Die 8te Pforte. Akron Frey

Die 8te Pforte - Akron Frey


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Seite öffnete sich plötzlich ein mannsgrosser, kegelförmiger Lichtspalt. Ich starrte in die Glut: „Kommt wieder aus mir raus!“, befahl ich meinen inneren Wesensteilen. „Niemand hat euch erlaubt, dass ihr in mir drinbleiben könnt.“ Es war, als sähe ich durch meine geschlossenen Augenlider in ein beissendes Geflimmer. Mein Sehen war viel mehr als nur ein äusseres Bild: es war ein inneres Erkennen. Und als ich meine Aufmerksamkeit bewusster auf die äussere Erscheinung neben meinem Bett richtete, deren Gestalt aus dem Schatten plötzlich ins Licht trat, schienen mir auf irgendeine Weise auch ihre Augen zu antworten, denn einen Moment hatte ich das seltsame Gefühl, als hätten sie mich erkannt.

      Ich stellte fest, dass diese Vision mehr als nur ein Erlebnis oder eine Erinnerung war: Sie bebilderte eine multiple Situation, in der das Geschehen mehrdimensional übereinandergeschichtet war. „Könnt ihr mehr über euch erzählen?“, erwiderte ich interessiert.

      „Sei nicht so neugierig, wir werden dir bald alle begegnen“, hörte ich sie sagen. „Wir sind deine sechs auf unterschiedlichen Stufen operierenden inneren Personen, von denen du alles erfragen kannst, was dich interessiert und was du zu erfahren suchst.“

      „Das ist schon ein komisches Gefühl, wenn ich daran denke, dass ihr alle in mir existiert. Wie kann ich mich schützen?“ Ich hatte ein mulmiges Gefühl beim Gedanken, dass da irgendeine fremde Energie in mein Inneres eingedrungen war.

      „Normalerweise braucht man sich vor uns nicht zu schützen“, raunten sie mir zu, „denn wir lösen in den Menschen nur die ‚zukünftigen Erinnerungen‘ aus, an die sie sich erst sehr viel später erinnern können, da sie im Moment ihres Empfindens noch gar nicht stattgefunden haben.“

      „Dann seid ihr die unerlebten Erfahrungsmuster und Frequenzebenen unbekannter Wesen meiner Art?“, hörte ich mich selbst denken. „Wo kommt ihr her? Was ist eure Welt? Kann ich irgendetwas für euch tun?“, versuchte ich meine innere Unruhe zu überspielen.

      „Was möchtest du denn tun?“ Sie schienen ziemlich belustigt über das, was ich sagte.

      „Ich möchte mich von meinem persönlichen Ego lösen und euch in die Geisterwelt folgen …“, versuchte ich sie zu überzeugen und löste damit ein Beben in meinem Solarplexus aus. Die Vibrationen wurden schneller und fingen an, sich in mir zu drehen, bis mir schwindlig wurde.

      „ … uns folgen“, wiederholten sie verdächtig sanft. Kaum hatten mich ihre Worte berührt, fühle ich die wundersame Wiederkehr einer tief aufsteigenden Erinnerung in mir. Das Licht im Raum wirbelte nach innen, wobei es herrliche Reflexe hervorrief und seltsame, züngelnde Schatten warf: „Du könntest dich höchstens darauf konzentrieren, unsere Botschaft zwischen deinen Ohren gut zu verarbeiten.“

      Die Geister expandierten im Bewusstsein rasend schnell und füllten bald mein ganzes Gesichtsfeld aus. Im nächsten Augenblick zogen sie sich zu einem Lichtpunkt vor mir zusammen, von dem ich annahm, dass es Niemands leuchtendes Auge war. Im Grunde war es mein eigener Blick, der sich mir durch Niemands Auge gegenübersah, eine durchscheinende, schimmernde Glut, deren Tiefe die Unbegrenztheit des Kosmos atmete.

      „Sieh nur“, sagte dieser ganz ruhig, „sie kommen aus dem Unbewussten herauf zu dir, um dir etwas mitzuteilen.“ Einen Moment war ich ganz davon in Anspruch genommen, die Lichtfünkchen, die ihn umströmten, zu beobachten.

      Und gleichzeitig blickten Niemand und ich uns gegenseitig an, da wurde ich mir plötzlich meiner multiplen Situation bewusst. Irgendwie schien er die Kontrolle über mein Verhalten übernehmen zu wollen und ich fragte mich, ob das Ganze möglicherweise nur ein Versuch von mir war, mit dem Tod und dem bevorstehenden Übergang besser umgehen zu können.

