Der Besuch. Adrian Plass

Der Besuch - Adrian Plass


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zu ihm gesprochen, als er sich schon zur Gemeinde umdrehte und sagte (das werden Sie jetzt nicht glauben):

      »Hätte vielleicht jemand ein Sandwich für mich?« Nun, einige Leute lachten, aber eine alte Dame ging geradewegs nach hinten in die Küche und machte ihm ein Sandwich und eine Tasse Tee, und als sie ihm die Sachen brachte, setzte er sich einfach auf die Altarstufen und verzehrte sie ohne das geringste Zeichen der Verlegenheit.

      Das warf mich völlig aus der Bahn. Ich hatte eine Kopie des Programms in meiner Hand, aber als ich mich weit genug zusammengerissen hatte, um auf ihn zuzutreten, stand er auf, drehte sich um und sah mich an, und ich konnte es ihm einfach nicht geben. Ich kann den Blick nicht beschreiben, mit dem er mich ansah. Beinahe hätte ich losgeheult und auf ihn eingeschlagen. Das klingt lächerlich, nicht wahr, aber unter seinem Blick kam ich mir vor wie ein Idiot, und ich gebe zu, dass ich mich auch auf eine seltsame Weise schämte. Aber warum nur?

      Jedenfalls wandte er sich wieder der Gemeinde zu und sah sie an, als hielte er in einer Menschenmenge nach einem Freund Ausschau. Er schien nach einem bekannten Gesicht zu suchen. Dann winkte ihm jemand zu, und an dieser Stelle wurde die Sache schlicht und einfach albern. Er rannte den Gang hinab und legte seine Arme um diese Frau in der vierten Reihe, und sie fing an zu weinen, und er sagte etwas zu ihr, das niemand von uns verstehen konnte, und dann standen noch ein paar andere Leute auf und gingen zu ihm hinüber, bis sich eine richtige kleine Menschenmenge gebildet hatte, mit ihm in der Mitte.

      Es war bizarr. Wissen Sie, da saßen Leute immer noch auf ihren Plätzen und schauten nach vorn, offensichtlich verlegen und unsicher, was sie tun sollten, während drüben an der Seite diese kleine Menschentraube lachte und weinte und einen Riesenlärm veranstaltete. Dann … hörte der ganze Lärm auf. Ganz plötzlich, als er seine Hand hob, herrschte absolute Stille.

      Drüben auf der anderen Seite der Kirche saß ein junger Bursche wie gelähmt da, den Blick starr nach vorn gerichtet. Sein Gesicht war weiß, seine Hände krampften sich auf den Knien zusammen, und er schien sich durch schiere Willensanstrengung zusammenzuhalten. Dann kamen diese wenigen Worte, die ihn irgendwie aus seiner Starre zu erlösen schienen.

      »Mach dir keine Sorgen.« Das war alles. Einfach

      »Mach dir keine Sorgen«, und schon schoss dieser junge Bursche quer durch die Kirche und kam auf den Knien schlitternd zum Halten. Und dann fing alles wieder an – der Lärm meine ich –, und dann gingen sie alle hinaus. Sie gingen einfach … hinaus.

      Ich folgte ihnen zur Tür und schaffte es tatsächlich, seinen Jackenärmel zu erwischen.

      »Entschuldigung«, sagte ich, »ich dachte, wir würden alle zum Gottesdienst zusammenbleiben.«

      »Natürlich«, sagte er und lächelte, »bitte komm mit uns.«

      Ich wusste einfach nicht, was ich tun sollte.

      »Aber wir halten den Gottesdienst normalerweise in der Kirche ab.«

      »Möchtest du nicht lieber mit mir kommen?«

      Nun, das hätte ich tatsächlich lieber getan, aber ich wusste nicht, wohin er ging. Ich hatte gedacht, er würde sich bei uns einfügen, und jetzt schien er so … planlos.

      »Wohin gehst du?«, fragte ich.

      Er blickte die Straße hinauf und hinab (und jetzt kommt noch etwas, das Sie nicht glauben werden), deutete über die Straße und fragte: »Wie ist es in dieser Kneipe da drüben?«

      »Da geht es ehrlich gesagt ein bisschen rau zu«, sagte ich, und ich wusste sowieso, dass zwei oder drei von den Leuten, die bei ihm waren, aus Prinzip keinen Fuß in eine Kneipe setzen würden. Zumindest dachte ich, dass ich das wüsste, denn sie folgten ihm alle hinein; junge Burschen, alte Jungfern, alte Männer – der ganze Haufen. Ich war sprachlos.

      Eine halbe Stunde lang stand ich neben dem Kirchenportal, und ungefähr um halb acht kam er wieder heraus, und ich schwöre Ihnen, es folgten ihm mehr Leute heraus als hinein. Alle schwärmten sie zurück über die Straße zur Kirche, und er sagte zu mir: »Dürfen wir jetzt wieder hinein?«

      Und so kamen sie alle wieder hinein und setzten sich. Was heißt, sie setzten sich – sie hockten sich auf die Rückenlehnen, ließen sich im Schneidersitz auf dem Boden nieder, lümmelten sich auf die Heizkörper, wie es ihnen gerade passte, und er fing an, zu ihnen zu sprechen. (Alle, die in der Kirche geblieben waren, waren inzwischen gegangen, einschließlich der Dame, bei der er untergebracht werden sollte.)

      Und jetzt kommt das, was ich nicht verstehe. Er hatte mir meinen Gottesdienst verdorben, alles war schief gegangen, und ich kam mir wie ein Idiot vor, doch ich wollte nichts mehr, als mich auf den Boden zu setzen und ihm zuzuhören – und ich hatte das Gefühl, dass er genau das von mir wollte.

      Aber ich tat es nicht. Ich ging nach Hause.

      Wissen Sie, ich hatte nicht mehr geweint, jedenfalls nicht richtig, seit ich ein kleiner Junge gewesen war, aber an jenem Abend saß ich zu Hause und heulte mir die Augen aus dem Kopf. Dann, ganz plötzlich, wusste ich, was ich zu tun hatte. Ich stürmte aus dem Haus und rannte zurück zur Kirche. Alles war so still, als ich dort ankam, dass ich dachte, es müssten alle weg sein, doch als ich eintrat, saß er allein dort. Ein warmes Lächeln lag auf seinem Gesicht.

      »Du hast dir Zeit gelassen«, sagte er. »Ich habe auf dich gewartet. Ich übernachte heute bei dir.«

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