100.000 km zwischen Anchorage, Neufundland, dem Pazifik und New Mexico - Teil 3. Erhard Heckmann

100.000 km zwischen Anchorage, Neufundland, dem Pazifik und New Mexico - Teil 3 - Erhard Heckmann


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und bestätigt den uralten Spruch, dass von Nichts auch Nichts kommt. Was das Essen angeht, so hat „das Kind“ ordentlich aufgeladen: Einen großen Nudelsalat, zwei doppelte Burger und eine große Portion Pommes, auf die noch ordentlich Ketchup kommt. Beim abschließenden roten Wackelpudding scheint das Girl dann recht zufrieden zu sein, denn sie nickt uns lächelnd zu, tippt mit dem Löffel auf die Süßspeise und meint „it’s great, you should try it“. Dass so viel Futter auch durstig macht, war zu vermuten, dass Frau Lehrerin aber neben dem Halben-Liter-Kaffeebecher auch noch ein Stück Kuchen zum Tisch mitbringt, eher nicht. Schnauf, schnauf. Auf den letzten Meilen verliert sich der Eindruck vom offenen Meer. An seine Stelle treten kleine Inseln, und die Fähre steuert direkt auf eine „grüne Wand“ aus bewaldeten Bergen zu. Kurz vorher, dort wo die Grain-Mill steht, dreht sie 90 Grad nach links und tastet sich im ausgesteckten Gewässer zwischen zwei Inseln langsam vorwärts, ehe sie nach rechts zum Dock abbiegt und rückwärts anlegen muss. Eine Meisterleistung, denn der trichterförmige Liegeplatz passt auf Anhieb haargenau.

      Wieder festen Boden unter den Füßen streichen wir kurzerhand den Hotelbus und sind fünf Minuten später für sechs „Taxi-Dollar“ im „Howard Johnson“, dass uns für insgesamt 73 Dollar ein ordentliches Doppelzimmer für zwei Nächte reserviert hat. Dieses Hotel hatten wir gezielt gewählt, weil „National Car Rentals“ dort ein Büro hat, und damit unser „MG Impala Full Size“ morgen früh sieben Uhr auf dem Hotelparkplatz abholbereit steht. Damit wollen wir dann erst in die Stadt zu Adventure Tours, denn bei Dough und Debbie Davis haben wir für 240 Dollar eine Bootstour ins Grizzly-Schutzgebiet Khutzeymateen Valley gebucht, und am späten Nachmittag weiter nach Terrace, wo wir „Harry“ treffen, um mit ihm in sein einsames Camp zu fliegen.

       Mit Harry‘s Guide im Bärenland

       Für Schneeziegen ist das Fernrohr nötig

       La Basilique Notre Dame, Montreal

       Busch und Großstadt – Kitimat Mountains und Montreal

      Das Khutzeymateen, 45.000 Hektar groß, ist Kanadas erstes und einziges „Grizzly-Bear-Sanctuary“, das 1994 zum Schutz dieser Vierbeiner 45 Kilometer nördlich von Prince Ruppert in der gleichnamigen Bucht gegründet worden ist. In der Sprache der Tsimshian Nation, die an der Gebietsverwaltung beteiligt ist, bedeutet der Name „ein Ort der Bären und Lachse“. Die Besucherzahlen sind strikt limitiert und der Zutritt nur mit professionellen Guides per Boot erlaubt. Unser Skipper ist ein von vielen Sommersprossen geprägter Mittdreißiger, äußerst lustig und hier aufgewachsen. Sein Boot steuert er durch ein Gewirr von Inseln und erreicht nach zwei Stunden Fahrt das auch von Elchen, Wölfen, Wasservögeln, Orcas und Buckelwalen bewohnte Khutzeymateen Tal, in dem sich Berge, Wald, Inseln, viele saftig-grüne „Pockets“ und Wiesenränder finden, die den etwa 50 Grizzlys genügend Futter anbieten. Fünf von ihnen können wir auf der sechsstündigen Tour, die für die Rückfahrt eine andere Route benutzt, auch aus der Nähe beobachten, denn der Mann am Steuer stellt dann stets den Motor ab und lässt sich ganz sanft bis auf etwa 20 Meter ans Ufer treiben. Ob diese Tour ihr Geld wert war? Ich denke schon, denn der Tag war sonnig, die Fahrt durch diese Landschaft sehr schön und die Grizzlys eine nette Zugabe. Wer hier mehr möchte, kann auch das haben, allerdings ganz exklusiv und zu ganz anderen Preisen. Zwischen 1.700 und 3.600 Dollar bietet das Familienunternehmen „Ocean Light II Adventures“ mit Skipper Chris Tulloch und seiner Segeljacht Touren zwischen vier und zwölf Tagen an, wobei das Non Plus Ultra die geführte „Great Bear Tour“ sein dürfte, die in 8 bis 11 Tagen die Regenwaldregion der B.C.-Küste vom Skeena River bis zum Rives Inlet erkundet. Dieser größte intakte temporale Küstenregenwald der Erde ist mit seiner Vielfalt und seinem Leben – alte Hemlock- und Zedernwälder, Grasregionen, Wasserfälle, wilde Bäche, achtzig Flüsse voller Lachse, Küstengebirge, Wölfen, Grizzly und Kermode Bären – auf einem Segler ganz gewiss ein großartiges Erlebnis.

