Schwarzmarkt Magie. Jek Hyde

Schwarzmarkt Magie - Jek Hyde


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es erst vor Kurzem geregnet haben, denn der huckelige Asphalt unter ihren Füßen glänzte geheimnisvoll.

      Alex streckte sich, steckte den Schlüssel in die Tasche ihrer Jeans und hüpfte kurz auf und ab, um wieder Blut durch die Beine zu pumpen, nachdem sie so lange im Auto gesessen hatte. Schließlich zog sie ihren braunen Pferdeschwanz fest. Das restliche Haar war gescheitelt und jeweils eine glatte, braune Strähne reichte an beiden Seiten des Gesichtes bis zum Kinn.

      Alex ging auf die Lichter in der Dunkelheit zu. Neben sich hatte sie nur die vielen Lastwagen, stille Kolosse. Titanen aus Metall, die von Regentropfen glänzten. Alle hatten sie die gleiche dunkle, undefinierbare Farbe bei Nacht. Der Rest der Kulisse wurde von dem Lärm der Autos und den verschiedenen Sprachen der Menschen bestimmt.

      Als sie auf die hellen Lichter der Tankstelle zuging, hatte sie den aufdringlichen Benzingeruch in der Nase. An Autos und Leuten von überall lief sie vorbei. Schließlich tauchte sie in das Licht der Tankstelle ein, deren Glastür sich bereitwillig aufschob, um einen weiteren ermüdeten Nomaden der Neuzeit zu empfangen.

      Vor ihr spaltete sich alles in helle Regale voller Knusperproviant, Zeitungen und Firlefanz und die eine oder andere Kühltruhe auf. Alex reckte den Hals und erkannte gleich ganz hinten rechts ein Schild mit dem einladenden Aufdruck: WC. Schnurstracks stiefelte sie dorthin und stand wie immer vor der Wahl der Toiletten. Sollte sie zu den Männern gehen, sich an die Pissoire stellen und beobachten, wie man sie mit großen Augen anstarrte? Oder sollte sie sich lieber in einer Kabine im Frauen-WC verkriechen? Sie entschied sich für das klischeehafte Männlein mit Kleid. Lustigerweise war keine der Frauen, an denen sie vorbeiging, in ein Kleid oder einen Rock gehüllt, sondern alle in Hosen.

      Alex riss die Tür der mittleren Kabine auf, der einzigen, die unbesetzt war, und ließ sie zuschnappen. Sie hatte das Gefühl, dass sich die gesamte Pisse in ihrer Blase inzwischen zu Urinsteinen kristallisiert hatte. Kurz: Alex riss den Deckel samt Brille hoch, zog den Reißverschluss hinunter, wühlte nach ihrem Glied und zog das momentan verschlafene Ding hinaus und die Vorhaut etwas zurück, um nicht auf den Rand zu pinkeln. Der Strahl brannte in ihrer Harnröhre, als sie es endlich schaffte, das Getränk, das etliche Kilometer hinter ihr lag, hier in die Schüssel zu feuern.

      Das Einzige, was an ihr Jahre und Trillionen Kilometer zurückliegendes weibliches Geschlechtsorgan erinnerte, war eine winzige, dünne Narbe, die sich rechts an ihrem Penis vorbeiwand.

      Als Alex sich endlich um eine Tonne leichter fühlte und ihr Körper sich entspannte, schüttelte sie die letzten Tropfen ab und stopfte ihn zurück in die Hose. Sie zog den Reißverschluss hoch und den Gürtel fest und drückte den silbernen, abgegriffenen Spülknopf, der aus der gefliesten Wand ragte. Sprudelnde Fluten reinigten das Gewässer. Alex ließ die Tür wieder aufschnappen und verließ die Kabine. Davor stand bereits eine wartende Frau mit dunklem, lockigem Haar und kupferner Haut. Sie unterstrich ihre garstige Ungeduld, indem sie die Arme verschränkt hielt, sich auf das linke Bein stützte und das rechte leicht ausstreckte. Alex nickte ihr grüßend zu und verließ zufrieden die Kabine. Sie bemerkte gerade noch, wie die Frau fragend eine Braue hochzog, als sie die aufgeklappte Klobrille bemerkte.

      Alex schwebte zum Waschbecken, wo sie per Knopfdruck eine weiche, schaumige Seife empfing und sich die Hände wusch, während eine Frau ihre fulminante Frisur sortierte. Sie schien sehr verärgert, dabei konnte Alex kein einziges Haar ausmachen, das den Gesamteindruck hätte trüben können.

      Nun, da das eine Bedürfnis nach Ventilöffnung befriedigt war, meldete sich das nächste Organ zu Wort. Es war der Magen mit seiner Lieblingsbotschaft: „Hunger“, oder besser: „Appetit“, was übersetzt bedeutete: „ZUCKER!“ Damit das verflixte Ding endlich die Klappe hielt und ihr ermüdetes, unterzuckertes Gehirn, das inzwischen auf Sparflamme lief, endlich Ruhe gab, schlängelte sich Alex durch die Regale zur Theke vor, wo neben sauber aufgereihten Armadas an Kaugummis, Kippen und Süßkram auch ihr Objekt der Begierde in einem mehrstöckigen Kasten aus durchsichtigem Plastik ruhte: der Donut. Der dicke Trucker vor ihr zog Leine und Alex tippte mit dem langen Zeigefinger gegen die Trennwand und deutete auf den Donut. „Der hier, bitte“, sagte sie.

