Indianische Heilpflanzen. Felix R. Paturi

Indianische Heilpflanzen - Felix R. Paturi


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      Der Indianer differenziert in seinem Medizinbegriff das Geheimnisvolle aber nicht hinsichtlich klinischer Applikationen oder irgendeiner anderen Anwendung. So nennt er schlechthin alles, das etwas bewirkt, ohne dass er versteht wie, geheimnisvoll und deshalb Medizin. Beispielsweise bezeichnet er den Whisky des Weißen Mannes als Medizinwasser, denn Whisky zeitigt für den Indianer in ihrer Ursache unverständliche Wirkungen. Manche Stämme nennen das Gewehr Medizineisen oder das Pferd Medizinhund. Auch von Medizinpfeifen, Medizinrädern, Medizinhüten, Medizinseen, Medizintrommeln u.Ä. ist bei verschiedenen Indianerstämmen die Rede.

       Natürlich gibt es in diesem Konzept nicht nur gute, sondern auch schlechte Medizin, und dieser Begriff bezeichnet keineswegs in erster Linie Medikamente mit schädlichen Nebenwirkungen. Wird jemand erschossen, dann war das Gewehr für ihn eine schlechte Medizin. Und das Missouridampfboot, das die am großen Strom ansässigen Indianerstämme nicht selten als große Medizin bezeichnen, hat gute und schlechte Qualitäten, je nachdem, wofür man es benutzt.

      Zu den traditionellen indianischen Heilweisen gehören verschiedene Reinigungsverfahren, schamanische Heilungsrituale oder auch Opferzeremonien.

      Differenziertes medizinisches Wissen

      Vor diesem Hintergrund wird verständlich, warum die weißen Missionare und Ärzte den Indianern immer wieder ein äußerst primitives Medizinverständnis bescheinigten und deshalb das Fehlen jeglicher ärztlicher Befähigung unterstellten. Diese Missdeutung ist ein ähnlicher sprachlicher Irrtum, als würde ein Börsianer einen Anthropologen nach dem Kurswert des Neandertalers« befragen und ihn mangels einer für ihn verständlichen Antwort als primitiv einstufen.

       Die tatsächlichen Fakten liegen anders. Sowohl die nord- als auch die mittel- und südamerikanischen Indianer verfügten schon lange vor der europäischen Invasion über äußerst detailreiche und verfeinerte Kenntnisse der gesamten Heilkunde. Doch davon wird später noch die Rede sein.

       Zunächst möchte ich verdeutlichen, was ein Indianer unter Heilpflanzen versteht, denn um diese soll es im vorliegenden Buch in allererster Linie gehen. Auf andere indianische Heilmittel und Heilmethoden, wie Mineralstoffgaben, chirurgische Maßnahmen, Quarantäne, Desinfektions- und Hygienepraktiken, Geburtshilfe und ähnliche Dinge brauchen wir deshalb hier nicht näher einzugehen. Nur so viel sei gesagt: Von alledem hatten die Indianer schon solide Kenntnisse, bevor sie in der europäischen Medizin Allgemeingut wurden.

      Die Indianer betrachten ihre Heilpflanzen - und sie kennen deren Tausende - seit jeher nicht als tote Arsenale therapeutisch wirksamer chemischer Substanzen, sondern als Geschenke des Großen Geistes an die Menschen. Doch als solche sind sie keine bloßen beliebig verfügbaren Objekte, sondern lebende, beseelte Wesen, denen der Mensch Achtung und Ehrfurcht zollt.

       Kein indianischer Heiler käme deshalb auf die Idee, Heilpflanzen in riesigen Monokulturen industriell und unter dem Einsatz von Kunstdünger, Genmanipulation usw. zu züchten.

       Er setzt auf das harmonische Zusammenwirken mit seinen pflanzlichen Helfern. Er fragt sie, ob sie ihm beistehen möchten und wie, ob er sie pflücken darf und zu welchen Tages- und Jahreszeiten sie für ihn am wirksamsten sind. Er erfährt, welche Pflanzenteile er verwenden soll und darf und welche nicht.

       Wer das alles vor dem Hintergrund rein chemotherapeutischen Denkens für überflüssigen, naiven Aberglauben hält, der weiß nichts über die seelischen Voraussetzungen des Heilens, und der hat auch keine Ahnung von den biologischen Rhythmen der Natur. Er sieht nur leblose Details, nicht aber die großen Zusammenhänge des Lebens selbst.

      Neben den Pflanzen sind es auch die Tiere, die in der indianischen Medizin eine große Rolle spielen. Als Schutztiere beeinflussen sie das harmonische Verhältnis zwischen Mensch und Natur.

