Der gute Mensch von Assuan. Peter S. Kaspar

Der gute Mensch von Assuan - Peter S. Kaspar


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sich zu winden. »Na, wenn er partout keine Polizei haben will … und am Auto wird auch nicht mehr als eine Delle sein.«

      Mansur brummte. »Verstehe, Senatsbauverwaltung.«

      Roland zuckte schuldbewusst mit den Schultern.

      »Trotzdem, ins Krankenhaus muss er. Schau dir die Stirnwunde an. Hat sicher eine Gehirnerschütterung. Vielleicht hat er sich auch noch was anderes eingefangen.« Er wandte sich dem Mann zu. »We will bring you to the next hospital.«

      Die Augen des jungen Schwarzen wurden immer größer. Energisch schüttelte er den Kopf. »No hospital, no hospital. Trop cher, nix Geld.«

      »Sprachbegabt ist er ja«, meinte Mansur trocken und wandte sich wieder dem Verletzten zu. »No problem. I will pay everything.«

      Der Schwarze blieb misstrauisch. Er schien Schmerzen zu haben.

      »Ich schätze mal, er kommt wohl irgendwo aus Westafrika«, vermutete Mansur.

      »Dann ist er wahrscheinlich ein Flüchtling oder ein Dealer, wahrscheinlich beides.«

      »Vous êtes un réfugié?«

      Der Mann schaute Mansur ängstlich an. Doch Mansur schenkte ihm sein wärmstes Lächeln. Der andere schien Vertrauen zu fassen. »Pas de police. Seulement l'hôpital. Keine Polizei, nur das Krankenhaus.«

      »Ich schau mal nach dem Verbandskasten«, kündigte Roland an.

      Bis Roland wieder da war und ein Verbandspäckchen um die Kopfwunde gelegt hatte, hatte Mansur erfahren, dass der junge Mann Souliman hieß und aus dem Senegal stammte.

      »Puh, dann wird er ja schlechte Karten haben«, sagte Roland.

      »Wieso?«, wollte Mansur wissen.

      »Na ja, der Senegal gilt jetzt vielleicht nicht als sicheres Herkunftsland, aber sicher auch als keines, für das besonders triftige Asylgründe vorliegen.«

      Die beiden stützten Souliman links und rechts und führten ihn zum Auto. Er ließ alles mit sich geschehen. Roland schnallte ihn noch sorgsam an und fuhr los. Keine fünf Minuten später hatten sie das Urbankrankenhaus erreicht, jene große Klinik, die über dem früheren Hafen am Landwehrkanal errichtet worden war.

      Roland bremste scharf vor der Notaufnahme. Sie holten ihren Patienten vorsichtig vom Beifahrersitz, als plötzlich ein Polizist neben ihnen auftauchte.

      »Darf man fragen, was hier passiert ist?«, erkundigte er sich, ohne auch nur den Versuch zu machen, sein offenkundiges Misstrauen zu verbergen.

      »Verflucht, ich habe schon geahnt, dass ich diese Geschichte heute noch erzählen muss«, fluchte Mansur und weckte damit erst recht die Neugier des Beamten. Roland erstarrte. Mansur lamentierte: »Es war alles meine Schuld. Es ist in unserem Bandkeller passiert. Sammy spielt das Cajón und dann und wann die Steeldrums. Eigentlich kommen wir ja vom Jazz. Na, wir sind ja auch nicht mehr die Jüngsten. Aber seit Sammy bei uns ist, ist das alles ganz anders. Er hat richtig Schwung in unseren Laden gebracht. Na ja, er fand, dass ich an meinem Kontrabass nicht nur einfach so rumstehen sollte, sondern mehr so interagieren.«

      »Interagieren?«, fragte der Beamte ungläubig.

      »Können wir jetzt, Manni?«, fragte Roland ungeduldig.

      »Interagieren …«, wiederholte der Polizist.

      »Na ja, er meinte … soll ich das wirklich erzählen? Es ist schon peinlich genug.«

      »Was ist peinlich?«

      »Sammy meinte, ich solle es mit Samba versuchen.«

      »Mit Samba?«

      »Na ja, ich solle mit meinem Kontrabass richtig Samba tanzen. Käme auf der Bühne sicher saugut.«

      »Und dann?«

      »Hab’ ich Sammy voll erwischt mit meinem Kontrabass. An der Stirn, hat geblutet wie Sau.«

      »Und warum stehen Sie dann noch rum? Bringen Sie den Mann in die Notaufnahme!«

      »Aye, aye, Sir«, erwiderte Mansur zackig.

