Kleines Gulasch in St. Pölten. Klaus Nüchtern
bedeutet es, wenn Klaus Nüchtern mit einem Shirt des zugegeben recht hippen Modelabels Custo Barcelona durch die Redaktion spaziert, einem an sich dezenten, langärmeligen Pulli, an dem sich Kokain schnupfende Designer durch asymmetrisches Verteilen von ornamentaler Buntheit ausgetobt haben und auf dessen Rückseite groß die Zahl Neunundsechzig zu lesen ist? Wieso hat sich Nüchtern gerade für dieses Stück entschieden? Möglicherweise soll die Zahl ja ein Hinweis sein auf das Jahr seiner Geburt, seiner Einschulung oder seiner politischen Prägung? Alles nein, oder eher nicht. Und nur Einfältige würden bei Neunundsechzig – vor allem im Zusammenhang mit Klaus Nüchtern – an eine Aufforderung zur Ausübung irgendwelcher sexuellen Praktiken denken.
Die Zahl Neunundsechzig auf Nüchterns Long Sleeve von Custo Barcelona weist vielmehr darauf hin, dass der Mann a) tatsächlich zu den modisch Begabten beim Falter gehört und b) extrem praktisch veranlagt ist. Wenn sich Klaus Nüchtern nämlich im redaktionsinternen Wellnessraum kopfüber an die Sprossenwand hängt, um Übungen zu machen, die er in seltsamen Rückenschulen gelernt hat und die seinem Stellvertreterrücken gut tun sollen, bleibt die Zahl auf der Rückseite seines katalanischen Designerstücks gleich: Neunundsechzig bleibt Neunundsechzig, auch kopfüber. So gesehen könnte er natürlich auch ein Shirt mit der Aufschrift Acht oder Achtundachtzig besitzen. Oder Sechsundneunzig. Oder auch Null. (An dieser Stelle muss darauf hingewiesen werden, dass ihm Custo-Shirts ausgesprochen gut stehen. Er besitzt mehrere davon.) Unlängst präsentierte Klaus Nüchtern sein neuestes Shirt von Custo Barcelona. Neben bunten Farbflächen, wirrem Gekritzel und allerlei Unentzifferbarem ist darauf auch die Zahl Zwei zu erkennen. Was das nun wieder bedeutet? Ein Hinweis auf das Erscheinen seines zweiten Kolumnenbuchs natürlich, was sonst. Für die Sprossenwand ist die Zwei wohl kaum geeignet.
Christopher „Wurmdobler“ Wurmdobler
Tanzhals sucht Nackendoktor
Meine zwei Feinde im Fitnesscenter
Wenn der Chefredakteur das Zimmer betritt und ich den Bürosessel in Bewegung setze, um Sichtkontakt herzustellen, ohne den Kopf wenden zu müssen, weiß der Chefredakteur, dass a) sein Stellvertreter einen steifen Hals hat und b) es wieder einmal Zeit für den nachdenklich stimmenden Vortrag zum Thema „Artgerechte Unterbringung in Büros“ wird, der mich einerseits zur Selbstermächtigung in Sachen Neuordnung des Mobiliars ermuntern möchte, mich andererseits mit väterlichem Wohlwollen in der Gruppe der Haltungsgeschädigten begrüßt. Dabei tu ich ja was! Bereits seit Wochen besuche ich ein calvinistisches Fitnessstudio, in dem ärmellose T-Shirts ebenso verboten sind wie Hosen ohne Hosenbeine. Stattdessen gibt es einen riesigen Maschinenpark voller stählerner Ungetüme, in die man sich einspannt, um unter großen Qualen Muskeln zu trainieren, von deren Existenz man bis vor kurzem noch nichts ahnte. Meine ganz persönlichen Feinde sind zwei Maschinen, die auf den charmanten Namen F1 respektive F2 hören und sich den Bauchmuskeln widmen. Das sind jene Muskeln, die angeblich unter dem Bauch beheimatet sind. Seit wenigen Wochen besitze ich sogar Seitenbauchmuskeln, die irgendwo über jenen Knochen liegen, zwischen denen bei jungen Leuten das Nabelpiercing liegt und die ich Beckenschaufelausläufer taufen möchte. Der einzige Zweck der Seitenbauchmuskeln besteht vermutlich darin, den beweglichen Teil von F1 in halbkreisförmiger Bewegung von Position 0 auf Position 13 und retour zu bewegen: zwei Minuten auf halblinker, zwei Minuten auf halbrechter Position. Ich mutmaße, dass die anderen Menschen, die dieses Fitnessstudio ganz offensichtlich auch nur deswegen aufsuchen, weil sie in zehn oder zwanzig Jahren noch „aufrecht“ gehen, schmerzfrei sitzen oder ein Gurkenglas aufschrauben können wollen, ähnlich schlimme Feinde haben wie ich. Übermäßige Solidarität kommt dennoch nicht auf. Stattdessen kontrolliere ich ihre Gewichtseinstellungen und verachte alle jene, die weniger Kilos beugen und biegen, stemmen und stoßen müssen als ich.