      Wieder zurück in Prince Ruppert steuern wir unseren Sechszylinder „Full Size“, dessen Kofferraum unsere zwei Hartschalenkoffer und die Reisetaschen bequem schluckt, nach einem kurzen Imbiss auf dem Yellowhead Highway entlang des Skeena Rivers. Unser Ziel ist das 150 Kilometer entfernte Terrace, wo wir gegen 18 Uhr 30 mit Harry McCowan im Hotel verabredet sind. Zusammen mit Straße und Fluss zwängt sich hier auch die Eisenbahn durch den schmalen Spalt, den die Gletscher einst durch das Küstengestein schabten, und der auf beiden Seiten von steilen, bewaldeten Hängen gesäumt wird. Es ist eine schöne Fahrt, auf der sich auch Angler, Brücken und Wasserfälle ins Blickfeld drängen. Terrace, ein überaus nettes, sauberes und größeres Städtchen als erwartet, ist eine der am längsten dauerhaft besiedelten Gegenden der Welt und war, lange bevor die Europäer kamen, eine der am dichtesten besiedelten Region nördlich von Mexiko. Der Skeena River bot den hier lebenden Tsimshian Nahrung, Schutz und diente ihnen als Transport- und Kommunikationsstraße. Ihre Kanus, die 4.000 Pfund tragen konnten und fünf Ruderer verlangten, mussten sie „kaufen“, denn auf den Bau dieser Boote waren die Haidas auf den Queen Charlotte Islands spezialisiert. Terrace hat aber nicht nur das Skeena River Tal als Pluspunkt, sondern mit schneebedeckten Bergzügen, Wäldern, dem grünen Sleeping Beauty und dem felsigen Thornhill Mountain oder dem von sandigen Ufern gesäumten Lakelse Lake auch eine nahezu perfekte Umgebung, die Outdoor Fans begeistert. Mit der Shames Mountain Ski Area und dem Onion Lake Ski Trail für Langläufer und Snowmobile muss sich der Winter vor dem Sommer aber auch nicht verstecken. Hinzu kommt die nördliche Lebensart mit gemäßigtem Tempo, Freundlichkeit und Sicherheit, und der nahe Ozean und die Küstenberge garantieren warme Sommer und schneereiche, milde Winter. Und die Fahrt oder der Flug nach hier stimmen bereits auf Urlaub ein.

      Terrace ist auch ein Platz der roten Fische und weißen Bären. Bei den Schwimmern sind es vornehmlich Chinook-Lachse, die jedes Jahr aus dem Ozean in die von Gletschern gespeisten Flüsse, Bäche und Seen zurückkehren, um hier zu laichen und, wenn der Nachwuchs gesichert ist, auch zu sterben. Vierzig bis sechzig Pfund schwere Lachse sind im Skeena- oder Kitimat River keine Seltenheit, doch kam der hiesige Rekordfisch aus den The Remo Flats und wog stolze 92 Pfund. Liliputaner sind dagegen die Eulachons, ein fingergroßer Fisch, der nach der Eisschmelze ebenfalls zum Laichen in die Flüsse Skeena und Naas kommt, und dem, wie den großen Brüdern, auch die Räuber folgen: Seelöwen, Robben, Adler und Möwen, der Mensch sowieso. Jahrtausende lang stellten die Indianer dem Winzling nach, um aus ihm Fischöl für ihren Handel zu gewinnen. Dass er den Beinamen „Candle-Fish“ erhielt lag an seiner Eigenschaft, im getrockneten Zustand wie eine Kerze zu brennen.

      Der Skeena Fluss, den die Ureinwohner „K’shian“ – Wasser aus den Wolken – nannten, und an dessen Ufern zur Laichzeit Angler neben Angler seiner Lieblingsbeschäftigung nachgeht, ist jedoch ein Gewässer, das Respekt verlangt. Sein Pegel kann sich an einem einzigen Tag um fünf Meter steigern und insgesamt um mehr als 18 Meter schwanken. Er riss auch schon Löcher in die Planken der Flussdampfer, deren Kapitäne sich schon damals darüber einig waren, dass er wohl der raueste Fluss in Nordamerika ist. Mit 152 Zentimeter Gefälle pro Meile, Stromschnellen, Whirlpools, unbekannten Kanälen, Canyons und sich stetig verändernden Sandbänke sorgten er dafür, dass die Dampfer, die ihn einst befuhren, für unsere heutige gemächliche Neunzig-Minutenfahrt 35 Stunden brauchten, um den gleichen Abschnitt zu bewältigen. Diese „Riverboats“ operierten auf dem 180 Meilen langen Gebirgsstrom aber nur für 22 Jahre, und als Letzter stellte der Sternwheeler „Inländer“ seinen Dampfkessel ab, als im September 1912 die Eisenbahn die Geschäfte übernahm.

      Eine der großen Segeltouren mit der Ocean Light II Adventures hätte mich schon gereizt, aber um die Schönheiten eines Landes kennen zu lernen, dazu braucht man keinen Luxus, das geht auch rustikal und ist dann oft viel schöner. Und eine solche Alternative fanden wir mit „Harry“, bei dem die Anzahl der Tage in seinem Buschcamp, als auch die Unternehmungen mit ihm, ausschließlich von unseren Wünschen abhingen. Und Harry, groß, hager, Mitte vierzig


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