Ponton-Kids. Siegrid Graunke Gruel

Ponton-Kids - Siegrid Graunke Gruel


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Kind, den Husten hab ich doch immer. Gibt es denn was Neues?“

      Ja, natürlich gibt es etwas Neues, aber das kann Julia nicht einfach am Telefon erzählen. Und da vorn wartet Jonas immer noch und blickt zu ihr herüber. Komm doch endlich, Shuli, scheint er zu sagen.

      „Ja, nein, Doro, nichts Neues, aber sagst du bitte zu Papa, falls er noch bei dir anruft, dass ich gestern bei dir übernachtet habe, ja? Bitte, bitte.“

      „Ist gut, Julia. Willst du denn noch herkommen?“

      „Heut nicht, Doro, ein andermal. Aber tausend Dank! Ich meld mich wieder bei dir. Bis bald!“ Dann legt sie auf und geht langsam auf Jonas zu. Als sie bei ihm ankommt, umarmt sie ihn einfach wieder.

      „Du brauchst aber lange …“, sagt Jonas und legt seinen Arm um ihre Schultern. „Ich hab längst Wurzeln geschlagen.“

      Wie männlich er schon ist, denkt Julia sich, obwohl er bestimmt ein bis zwei Jahre jünger ist als ich. Und wie schön es sich an seiner Seite geht.

      Bald sitzen sie wieder zusammen auf den Bänken am Tisch im Wohnmobil und trinken schönen heißen Kaffee, den Kalle gekocht hat. Und Kalle ist jetzt richtig gut gelaunt. Er redet pausenlos, so erleichtert ist er. Auch Jonas ist froh darüber, dass sie bleiben können.

      „Die haben überhaupt nich gemerkt, dass wir da war’n! Gut, dass ich die ganzen Flaschen vorhin noch weggebracht hab. Mensch, Alter! Mensch, Julia! Wir sind gerettet!“

      Ja, so ist’s wohl, und es tut gut, diese Worte von Kalle zu hören, denn jetzt fühlt sich Julia von ihm angenommen. Ja, sie gehört eben dazu!

      Julia erfährt, dass die beiden Jungs aus einer Art Heim abgehauen sind, wo sie die letzten zwei Jahre zusammen verbracht haben. Seit dem letzten Frühjahr sind beide praktisch heimatlos und fanden dann dieses abgestellte, besitzerlose Wohnmobil. Sie waren sozusagen frei.

      „Und was macht ihr sonst so, außer vor der Polizei wegzurennen?“, bemerkt Julia irgendwann und sieht Kalle dabei mutig mit offenen Augen an. „Ich meine, das kann’s doch nicht sein auf Dauer.“

      „Nee, nee, wir machen schon was, Julia“, unterbricht Jonas sie schnell und zwinkert ihr zu. „Oder glaubst du etwa, wir sind bloß Penner?“

      „Wir machen viel“, ergänzt Kalle, „mehr, als sich eine wie du überhaupt vorstellen kann!“

      „Ja? Und was macht ihr?“, will Julia wissen.

      Kalles Gesichtszüge bekommen wieder dunkle Wolken. „Sach am besten gar nichts!“, wettert er los und sieht zu Jonas hinüber, der neben Julia auf der anderen Bank sitzt. „Das is das Beste. Mädels wie die müssen gar nichts wissen!“

      Doch Jonas ergreift für Julia Partei und legt sofort sanft seinen Arm um sie. „Wieso ‚Mädels wie die‘?“

      „Dann eben Campingplatz-Teeny! Sie is n Campingplatz-Teeny, sonst nichts. Vergiss das mal nich, auch wenn du verliebt bist, Alter. Also muss sie nichts wissen.“

      „Gut“, sagt Jonas nach einem Moment und lässt seinen Arm plötzlich schwer auf Julias Schultern fallen, während er sie mit einem warnenden, verschwiegenen Blick aus den Augenwinkeln ansieht.

      „Alles klar, Kalle. Sie möchte auch gar nichts mehr von uns wissen, richtig, Julia?“

      „Nö … nicht unbedingt“, sagt sie leise, denn sie versteht sein Zeichen, mit der Fragerei aufzuhören.

      „Dann is gut“, sagt Kalle, wieder friedlicher gestimmt, und zu Julia gewandt: „Du musst doch sowieso wieder los, oder wie sieht’s aus? Deine Alten vermissen dich doch bestimmt!“

      Daraufhin sagt Julia erst einmal gar nichts, weil ihr so schnell nichts einfällt, außer, dass sie schon wieder böse auf Kalle wird, sich aber zurückhalten kann, denn sie ist ja so verliebt in Joni und hält sich an das, was er ihr zeigt.

