Kleine Quittenkantate für Kastratensopran und Querflötenquintett. Klaus Nüchtern
eine „Adventappendizitis“ befürchten. Letztlich ist jedoch das alles auf den „Fettfaschismus“ der „Brunello-Bagage“ zurückzuführen, einer „immer illuminierten illustren Interessengemeinschaft idiosynkratischer ibishotelinkarzerierter Intelligenzbestien“ – und wie man sieht, schwebt er schon wieder weit über dem Weh der Welt dahin, in den höchsten Sphären alliterativer Artefakte, und ganz gehörig „rauscht es durch seine Rübe“. Man selbst fühlt sich im Vergleich dazu zwar ein wenig wie ein „dröger Downtempo-Dachs“, aber ich denke, das macht nichts.
Paulus Hochgatterer
Am Frühling muss noch gefeilt werden
Ich breche eine Lanze für den Nebel
Zugegeben, angesichts der derzeitig erstaunlich lichten Wetterlage, gegen die ich auch absolut nichts einzuwenden habe – nicht umsonst wurde die „Wintasun“ von den führenden Barden dieses Landes in unvergänglichen Liedern gepriesen –, ist es heikel, eine Lanze für den Nebel brechen zu wollen; auch will ich mir keineswegs nachsagen lassen, kein Mitgefühl für jene aufzubringen, die in Schwermut versinken, wenn man ihnen die große Lampe ausknipst … Andererseits: Die Sonne hat die besten PR-Agenturen der Welt, sämtliche heimische Spitzenkolumnisten zählen und loben die Februarsonnentage, da kann ich schon aus schierem Distinktionsgewinnlertum nicht anders, als dem Nebel ein bisschen den Nacken zu kraulen. Seine Macht wird zudem auch oft grotesk übertrieben. Selten beherrscht er unser kleines Land wirklich flächendeckend, meist reißt er, fährt man aus Wien raus, bereits nach Wiener Neustadt auf. Und wenn er sich einmal so richtig einnistet, soll man das demütig als Wink des Schicksals oder göttlichen Fingerzeig hinnehmen. Eine uns gewiss nicht übel gesonnene Macht will uns damit sagen: „Du musst jetzt nicht immer nur in die Natur laufen und meine prächtige Schöpfung anglotzen, du kannst auch ruhig mal daheim vor dem Fernsehgerät hocken – das habe ich doch auch nicht aus lauter Jux und Tollerei erfunden. Fröne dem Schlaf und dem Beischlaf, und lass den Stand der Sonne nicht das Szepter schwingen über deinen Tag, denn siehe, ich habe den Nebel geschaffen, auf dass er tilge den Unterschied zwischen a.m. und p.m. und den Menschen in sich lauschen mache, ob ein Frühstück oder ein Nachtmahl ihn gelüste.“ Der Nebel ist wie ein guter Verteidiger, er macht die Räume eng und die Stube süß. Dort soll man sitzen, ein gutes Buch oder einen wertvollen Film in sich reintun und jede Menge von den Schokozimtmandeln aus der Bioconfiserie Hubmann, die es bei Bipa zu kaufen gibt und die das Geilste sind, was Menschen kriegen können, denen die Morphiumspritze mehr als nur einen Hauch zu dekadent ist. So hat sich der Schöpfer das ausgedacht.
Die Sonne macht die Schulter schmerzen
Die für das derzeitige Wetter Verantwortlichen sollen die Lanze, die ich in der Vorwoche für den Nebel brach, nicht missverstehen. Es ist nur so wie mit vielem anderen (etwa mit heimischen Hendlgrillketten): Wenn ich nicht lobe, macht’s wieder keiner – und das hat sich der Nebel echt nicht verdient! Es ist halt sein gottverdammter Job, dicht zu machen, ein meteorologisches Catenaccio aufzuziehen – da soll man sich nicht drüber beschweren. Dass damit nichts gegen „the fat old sun“ (Pink Floyd) gesagt werden soll, versteht sich doch eh von selbst. Jetzt, wo wer auch immer „the controls for the heart of the sun“ (Pink Floyd) wieder im Griff hat, wollen wir das natürlich genauso gutheißen. Man soll die saisonalen Angebote wertschätzen und nicht immer alles haben wollen: Bockbier gibt’s zu Weihnachten und Ostern, Gansl im November, Spargel von April bis Juni und Spaß im Februar. Dann muss auch wieder mal Schluss sein mit Spaß und Spargel. Aber auch die Saison des Auswurfhochhustens soll jetzt, bitte, mal ein Ende nehmen, da kommt ja doch nichts raus bei! Also wollen wir uns der Sonne durchaus mit einem freundlichen „Hallo!“ zuwenden. Wir tun das übrigens ohnedies – ob mit oder ohne „Hallo!“. Als heliotrope Wesen bieten wir der Sonne automatisch die größtmögliche Körperfläche dar, weswegen es in diesen Tagen auch vermehrt zu Körperkollisionen kommt: Am gefährlichsten ist es, wenn der Winkel zwischen Gehrichtung des Passanten und der Scheinrichtung der Sonne 90 oder 270 Grad beträgt, denn dann müssen die Menschen seitwärts gehen, und es kommt häufig zu leichten bis mittelschweren Schulterverstauchungen, ja selbst Seitenbandzerrungen und Seitenschädeltraumata sind keine Seltenheit. Andererseits passiert auf diese Weise auch manch Schönes: Die Körper laufen ineinander, stürzen gemeinsam zu Boden, lernen sich kennen und manches mehr und erfreuen einander bis zum Abendrot oder Morgengrauen. Das sind die wahren Ursachen der so genannten „Frühlingsgefühle“, denen auf diese Weise endlich eine wissenschaftliche Basis gegeben werden kann.