      Die ausnehmend hübsche Kassiererin, deren blonder, katzenäugiger Anblick dafür sorgte, dass ein ganz anderer Teil von Alex wieder mit frischem Blut versorgt wurde, nahm mit einer silbernen Wurstzange den Streusel-Donut aus der Vitrine, ließ ihn in eine Papiertüte fallen und verlangte sechs Euro dafür. Alex hoffte, dass es der beste Donut der Welt sein würde, und zog ihr altes Portmonee aus schwarzem Leder hervor, um mit einem der neuen Fünf-Euro-Scheine, die an Spielgeld erinnerten, und einer einzelnen Euromünze mit Da Vincis vitruvianischem Menschen auf der Rückseite zu bezahlen.

      Die Transaktion war getätigt und Alex ging hinaus in die kühle Nacht. Sie zog ihr Samsung aus der Tasche, um die schlanken weißen Ziffern zu betrachten, die ihr verrieten, dass es gerade drei Uhr irgendwas in der Nacht war, und zwar an einer Raststätte mitten im Nirgendwo, wo sie gerade im Begriff war, einen Donut mit Streuseln zu essen. Das Samsung wanderte zurück in die Jacke und sie krempelte das Papier der Tüte um, um sich nicht die Hände zu beschmieren, während sie in das weiche, zuckerdurchsetzte Ding biss. Als ihre Zunge den Geschmack der luftigen Backware wahrnahm, musste Alex feststellen, dass es tatsächlich der beste Donut war, den sie je gegessen hatte.

      Sie schaute in die kühle, angenehme Nacht hinaus. Ringsherum undurchdringliche Schwärze, nasser, schimmernder Boden und feuchte, glänzende Fahrzeuge, dazu der Dampf der Fahrzeuge, die Stimmen der Leute und das Rauschen des Verkehrs, der wie Blutplättchen durch die Straßen schoss. Einzelne Lichter, die die Nacht durchbrachen. Alex fühlte sich plötzlich so verdammt lebendig.

      Sie schob sich den Rest des Donuts ins Maul, zerknüllte die Tüte und ließ sie neben sich auf den Boden fallen wie jeder anständige Raststättennomade. Donuts schmecken gegen drei Uhr und auf irgendeiner Raststätte immer am besten, das ist ein verdammtes Naturgesetz, ging es Alex durch das mit Zucker versorgte Hirn.

      Die Intersexuelle steuerte auf ihren Ford Escort EXP zu, öffnete das Gefährt und klemmte sich hinter das Lenkrad. Sie nahm einen Schluck aus der offenen, langsam schal werdenden Wasserflasche, die im Fußbereich des Beifahrersitzes herumkullerte, und startete den Motor, nachdem sie den Duft der Raststätte mit der soliden Tür abgeschnitten hatte. Die Lichter flammten auf. Die Anzeigen ließen ihre Zeiger zurückfallen. Alex rammte den Gang ein, legte die Handbremse flach und die Reise nach Nirgendwo konnte weitergehen …

      SEX, LSD & VERWIRRUNG

       AUF DER RASTSTÄTTE

      Im Radio lief „The Next Day“ von David Bowie. Alex sah sie sofort, als sie gerade zu den Parkplätzen einlenkte. Es war Lilli, die auf der Lehne einer Parkbank saß, mit einer weißen Schachtel in der Hand, aus der sie gebratene chinesische Nudeln mit zwei schief abgebrochenen Holzstäbchen fischte.

      Sie ist es und gleich ist sie es auch nicht, dachte Alex, während sie Lilli einen Moment im Rückspiegel beobachtete. Sie fuhr durch die langen Schneisen an Parkplätzen, die sich links neben der sehr groß ausfallenden Raststätte befanden, scherte in eine Parknische ein und stellte den Motor ab. David Bowie beschloss, Ruhe zu geben.

      Es war ein recht kühler Tag, dessen Himmel weiß und wie glatt gestrichen war. Der Parkplatz war nicht voll, sondern lückenhaft. Außerhalb der Parkreihen, auf einem größeren asphaltierten Platz, reihten sich Lkws und Wohnmobile aneinander. An einem recht alten Wohnmobil konnte Alex einige Neuzeitzigeuner in lumpigen Wohlfahrtsklamotten und auch den einen oder anderen Zwerg ausmachen. An einem Maschendrahtzaun, der den halben Rastplatz umschloss und an den Kiefernwald grenzte, fraß ein merkwürdig missgestalteter Rabe etwas, das durchaus Erbrochenes sein konnte.

      Alex griff auf die Rückbank, nahm ihre schwarze Fliegerjacke mit dem übertriebenen weißen Fellkragen an sich und stieg aus. Ihr Atem flog in kleinen Wölkchen davon, während sie die Tür abschloss und die Reihe entlang auf das große Raststättengebäude zuging. Dabei kam sie an einem vergitterten Brunnen vorbei, der von matten, grauen Pflastersteinen in Knochenform umgeben war. Wer wollte schon, dass irgendwo ein halb mongoloider Quälgeist hineinstürzte und jämmerlich ersoff? Sie lief weiter an dem großen Raststättengebäude


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