      Sie brachten Souliman in den Warteraum des Krankenhauses.

      Roland war noch immer völlig perplex. »Eine dämlichere Ausrede ist dir nicht eingefallen?«

      »Je mehr du dich selbst zum Affen machst, desto glaubwürdiger wird doch eine Ausrede. Der hat mir sicher jedes Wort geglaubt.«

      »Du und Kontrabass.«

      Die Schwester von der Aufnahme kam mit einem Klemmbrett herein. Ehe sie etwas sagen konnte, hatte sich Mansur bereits bei ihr untergehakt.

      »Schwester, das ist ein heikler Fall. Der Mann ist ein Flüchtling und hat fürchterliche Angst, dass die Polizei ins Spiel kommen könnte. Er fürchtet, abgeschoben zu werden. Bitte lassen sie die Polizei außen vor. Ich komme für die Behandlung auf. Hier haben sie einen Vorschuss und hier meine Adresse.«

      »Nun mal langsam. Wir kennen uns hier mit Flüchtlingen aus und wissen ziemlich genau, wie wir mit ihnen umge…« Sie stockte mitten im Satz, als sie sah, dass ihr Mansur eine Visitenkarte und zwei 500-Euro-Scheine entgegenstreckte.

      »Ich denke, das wird die Unkosten für eine Sofortmaßnahme wohl decken?«, fragte er freundlich.

      »Aber ja, äh, gewiss … aber sagten Sie nicht, er sei ein Flüchtling?«

      Mansur atmete scharf ein, um seinen aufkommenden Ärger wieder herunterzuschlucken. Dann sagte er mit zuckersüßer Stimme: »Sagen wir so: Er ist ein Flüchtling, der heute viel Glück gehabt hat.«

      Die Krankenschwester sparte sich nun weitere Fragen, nahm die Karte und das Geld.

      »Nun gut. Sie sind offenbar für ihn verantwortlich. Dann …«

      »Steht alles auf der Karte. Ohne, dass ich jetzt der Diagnose Ihres Arztes vorgreifen will: Ich vermute, dass ein dringender Verdacht auf eine leichte Gehirnerschütterung besteht. Deshalb schlage ich vor, dass Sie ihn über Nacht hierbehalten, und ich werde morgen wieder nach ihm sehen.«

      Die Krankenschwester kniff die Lippen zusammen. Noch einmal wollte sie etwas sagen.

      Doch Mansur hielt seinen Zeigefinger an die Lippen. Leise und betont freundlich sagte er: »Ich gehe davon aus, dass das alles tadellos klappt. Wenn nicht, dann kaufe ich dieses ganze Krankenhaus mit allem, was drin ist, und versetze Sie höchstpersönlich in die Spülküche.«

      Die Krankenschwester holte Luft und wandte sich an Roland. »Der kann doch nicht …«

      Weiter kam sie nicht, denn Roland bestätigte sehr trocken: »Doch, der kann. Das dürfen Sie mir glauben.«

      2. Kapitel

      Wo da Not ist, denkt er, gibt es keine Güte!

      Benjamin Eichbaum knabberte gesalzene Erdnüsse. Es war der Abend des allmonatlichen Hintergrundgespräches mit der Bezirksbürgermeisterin. Seit Monaten drehten sich diese Termine nur noch um das Thema Flüchtlinge. Es war zwar nicht so, dass es keine Probleme mit zu knappem Wohnraum, leeren Haushaltskassen oder Drogen auf den Straßen und in den Parks gegeben hätte, aber es blieb eine unbestreitbare Tatsache, dass die Flüchtlingsfrage all diese Themen erheblich beeinflusste. Der Journalist seufzte laut, schnipste eine Erdnuss hoch und fing sie geschickt mit dem Mund auf.

      »Du kannst ja Kunststückchen«, beschied ihm Silke Sperling grinsend. »Vielleicht sollten wir mit dir auf Tournee gehen, dann wäre unsere klamme Haushaltskasse schnell wieder voll.«

      »Ja, und eine Woche später würdest du mir erzählen, dass sich der Finanzsenator mal wieder alles unter den Nagel gerissen hat.«

      Wenn es nicht um Flüchtlinge ging in diesen Gesprächen, dann häufig darum, wie die Senatsverwaltung ein ums andere Mal die Bezirke aushebelte. Besonders auf den Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg hatte es das Rote Rathaus abgesehen. Seit Jahren war dieser Bezirk fest in der Hand der Grünen. In allen anderen Rathäusern


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