Chef checkt Nottermin beim Nackendoktor
Zu den schönsten unter den leider und zu Unrecht in den Ruf des Infantilen und Verschmockten geratenen Partyspielen gehört neben Flaschendrehen und Apfeltauchen noch Tiere-Zuordnen. Es geht dabei darum, dass einzelne Personen von allen anderen Partygästen aufgrund physiognomischer oder wesensmäßiger Ähnlichkeiten bestimmten Tieren zugeordnet werden. Ich zum Beispiel werde in der Regel von allen eindeutig als Ratte identifiziert (physiognomisch). Dagegen habe ich nichts einzuwenden, bin ich doch ein Freund dieses kleinen, alerten Globalisierungsgewinners. Würde man mich allerdings nach dem vergangenen Wochenende nach meinem animalischen Analogon befragen, würde ich antworten: „Nicht-Eule.“ In gewissem Sinne trifft das auch auf die Ratte zu, die von der Eule ja durchaus qua Verspeisen negiert wird; mich hingegen finde ich durch den bekannt wendigen Kopf der Eule aufs Bitterste parodiert, da ich derzeit an einer unhübschen Genickstarre laboriere und mich seit Freitag intensiv mit der Frage „Gibt es eine schmerzfreie Liegeposition?“ beschäftigt habe. Die Antwort lautet eindeutig: „Nein!“ Zwar besitzt mein schlafender Körper die erstaunliche Fähigkeit, wie ein Scheit Holz stundenlang in derselben Position zu verharren, aber auch das bewirkt schmerzhafte Verspannungen, die die ohnedies stark verminderte Mobilität noch weiter einschränken. Und das mir, einem Menschen, der dem Drang, unkontrolliert um den Hamsterkäfig herumzu„tanzen“ oder der Tochter die winzigen Schnapsgläschen vom Tablett zu fegen (Her Royal Hamstress ist leider schwere Gintrinkerin), nur allzu gerne nachgibt. Wie schon die diversen Weltkriege hat mein Chef auch meine pathologische Versteifung im Zervikalbereich schon vor Jahren vorhergesehen und warnend auf mich eingeredet. Freundlicherweise hat er sich die Anmerkung, dass er es immer schon kommen sehen habe, verkniffen und mir stattdessen einen Nottermin beim Nackendoktor gecheckt. Von ihm werden Wunderdinge erzählt. Er heißt Dr. Malus. Ich bin der Letzte, der zu Namenswitzen aufgelegt wäre.
Bizarr & wohltuend: Oktopus im Nacken
Der Verdacht lag ja schon längst nahe, aber jetzt muss es als wissenschaftlich abgesichert gelten: Man fährt am besten, wenn man sein Leben als Marionette verbringt. Zur Erlangung einer korrekten und möglichst schmerzfreien Körperhaltung, so erklärte mir mein Heilgymnastiker, ist es hilfreich, wenn man sich vorstellt, an einem Faden zu hängen. Ein akutes Cervicalsyndrom (CVS) ist überhaupt prächtig dazu angetan, einen mit jenen existenzialphilosophischen Happen zu versorgen, die milde Alltagsentgleisungen (Sieg des falschen Fußballvereins, Triumph der falschen Musik, Erfolg der falschen Partei, Erwerb der falschen Apfelsorte) leichter erträglich machen. Schlafen und dann auch wieder aufstehen können ist ja auch schon mal was sehr Feines! Ein prächtiges System medizinischer Versorgung, dessen Erhalt vom Erfolg der richtigen Parteien abhängt, sorgt zudem dafür, dass sich gut ausgebildete Menschen mit wunderbaren Fähigkeiten um meinen Stütz- und Bewegungsapparat kümmern. Hochgewachsene Frauen in schwarzen Schlauchkleidern erfreuen mein Auge (auch wenn es schmerzt, den Blick nach oben zu richten), andere unfassbar freundliche Frauen holen mir ungezuckerten Gratiskaffee. Man pappt mir einen elektrischen Oktopus an den Nacken, was mich in der Folge zum Tragen hochkragiger Kleidungsstücke nötigt, da die Spuren dieser Behandlung so aussehen, als würde ich mich für Innovationen auf dem Hundehalsbandsektor interessieren und mich gerne in Hobbykellern mit verspiegelten Decken aufhalten. Hernach kommen dann Menschen mit beachtlicher Armmuskulatur und kneten an meinen Muskeln herum, die zwar nicht vorhanden, dafür aber bretthart und voller Astlöcher sind. Schuld daran ist die Überidentifikation mit meiner Schreibtischplatte. Mein Masseur rät zum Berufswechsel oder einer dreimonatigen Auszeit, ein Vorschlag, den ich umgehend an meinen Chef weiterleite. Dieser versetzt sich spontan in meine Lage und bekommt sofort einen betonharten Nacken. Ich verschreibe ihm einen Berufswechsel und borge ihm meinen Comfort-Cool-Pack mit blauem Nackenkühlgel.
Zero Tolerance for Stammkundenverarsche
Ich weiß, dass es Kulturen voller Langmut, Weisheit und zotteliger Rinderrassen gibt, die den Shopping-Samstag gering achten und vertane Zeit nicht kennen. Warten zum Beispiel finden die super, weil es für sie gar nicht warten bedeutet, sondern von Gott geschenkte Zeit oder so. Ich gehöre dieser Kultur aber leider nun mal definitiv nicht an und habe mich auch dazu entschlossen, entsprechenden Culture-Switch-Awareness-Classes, wie sie in jeder besseren Volkshochschule angeboten werden, fernzubleiben. Und Warten finde ich total scheiße. Was ich in letzter Zeit