      Chemotherapeutische Eigenschaften

      Hätten die indianischen Heilpflanzen keinerlei chemotherapeutisch nachweisbare Qualitäten, dann fiele europäischen Denkern ihre Akzeptanz vermutlich sogar leichter. Was man nicht begreift, kann man schließlich unvoreingenommen untersuchen und erforschen. Aber dem ist nicht so. Viele, ja die meisten indianischen Heilpflanzen besitzen sogar sehr ausgeprägte chemotherapeutische Eigenschaften, und aufgrund dieser bewertet sie der europäische Pharmazeut und Arzt grundsätzlich falsch, da aus einer falschen Perspektive heraus.

       Hat er nämlich erst einmal analysiert, dass z.B. die Rinde des südamerikanischen Condurango-Strauchs glykosidische Bitterstoffe, Flavonoide und Kumarinderivate, Chlorogen- und Kaffeesäure enthält, dann kann er sich aufgrund dieses chemotherapeutischen Wissens sofort erklären, dass die Rinde die Magensaftsekretion anregt und deshalb ein »brauchbares Stomachikum« ist. Aber er wird sie nicht wie die Indianer erfolgreich bei inoperablem Magenkrebs einsetzen, denn für ihre Wirksamkeit in dieser Hinsicht kann er sich aufgrund der ihm bekannten einzelnen Inhaltsstoffe keinen Reim machen. Er weiß nicht einmal etwas über deren Zusammenspiel und schon gar nichts über mögliche seelische Reaktionen eines Krebskranken auf die Condurango- Rinde.

      Die Krebs heilende Wirkung der Mistel

      Genau aus diesem Grund wurde z.B. auch die große Heilwirkung der Mistel bis vor wenigen Jahren von den Schulmedizinern bestritten. Erst jetzt kennen Wissenschaftler in der Mistel die so genannten Interleukine 1 und 6 und andere Zytokinine, und erst jetzt glauben auch sie, was die europäische Volksmedizin schon seit Jahrtausenden wusste: Misteln können Krebs heilen. Allerdings verfallen die Wissenschaftler umgehend wieder in den alten Fehler: Sie versuchen, die Interleukine zu isolieren, zu standardisieren und damit aus dem natürlichen Lebensverbund der Mistel herauszureißen. Das Ganze, sagen sie, verstehen sie nicht; und deshalb sei ihnen das Ganze zutiefst suspekt. Mit diesem Ansatz lassen sich zwar gute Teilerfolge erzielen, aber er erlaubt niemals den Zugang zu einem integralen Krankheits- und einem integralen Heilungsverständnis.

      Die bis dahin in Europa gänzlich unbekannte Pflanze des Krallendorns wurde weißen Forschern bei einer Expedition in den Anden von einem indianischen Heiler überreicht. Auf diese Weise gelangten die Pflanze und das Wissen um ihre Krebs heilenden Eigenschaften in die europäische Medizin.

      Das Verständnis indianischer Heilpflanzen

      Kein Wunder, dass deshalb eine der wirkungsvollsten peruanischen Heilpflanzen gegen Krebs, der Krallendorn Uncaria tomentosa, mit dem sich nachweislich zahlreiche als unheilbar geltende Krebserkrankungen beheben ließen, in kaum einem modernen Phytotherapielexikon überhaupt nur dem Namen nach erwähnt wird. Man weiß schließlich noch zu wenig über die Inhaltsstoffe und deren Wirkungs»mechanismen«.

       Vor diesem Hintergrund ist es gewiss keine leichte Aufgabe, dem europäischen Leser in einem Buch wie dem vorliegenden indianische Heilpflanzen zu präsentieren. Verzichtet der Autor auf die Angabe bekannter Inhaltsstoffe und auf die mit ihnen zusammenhängenden, schulmedizinisch anerkannten phytopharmazeutischen Befunde, dann wird der altweltliche Arzt das Buch leichtfertig als »unwissenschaftlich« abtun. Führt er aber heute klinisch akzeptierte Fakten auf, dann könnte nur allzu leicht ein scheinbares Gefälle zwischen »gesicherten Erkenntnissen« und möglicherweise zweifelhaften oder gar auf Aberglauben beruhenden Anwendungen indianischer Heilpflanzen entstehen.

       Eine solche Differenzierung wäre durch nichts, aber auch gar nichts gerechtfertigt. Hätte es nicht die überwältigende Flut von Berichten früher europäischer Siedler und Missionare in Amerika über die spektakulären phytotherapeutischen Heilerfolge der Indianer gegeben, dann wäre niemals ein europäischer Arzt auf die Idee gekommen, diese Pflanzen auf ihre Inhaltsstoffe hin zu untersuchen. Und die Tatsache, dass er auch heute noch weit davon entfernt ist, die Mehrzahl dieser Inhaltsstoffe zu kennen und ihre Wirkungsweisen zu verstehen, bedeutet keineswegs, dass es sie nicht gibt und dass sie dem Menschen nicht ebenso helfen können wie die wenigen heute bekannten Substanzen schon vor ihrer Entdeckung.

      Lebenskräfte akzeptieren und aktivieren

      Vor allem


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