Der kurze Frühling der Kontrolleure
Es ist Frühling und die Straßen sind voll von Männern, die aussehen wie Playmobilbauarbeiter. Ich habe keinen Grund, an der Authentizität dieser poetischen Beobachtung meiner Tochter zu zweifeln. Nachdem die Niederschrift dieser Kolumne synchron zur Wiederholung des Winterbeginns stattfindet, habe ich nur leider keine Gelegenheit, mich an diesem Anblick zu ergötzen. An sich müssten jetzt eigentlich Playmobilpolarforscher die weiß bedeckten Straßen füllen oder mit ihren Polarforscherfahrzeugen über den Morzinplatz tuckern, aber über den laufen nur vom Schnee überraschte Tunichtgute, die niemand haben, der sie zu Hause mit einer frischen Bauchfilzpeitsche in die feuchte Tuchent prügelt. Natürlich hätte ich meiner Tochter erklären können, dass es sich bei den playmobilbauarbeiterähnlichen Herren in den meisten Fällen um Fahrscheinkontrolleure handelt, die in ihrer Freizeit in Retroschwulenbands spielen, aber man soll den Kindern die Welt nicht kaputterklären. Das hemmt nur die Fantasie und treibt den Nachwuchs in die Arme von fragwürdigen Investmentbankern, die ihr Geld in Fonds anlegen, die dahinschmelzen wie der frische Schnee auf den Schnurrbärten von im Stadtpark schmusenden Fahrscheinkontrolleuren. Das muss nicht sein. Viel schöner ist es, wenn man den Frühling durch den Kauf von extravagantem Schuhwerk feiert, mit dem man den Playmobilbauarbeitern ein kleines freudiges Flackern in die Augen zaubert. Das derzeit avancierteste Modell auf dem Hightech-Sneaker-Sektor etwa zeichnet sich durch eine kesse Kombination von Orange und einem türkislichen Hellblau aus und stachelt mich zu subtilen Exzessen kühner Kombinatorik an, während sich Tochter zu brombeerfarben glänzenden Stiefeletten hat hinreißen lassen. Die passen ganz prächtig zu ihrem neuen maronifarbenen Sportrock, und ich habe ihr vorgeschlagen, dass sie zum schulinternen Faschingspartythemennachmittag als Kastanienreis auf Fruchtspiegel gehen soll. Das Schlagobershäubchen kann ja echt kein Problem sein. Und die ewigen Punschkrapfen stellt sie damit locker in den Schatten!
Frühlingsdanksagungsritualvorschlag
An sich bin ich jederzeit aufgelegt, Wettersmalltalkverachtungsbekundungen in die Schranken zu weisen. Leute, die sich übers Wetter unterhalten, als Spießer zu entlarven, die schon in jungen Jahren nach Heizdecke und TV-Serien mit Mitgliedern der Wussow-Familie muffeln, ist ein nur allzu leicht zu durchschauender Kniff, sich selbst in das aparte Licht dezenter Devianz zu stellen, obwohl die Beschwerdeführenden in achtzig Prozent der Fälle zu jenen Zeitgenossen zählen, die minutenlang über „Sex and the City“ schwatzen können, also genau null Grund haben, despektierlich auf irgendjemandes Konversationsstoff herabzublicken. Andererseits muss ich schon zugeben, dass die „Geht dieser Winter denn auch Mal wieder zu Ende“-Gespräche das Ausmaß des Zulässigen und Gesunden bei weitem überschritten haben (kein Feuilleton, kein Foyer und kein Fistfucking-Fest, in und auf dem dieses Thema zuletzt nicht bis zum Schwallspeiben durchgekaut worden ist), sodass ich für die Saison 2004/05, selbst für den Fall, dass Blizzards die Südsteiermark verwüsten sollten, kein Wort übers Wetter vernehmen möchte. So. Nun ist aber der Frühling am letzten Sonntag tatsächlich angebrochen. Und er hat das, während in Sestriere der Skiweltcup nicht nur meteorologisch unrund zu Ende ging, sehr raffiniert gemacht. Wie sich die Sonne gaaanz sachte durch eine allumfassende, aber nicht unangenehme Vormittagsschwarzweißfilmstimmung arbeitete, um dann endlich gegen 15 Uhr ihr Honigmilchlicht (zum Beispiel) auf die Schneehaufen Ottakrings zu verteilen, das war, weiß Gott, Oscar-würdig! Man soll aber die „Austreibung“ des Winters nicht den heidnischen Ritualen der Vorarlberger Diaspora in Wien überlassen, weswegen ich hier doch einmal anregen möchte, dass sich alle Menschen, in deren Herzen die Dankbarkeit hin und wieder ihr bescheidenes Einmannzelt aufschlägt, am nächsten Sonntag