      „Hast du die Sprache verloren, Mädchen? Oder glaubst du, du kannst hier ewig bleiben? Das vergiss mal lieber!“, sagt Kalle, steht auf und geht zur Toilette. „Bin gleich wieder bei euch“, fügt er hinzu.

      „Ja, das vergesse ich“, sagt Julia leise zu Jonas und gibt ihm durch seine strubbeligen, weichen Haare einen zarten Kuss auf sein aufregend großes Ohr.

      Sogleich dreht Jonas sich zu ihr um und küsst sie ausgiebig auf den Mund. „Bleibst … bleibst du noch?“, flüstert er dabei in ihr süßes Ohr.

      „Ja, ich weiß nicht, wenn das geht?“, haucht sie zurück.

      „Hm … klar … das geht. Bleib noch … ja? Bitte.“

      Kalle kommt zurück und stellt zwei Bier auf den Tisch. „Du willst ja bestimmt nix“, sagt er und guckt Julia dabei argwöhnisch an.

      „Doch“, sagt Julia laut, „n bisschen Zeit hab ich wohl noch.“

      Also bekommt sie auch ein Bier, weil Jonas aufsteht und eins für sie holt. Unter dem Wohnmobil steht noch eine ganze Kiste! Er bringt ein paar Flaschen mit rein und legt sie in den kleinen Kühlschrank.

      Kalle öffnet sein Bier mit einem lauten Knall. „Das is aber kein Kindergarten hier, prost!“, sagt er dabei.

      Dann sitzen die drei doch noch den ganzen Nachmittag zusammen und merken nicht, wie die Zeit vergeht und der Nachmittag schon in den Abend übergegangen ist. Julia erfährt dabei auch, so ganz nebenbei, was die beiden noch so machen. Denn wenn das Bier fließt, werden manche Leute ziemlich redselig. Jonas ist neben ihr und hält sie fest. Das ist die Hauptsache für Julia. Und sie muss zum Glück auch gar nichts von sich erzählen. Denn jetzt redet Kalle.

      „Wenn ich was su … sagen hätte, Julia, würd’s kein Elend auf der Welt geben! Ich bin bloß Kalle … Kalle Bloom aus der Neu…zeit … aber Tiere müssen bei mir nich leiden. Schon ma gar nich!“

      „Was denn für Tiere …?“, fragt Julia.

      „Alle … alle Tiere“, murmelt Kalle nur noch und fällt dabei mit dem Kopf auf seine Arme, denn er hat inzwischen sieben bis zehn Flaschen getrunken.

      „Was ist denn mit ihm?“, fragt Julia, so betroffen kennt sie Kalle noch gar nicht.

      Jonas hat mit sehr wachen Augen verfolgt, wie Kalle das viele Bier in sich hineinfließen ließ. „Warte, ich hol Zigaretten“, sagt er und geht hinüber zu ihrem Bettlager. Hat er da vielleicht ein Geheimversteck?

      „Wir machen … Aktionen, befreien Tiere aus Labors und so“, sagt er, öffnet die Packung und bietet Julia eine an.

      „Oh, wunderbar, endlich mal eine rauchen“, sagt Julia. „Ähm, was macht ihr? Tiere befreien? Das find ich klasse.“

      „Klar, dass es niemand wissen darf, ne?“, sagt Jonas und gibt ihr Feuer.

      „Bleibst du jetzt echt noch bei mir, Shuli? Das find ich gut“, sagt Jonas betont und sieht sie verliebt an.

      „Klar, Joni … bis morgen kann ich bleiben“, sagt Julia und wischt alle Bedenken wegen ihres Vaters einfach weg. Dorothea ist als Ausrede verlässlich, das weiß sie, denn bei ihr waren sie schon als kleine Kinder immer willkommene Gäste. Sie und Corinna halfen ihr beim Einkaufen, wenn sie Ferien hatten, und durften dann bei ihr schöne alte Kinderfilme gucken, die sie noch gar nicht kannten. „Lassy“ mit dem so süßen kleinen Timmy war ihr Lieblingsfilm. Aber es gab auch viele spannende Cowboy- und Indianerfilme. Ja, die liebe Dorothea hat eben ein Herz für Kinder …

      Später, als Jonas und sie auf dem kleinen Podest sitzen, auf dem ihr Bettlager schnell hergerichtet ist, steht Jonas noch mal auf und kniet sich vor das große Fenster am Bug, da, wo mal die Fahrerkabine gewesen sein muss. „Siehst du den Vogel da … da, Shuli! Er fliegt gleich übers Meer, wenn er will … und niemand kann ihn daran hindern.“

      Ja, da fliegt der große Vogel in die Nacht hinaus, schlägt mit den Flügeln, dass man es durch das


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