       „Kommst du mit mir?“, enthüllte er sein charmantestes Lächeln. „Ich habe dich oft in deinen Träumen besucht, auch wenn du dich nicht mehr daran erinnern kannst …“

       „Und nun bringst du mir die Erinnerung zurück, die ich schon längst vergessen habe“, fiel ich ihm ins Wort. Ich spürte die alten Bilder in mir: „Ja, ich komme mit“, meine Gedanken begannen zu rasen. Sie drehten sich immer schneller, bis ich sie nicht mehr einzeln wahrnehmen konnte. Meine Hirnganglien fingen an, sich zu bewegen, und das Ganze stieg wie ein nebelhafter Schleier zu mir auf, eine endlose Kette von Assoziationen, die an meiner Wahrnehmung vorbeischwebten. Schnitt.

       Mein mehrdimensionales Wesen flackerte einen Moment, dann begann sich meine Bewusstseinsbühne langsam zu verschieben, als ob sie sich zu einer tieferen Dimension von Erkenntnis auseinanderfalten wollte. Und eine Botschaft vereinigte sich aus sechs verschiedenen Perspektiven in meinem Mund: „Wir sind ‚Niemands‘ verschiedene innere Selbst und möchten dir zeigen, was dich auf der anderen Seite erwartet. Bist du bereit?“ Er lächelte maliziös.

       „Ja, ich möchte mit dir kommen, dich durch alle Sehnsüchte meines Herzens begleiten“, jubelte es in mir, „und mich in jeder Hinsicht von dir leiten lassen.“

       „Dann lass uns die Welt durch meine Augen betrachten …“, mit einem Mal spürte ich seine Augen in meinem Kopf, seine Gedanken pressten sich in mein Bewusstsein und es war, als sähe ich durch die halbgeschlossenen Augenlider in ein Licht: „ … die ich dir zur Verfügung stelle, damit du die Zusammenhänge in deiner Erinnerung besser verstehen kannst!“

       Doch bevor ich in seinen Eingebungen versank und mit den mir geliehenen Augen die Ewigkeit ausmaß, hatte ich eine seltsame Vision: „Du fließt als ein Ausdruck menschlichen Ringens um die letzten Dinge in das kosmische Nichts zurück“, strömte es aus meiner Seele. Schnitt.

       „Vermeide seinen Blick …“, sagte eine geisterhafte Stimme plötzlich neben mir und ich spürte, dass ich nicht alleine war. Es war aber auch nicht ‚Niemand‘. Eine unbekannte Energie, die ich in Verdacht hatte, der Tod zu sein, hatte sich zwischen uns gestellt und bewegte sich wie ein Doppelgänger. Irgendwie schien mir, als pendelte sie zwischen ihm und mir.

       „ … sonst wirst du von ihm aufgesaugt!“ Plötzlich blickte ich durch die Augen meines Traumkörpers. Während die Person, die ich eben noch war, versuchte, seine Hand zu erfassen, dabei aber nur ins Leere griff, berührte mein geträumter Teil die Hand des Sensenmannes: „Was für dunkle Erinnerungen löst du in mir aus?“ Ich weigerte mich, irgendwelche Ratschläge zu befolgen, solange ich die Zusammenhänge nicht kannte.

       „Während des Todes löst sich das gewohnte Ich auf und zerstiebt wie eine Handvoll tanzender Funken, und gleichzeitig entstehen neue Impulse, zwischen denen eine starke Verbindung besteht“, fauchte er mich an. „Das ist auch eine der Ursachen, warum wir miteinander reden können, obwohl wir ganz andere Energiewesen sind. Aber durch einen gemeinsamen kosmischen Traum schwingen wir auf der gleichen Frequenz.“

      Sein Gesicht flimmerte. Es war der Tod. Im Grunde war es mein eigener Blick, der dem Tod im Umweg über Niemand ins Auge sah, eine durchscheinende, schimmernde Glut, deren Tiefe die Unbegrenztheit des Kosmos atmete.

      „Deshalb pendelst du in diesem Augenblick zwischen Verstand und außerkörperlicher Wahrnehmung hin und her, ohne dich aber für die eine oder andere Seite entscheiden zu können“, antwortete er und schaute mich lang und unverwandt an, „denn du bist im Begriff, dich von deinem Körper zu lösen, obwohl du davon auch nicht restlos überzeugt bist, und im Moment steht es unentschieden, das heisst, dir stehen beide Perspektiven offen.“

      Ich sagte ihm, dass ich mich in diesem Augenblick sehr unbehaglich fühlte. Ich fürchtete mich vor dem Unbekannten, das mich erwartete, und das mich gleichermassen anzog. Ich hatte Angst.

      „Jeder kommt irgendwann an diesen Punkt“, erklärte Niemand hoheitsvoll. „Auch ich bin vor langer Zeit an dieser Stelle gestanden, und die Kraft hat mich geführt.


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