gefrorenen Oberfläche, zu spät, man bricht ein im sulzigen Schnee – das Vergnügen ist dann schnell vorbei. Hans beherrscht das großartig. Oft rät er einem, nur zwei bis drei Meter links oder rechts zu fahren, weil dort der Schnee besser ist.
Im Jahr 2010 wollten wir erstmals in die Schweiz. Unser Flug wurde aber dann überraschend aufgrund eines Vulkanausbruchs auf Island und einer unglaublichen Aschewolke über Europa storniert, sodass wir uns kurzerhand vorgenommen haben, den Großglockner zu erklimmen. Vom Lucknerhaus aus sind wir am ersten Tag eine Eingeh-Tour gegangen. Am zweiten Tag ging es dann auf die Stüdlhütte und am nächsten Morgen auf den Gipfel des höchsten Berges Österreichs mit 3798 m. Ich bin noch immer richtig stolz, diesen Anstieg, die Kletterei am Schluss und die lange, teilweise schwierige Abfahrt geschafft zu haben. 2011 waren wir dann endlich in der Schweiz mit dem Ziel, die Viertausendergrenze zu überspringen. Von Zermatt aus waren wir am Breithorn mit 4159 m und am Pollux mit 4092 m. Von Saas-Fee haben wir den Alphubel mit 4206 m gemacht. Eine Reihe weiterer Touren ist gefolgt, im Sommer am Johannisberg, 3453 m, Touren im Lesachtal und im Großarltal. Wir haben uns zum Ziel gesetzt, einmal im Jahr ein verlängertes Wochenende gemeinsam zu verbringen.
Auf Hans kann man sich einfach verlassen. Er ist ein großartiger Bergführer und ein wertvoller Freund. Die vielen schönen Gespräche auf unseren Touren führen uns regelmäßig in unsere inneren Tiefen. Im Übrigen klingen diese Berge weitaus eindrucksvoller, als sie sind, das schaffst du auch. Mit ein wenig Konditionstraining und Erfahrung im Geländeskilauf ist das kein Problem. Die gewonnenen Erinnerungen sind eine große Bereicherung in meinem Leben. Vielleicht hast du ja jetzt ein wenig Lust auf die Berge bekommen …
… und jetzt deine erste Tour
Erklimmen wirst du nun auf jeden Fall dich selbst: Ich würde dich zunächst gerne näher kennenlernen. Der folgende Abschnitt steht für deine Kreativität zur Verfügung. Ich bitte dich, dass du dich selbst links unten hinmalst. Das kann ein Kopf, ein Strichmännchen oder ein Symbol sein. Im Anschluss daran male einen Weg durch und auf ein Bergmassiv hinauf. Es verkörpert dein Leben. Zeichne viele Gipfel, Anhöhen und Hochplateaus ein. Jetzt schreib bitte zu jedem Gipfel, zu jedem markanten Punkt, zu jeder Zacke einen Begriff, der dir Freude macht. Das sind die Höhen deiner Tour, die Meilensteine deines Lebens. Bei mir gibt es ganz viele Gipfel und Zacken. Da stehen meine Familie, meine Hobbys, meine Firma, die Entwicklung, die ich persönlich und mit meinem Unternehmen gemacht habe, mein Drang, Menschen zu helfen, Orientierung zu finden, meine Werte, meine Reisen und natürlich meine Berge. Spür dich in dein Bild hinein. Kennzeichne die Gipfel, die dir besondere Freude machen.
Ich bin gespannt, wie es dir bei dieser ersten Übung ergangen ist. In vielen Gesprächen mit Menschen, die diese Übung bereits gemacht haben, durfte ich erfahren und erkennen, dass in vielen Fällen vor allem Erlebnisse und Eindrücke aus der Vergangenheit für die Gipfelschilderungen herangezogen wurden. Schön, was du da bewältigt hast. Ich gratuliere dir zu deinen großen und kleinen Erfolgen im Leben. Nimm dir jetzt noch weitere zwei Minuten Zeit und sei stolz darauf, was du geleistet und geschafft hast.
Spüre nochmals das schöne Gefühl,
das du hattest, als dein Lebenspartner/deine Lebenspartnerin in dein Leben kam,
das du mit deinen Kindern erlebt hast,
das du beim Erreichen eines großen beruflichen Zieles hattest,
das du beim Abschluss deiner Ausbildung hattest,
das du hattest, als du jemandem wirklich helfen konntest,
das du hattest, als du dich über eine Überraschung wirklich freuen konntest,
… .
Und wenn du das spürst, bist du dankbar; dankbar dafür, dass es eingetreten ist, und dankbar dafür, dass du es geschafft hast. Das ist Glück, das sind deine Spuren im Tiefschneehang. Hör dir die ersten fünf Minuten der „Alpensinfonie“ von Richard Strauss an, dann weißt du ganz genau, was ich meine. Der erste Teil hat den Titel „Nacht“ und beginnt ganz dumpf und ruhig, so wie die Niederungen des Alltags, in denen wir oft gefangen sind, ohne jeden Höhepunkt. Das ist das nicht fokussierte Leben des Dahinvegetierens, das ich eingangs erwähnt habe. Und dann ist ein Licht am Horizont erkennbar, die Sonne malt mit den Bergrücken eine Silhouette, die Hoffnung ausstrahlt. Das Leben fragt dich und plötzlich trifft uns der erste Sonnenstrahl. Fanfaren erklingen, die Wärme der Sonne wird spürbar und sie macht Mut – Mut, diese jetzt im Sonnenlicht strahlenden Berggipfel zu erklimmen.
Hast du dir die „Alpensinfonie“ angehört? Wenn ja, dann hat sich unsere Beziehung jetzt mächtig vertieft. Wir kennen das Gefühl für unsere persönlichen