Gewaltlosigkeit und Klassenkampf. Herbert Meißner

Gewaltlosigkeit und Klassenkampf - Herbert Meißner


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sind – auch wenn dieser Begriff nicht ständig lautstark benutzt wird. Ob nun der Begriff »Klassenkampf« in den verschiedenen Dokumenten, Programmen, Verlautbarungen und Aufrufen verwendet wird oder nicht – er findet statt. Da bei alledem aber der Standpunkt aufrecht erhalten wird, dass Gewaltfreiheit beizubehalten ist, entsteht für alle die grundsätzliche Frage nach dem Verhältnis von Gewaltfreiheit und Klassenkampf oder nach der Führung des Klassenkampfes bei absoluter und konsequenter Gewaltlosigkeit. Ist das realistisch? Kann das funktionieren? Wenn ja – wie? Wenn nein – weshalb nicht und was dann?

      3. Klassenkampf und Gewaltlosigkeit?

      Von Lenin wurde dies weiter aufgeschlüsselt, als er im März 1919 auf dem I. Kongress der Kommunistischen Internationale erklärte: »Die Geschichte lehrt, dass noch nie eine unterdrücke Klasse zur Herrschaft gelangt ist und auch nicht gelangen konnte, ohne eine Periode der Diktatur durchzumachen, d.h. der Eroberung der politischen Macht und der gewaltsamen Unterdrückung des verzweifeltsten, wildesten, vor keinem Verbrechen zurückschreckenden Widerstands, der immer von den Ausbeutern geleistet wurde.«

      Man könnte noch viele Formulierungen von Marx, Engels und Lenin anführen, die diese Grundgedanken auf verschiedene Weise ausbauen, vertiefen und an bestimmten historischen Vorgängen verifizieren. Aber es geht hier nicht um eine Zitatensammlung, sondern um die beweiskräftige Vorstellung der Tatsache, dass in der Vergangenheit bis heute alle Klassenkämpfe mit der Anwendung von Gewalt verbunden waren. Dabei gab es revolutionäre Gewalt seitens der Unterdrückten im Kampf um ihre Befreiung sowie Herrschaftsgewalt seitens der unterdrückenden Klassen zur Sicherung und Aufrechterhaltung ihres Herrschaftssystems.

      Da diese verschiedenen Arten von Gewaltanwendung gegensätzlichen Zielen dienen, sind sie auch nicht als gleichwertig einzuschätzen: Gewalt ist nicht gleich Gewalt. Der Unterschied besteht einmal in der historisch-politischen Einordnung unter dem Aspekt, ob dem gesellschaftlichen Fortschritt dienend oder ihn verhindernd, ob erreichten gesellschaftlichen Fortschritt sichernd oder das Rad der Geschichte zurückdrehend. Und ein zweiter Unterschied besteht in Art und Umfang der Gewaltausübung. Es ist nicht das Gleiche, wenn leibeigene Bauern mit dörflicher und städtischer Armut im Bunde die Herrensitze der Großgrundbesitzer und Feudalherren niederbrennen, sich den von ihnen bearbeiteten Boden aneignen und verteilen und die Abschaffung der Leibeigenschaft fordern, wobei auch Gutsherren und Adlige zu Tode kamen – oder ob die gut ausgerüsteten und ausgebildeten Heere des Schwäbischen Bundes die nur mit Sensen und Heugabeln bewaffneten Bauernhaufen Thomas Müntzers zu Tausenden buchstäblich abschlachteten.

      Wenn all das für die Vergangenheit gilt, entsteht die Frage, wie es in Gegenwart und Zukunft um die Möglichkeiten gewaltlosen, gewaltfreien gesellschaftlichen Fortschritts bestellt ist.

      ↑4MEW, Bd. 4, S. 462 – später ergänzt durch »aller bisherigen geschriebenen Geschichte«

      ↑5Ebenda

      ↑6MEW Bd. 23, S. 779

      ↑7MEW Bd. 21, S. 383

      ↑8MEW, Bd. 21, S. 168

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